Der rasante Strukturwechsel in der Coburger Landwirtschaft fordert seinen Tribut.
Bei einem Umsatzvolumen von rund 130 Millionen Euro pro Jahr aus landwirtschaftlicher Produktion ist die Coburger Landwirtschaft ein ernstzunehmender Wirtschaftsfaktor. Aber der rasante Strukturwechsel fordert auch seinen Tribut. Jährlich geht die Zahl der Höfe um zwei Prozent zurück.
Die Ernte ist eingefahren, die Futtervorräte sind aufgestockt, hier und da stehen noch Zuckerrüben und Kartoffeln draußen, die Felder werden auf die Wintersaat vorbereitet. Kurz vorm Kreiserntedankfest zieht die Landwirtschaft jetzt Bilanz. Herbstlich bunt geschmückt ist der Tisch bei Oliver und Andrea Truckenbrodt in Herbartsdorf, an dem Kreisobmann Martin Flohrschütz, BBV-Kreisgeschäftsführer Hans Rebelein, Kreisbäuerin Heidi Bauersachs und LLD Hans Vetter vom AELF Coburg sitzen.
Schwieriges Getreidejahr
Ein ungewöhnliches und schwieriges Jahr sei es gewesen, blickt Kreisobmann Martin Flohrschütz zurück, spricht von Trockenperioden im Frühjahr und großen Regenmengen im Sommer. Darunter habe vor allem die Getreideernte gelitten. Mähdrescher versanken im Acker und hatten mit Schleppern wieder herausgezogen werden müssen. "In manchen Situationen war das schon eine Schlacht." Uns so hatten auch verschmutzte Straßen für manch Ärgernis gesorgt, auch wenn, so Flohrschütz, die Landwirte schon bemüht waren, die Straßen möglichst schnell wieder zu säubern.
Die Zahlen legt Hans Vetter, Leitender Landwirtschaftsdirektor, auf den Tisch. Der Umsatz der Coburger Landwirtschaft liege bei rund 130 Millionen Euro. Den größten Anteil daran haben in der Pflanzenproduktion Getreide und Silomais, in der Tierproduktion Milchkühe und Mastschweine. Rund 15 Millionen Euro erhalten Coburger Landwirte als Ausgleichszahlungen, wie dem EU-Greening, Kulap oder Vertragsnaturschutz. Allerdings, klärt Vetter auf, seien viele dieser Förderungen auch mit Auflagen verbunden, die Kosten verursachten oder ertragsmindernd wirkten. Im Prinzip, meint Hans Rebelein, Geschäftsführer des BBV-Kreisverbandes, seien die Ausgleichszahlungen eher eine Unterstützung für den Verbraucher als für die Bauern. Butter, Milch und Fleisch müssten unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten wesentlich teurer auf den Ladentisch kommen. In Anbetracht der Umsatzzahlen, sagt Flohrschütz, würden auch die zehn Millionen Euro, die das Naturschutzprojekt "Grünes Band" über fünf bis zehn Jahre in die Region spült, wirtschaftlich kaum eine Rolle spielen.
Immer wieder, auch das nagt an den Bauern, muss sich die Landwirtschaft als "Umweltsünder" beschimpfen lassen. "Unterstellt man, dass die Pflege eines Hektars landwirtschaftlicher Fläche rund 900 Euro kostet", legt Flohrschütz die Fakten auf den Tisch, "entsteht der Gesellschaft ein Nutzen von 30 Millionen Euro im Landkreis. Und da würden noch nicht einmal Nahrungsmittel produziert werden." Auf einem Hektar Mais würden 32 Tonnen CO2 gebunden und 24 Tonnen Sauerstoff freigesetzt. Dagegen könnten extensiv genutzte Wiesen, wie vom Naturschutz bevorzugt, maximal ein Drittel dieser Werte "veratmen". Dazu komme, dass bei weniger als einer Großvieheinheit pro Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche die Coburger Landwirte durchaus nachhaltig und umweltschonend arbeiteten. Und noch ein Beispiel: Bei einer installierten Leistung von 5500 kW/h Strom aus Biogas werden pro Jahr bei einem durchschnittlichen Pro-Kopf-Verbrauch an Strom von 1100 kW/h rund 43.000 Personen mit Strom aus der Landwirtschaft versorgt.
Erdrückende Bürokratie
Von den Landwirten angeprangert werden auch immer wieder Bürokratie und Auflagen. Das ärgert auch Oliver und Andrea Truckenbrodt in Herbartsdorf. "Mit der neuen Düngeverordnung wird faktisch die fachliche Kompetenz unserer gut ausgebildeten Landwirte infrage gestellt. Wir wissen sehr wohl, zu welchem Zeitpunkt Gülle auf die Felder muss, um Boden und Pflanzen als Nährstoff zu dienen. Alles andere würde ja unser ureigenstes Kapital schmälern", sagt Oliver Truckenbrodt.
Die Truckenbrodts haben 104 Milchkühe auf dem Hof, liefern jährlich knapp eine Million Liter Milch und bewirtschaften 118 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche. Immer wieder steht die Familie auch vor der Entscheidung, zu expandieren und zu investieren. Vor zehn Jahren war die Zahl der Milchkühe verdoppelt worden, heuer hat sich Oliver Truckenbrodt trotz des Damoklesschwertes "Flugplatz", der 25 Prozent seiner Flächen betreffen würde, für zwei Melkroboter entschieden. 400.000 Euro muss die Familie investieren, eine Summe, die in der Amortisierung weit in der Zukunft liegt.
Gerade dieser mit Hightech verbundene Strukturwandel in der Landwirtschaft fordert aber auch seinen Tribut. Bei rund 850 Betrieben in der Region liegt die jährliche Quote der "Aussteiger" bei zwei Prozent. Expansion, meint Martin Flohrschütz, sei aufgrund der Flächenknappheit kaum noch möglich, Automatisierung und Digitalisierung erforderten Investitionen in Größenordnungen. Und manch Landwirt überlegt sehr wohl, ob er sich in Anbetracht des harten Konkurrenzkampfes auf den internationalen Märkten, wachsender Bürokratie und Auflagen und nicht zuletzt auch des fehlenden Berufsnachwuchses über Jahre hinweg verschuldet. Zumindest letzteres bereitet Oliver und Andrea Truckenbrodt keine allzu großen Sorgen. Der Sohn will eine landwirtschaftliche Ausbildung machen.
Kreiserntedankfest
Unter dem Motto "Erntedank feiern und schmecken" lädt der BBV-Kreisverband am Sonntag, 15. Oktober, ab 10 Uhr zum Kreiserntedankfest in die Morizkirche zu Coburg ein. Der Gottesdienst wird vom Landfrauenchor musikalisch umrahmt. Anschließend, versichert Kreisbäuerin Heidi Bauersachs, darf Erntedank im wahrsten Sinne des Wortes geschmeckt werden.