Zarte Berührungen im Thieracher Garten

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Gedichte von E.E. Cummings in der Nachdichtung von Reinhard Heinritz und der grafischen Gestaltung von Eva Skupin sind zusammen mit deren Steinskulpturen bis 26. Juni im Thieracher Garten ausgestellt. Fotos: Carolin Herrmann
Gedichte von E.E. Cummings in der Nachdichtung von Reinhard Heinritz und der grafischen Gestaltung von Eva Skupin sind zusammen mit deren Steinskulpturen bis 26. Juni im Thieracher Garten ausgestellt.  Fotos: Carolin Herrmann
Reinhard Heinritz, 1954 in Hof geboren, studierte Germanistik, Anglistik und Philosophie in Erlangen, England und Salzburg und schloss sein Studium mit Staatsexamen und Promotion ab. Der Gymnasiallehrer war zwischenzeitlich auch als Privatdozent im Bereich Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Bamberg tätig.
Reinhard Heinritz, 1954 in Hof geboren, studierte Germanistik, Anglistik und Philosophie in Erlangen, England und Salzburg und schloss sein Studium mit Staatsexamen und Promotion ab. Der Gymnasiallehrer war zwischenzeitlich auch als Privatdozent im Bereich Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Bamberg tätig.
 
 
 
 
 
 
 

Reinhard Heinritz hat Gedichte von E.E. Cummings neu ins Deutsche übertragen. Seine Nachdichtungen wurden von Eva Skupin bildhaft umgesetzt. Alles zusammen ist im Rödentaler Stadtteil Thierach, im Kunstgarten zu erleben.

Manchmal sieht das Textbild dieser Gedichte ziemlich zerrupft aus. Der amerikanische Dichter E. E. Cummings (1894 - 1962) ließ seine Worte auch optisch wirken. Derlei lyrische Versuche lagen in der Luft der Zeit. Cummings gehörte allerdings nicht zu den ganz schlimmen Experimentierern. Er blieb zugänglich auch für den schlichter gestrickten oder eben einfach nicht mit unendlicher Geduld zum Enträtseln gesegneten Gedichteleser.

So blieb er bis heute beliebt im englischsprachigen Raum dieser Welt. - Was dieser Typ jetzt mit uns hier in der Region zu tun hat? - Es gibt da einen Lehrer, der ist Vermittler, selbst ein Dichter und ein Gartenarbeiter: Reinhard Heinritz hegt und pflegt als Deutschlehrer junge Menschen am Arnold-Gymna sium in Neustadt, davor war er lange am Albertinum in Coburg. 2012 veröffentlichte er seinen eigenen "Libellenflug". Zusammen mit Carola Rückert lässt er den Thieracher Kunstgarten gedeihen; in dessen Blumen und Gräsern breiten sich Jahr für Jahr auch Skulpturen, Bilder, Musik und eben kunstvolle Texte aus.

Eva Skupins Kalligrafien

Dieser Reinhard Heinritz hat Gedichte von Edward Estlin Cummings neu übersetzt und zudem von der Meininger Künstlerin Eva Skupin, deren dicke kleine Steinfrauen derzeit im Thieracher Garten sind, bildlich und kalligrafisch umsetzen lassen. Also gibt es dort, im Teehaus, jetzt etwas zu entdecken, was sonst nirgends zu sehen, spüren, erleben ist: Die eigenwilligen, sinnlichen Zeichnungen und Textspielereien von Eva Skupin auf rotem Papier, die durchaus lebens-kritischen (Liebes-)Gedichte von Cummings, die sich uns nicht gut genug Englisch Sprechenden öffnen in den ihrerseits sinnlich berührenden Übertragungen von Reinhard Heinritz.

Zur Handreichung

Gedichte lassen sich ja kaum "übersetzen". Sie müssen nach-gedichtet werden. Was Heinritz im Falle Cummings so getan hat, dass man die Wort-Werke zu sich heranziehen, sich mit ihnen zurückziehen möchte in die Ruhe eines intimen Lagers, wo man allein wäre mit ihnen und den in uns hinein scheinenden Gefühls- und Gedankenlichtern.

Außerdem hat Heinritz, Germanist und Anglist, der er ist, kleine Interpretationen dazu verfasst. - Ach ne, schreit es da gleich schulgeschädigt in uns auf. Verschont mich bloß mit "Interpretationen"! - Aber nein, gar nicht, im Gegenteil. In den kleinen Texten schmeckt Heinritz nach, aber unaufdringlich. Mehr noch, er lässt uns vorsichtig und voller Achtung tiefer in die kleinen Wortlebewesen von Cummings hineinblicken.

Das alles ist schön arrangiert im kleinen Ausstellungspavillon, wäre aber noch viel schöner, hielte man Bilder und Texte, von einem Buch getragen, in Händen. Nun täte ein kunstsinniger Verlag Not.

Lady, i will touch you with my mind.
Touch you and touch and touch
Until you give
Me suddenly a smile, shyly obscene

(lady i will
touch you with my mind.)Touch
you, that is all,

lightly and you utterly will become
with infinite ease

the poem which i do not write.


E.E. Cummings


Angebetete, ich werde Euch berühren mit meinen gedanken.
Euch berühren, berühren, berühren
Bis Ihr Mir plötzlich zulächelt, scheu und schamlos

(angebetete, ich werde Euch
berühren mit meinen
gedanken.) Euch
berühren, das ist alles,

leicht und Ihr werdet Euch vollkommen
und mit unendlicher muße

in das gedicht verwandeln, das ich nicht schreibe.


Aus dem minnesang kennen wir das lob einer herzensdame, das sich bis zum verzicht eigener wünsche steigert. Doch hier ist eros gänzlich geistiger natur: eine innere gebärde, eine anrührung, aber keine besitzergreifung. Die pointe ist indes mehrdeutig: Es bedarf keines gedichts mehr, denn die angebetete selbst wird durch den magierstab der gedanken ästhetisch veredelt. Die kehrseite der medaille: Diese dame ist ein geschöpf des liebenden dichters, sie hat kein eigenleben. Sie dürfte die ausgeburt einer recht einsamen fantasie sein. Zart ist die empfindung auf jeden fall.
Reinhard Heinritz


Edward Estlin Cummings (1894 - 1962) entstammte einer sehr liberalen Familie. Sein frühes Interesse an Lyrik wurde von seinen Eltern gefördert. Von 1911 bis 1915 studierte er in Harvard Literatur. Er nahm als Sanitäter am Ersten Weltkrieg teil. Nach dem Krieg blieb Cummings in Paris, wo er unter anderem Pablo Picasso begegnete, der ihn sehr beeindruckte. 1923 erschien sein erster Gedichtband "Tulips & Chimneys". In den 20er und 30er Jahren reiste Cummings viel, lebte abwechselnd in den USA und Frankreich und veröffentlichte regelmäßig neue Gedichtbände. wp