Wie wohl Tieren heute sein soll

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Der Handel möchte damit werben, dass sich Schweine wohl fühlten, ehe sie geschlachtet wurden.
Der Handel möchte damit werben, dass sich Schweine wohl fühlten, ehe sie geschlachtet wurden.
Foto: dpa

Tierwohl spielt eine immer größere Rolle. Es soll Verbrauchern ein gutes Gewissen schaffen. Für Bauern sind die Anforderungen oft kaum zu finanzieren.

Tierwohl ist eines der aktuellen Schlagworte, wenn es um die Landwirtschaft geht. Entsprechende Label sollen Verbrauchern das Gewissen erleichtern, wenn sie an der Fleischtheke einkaufen. Förderprogramme wollen Landwirten helfen, dem Tierwohl in ihren Ställen mehr Gewicht zu geben. Doch obwohl Landwirten aus guten Gründen das Wohl ihrer Tiere am Herzen liegt, sind sie nicht mit allem glücklich, was derzeit unter dem Begriff firmiert.

Stichwort Förderung: "Im Jahr 2020 haben viele bayerische Bauern in moderne Ställe investiert", wird Martin Schöffel, der agrarpolitische Sprecher der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag, in einer Mitteilung zitiert. Er spricht von einer "guten Entwicklung". 63 Millionen Euro habe der Landtag zur Verfügung gestellt, die über ein entsprechendes Förderprogramm des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vergeben werden.

Enorme Summen für einen neuen Stall

Eine beachtliche Summe - bis sie in Relation zu den Berechtigten gesetzt wird. "Förderprogramme sind oft nur wenige Tage, manchmal nur Stunden offen", weiß Hans Rebelein aus Erfahrung. Er ist Geschäftsführer des Bayerischen Bauernverbandes in Coburg. Für einen neuen Stall müssen enorme Summen aufgebracht werden. Entsprechend schnell sind die Fördermittel verbraucht. Und: "Die Förderung deckt oft kaum den Mehraufwand, der finanziert werden muss, um die Vorgaben zu erfüllen", wie Hans Rebelein betont.

Nun ist es nicht so, dass Landwirten das Tierwohl nicht wichtig wäre. Denn, wie die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung betont: "Gesunde Tiere, die sich rundherum wohl fühlen, garantieren optimale Leistung und verursachen weniger Kosten."

Geht es um eine konkrete Definition des Begriffes Tierwohl, räumt auch die Bundesanstalt ein, dass dies nicht so einfach ist. Als Grundlage gilt, dass die Tiere zunächst einmal gesund sind, dass sie aber auch ihren natürlichen Verhaltensweisen nachgehen können und eben ihr Wohlbefinden. Als Basis für viele Bewertungssysteme nennt die Bundesanstalt "die fünf Freiheiten". Gemeint ist, dass die Tiere frei sind von Hunger und Durst, frei von haltungsbedingten Beschwerden, frei von Schmerzen, Verletzungen und Krankheiten, frei von Angst und Stress sowie frei im Ausleben normaler Verhaltensmuster.

Entfernt vom Leben auf dem Hof

Was unter all dem zu verstehen ist, wird nach dem Empfinden vieler Landwirte immer stärker von Vorstellungen einer Gesellschaft geprägt, die den Bezug zum Leben und Arbeiten auf den Höfen verloren haben. Dennoch gilt für Hans Rebelein: "Wir versuchen ja den Anforderungen immer gerecht zu werden." Doch er fordert auch Planungssicherheit. Wer einen neuen Stall baut, wird das immer nach allen Vorgaben planen, die zum Zeitpunkt der Investition gelten. Davon hängt schließlich auch die Gewährung von Fördermitteln ab. Aber: "Ein Stall ist auf 20 Jahre oder länger finanziert, deswegen fordern wir ja seit Jahren einen gewissen Bestandsschutz für solche Investitionen - zumindest für die Zeit, bis sie bezahlt sind", sagt Hans Rebelein. Was der Bauernverband feststelle, sei aber, dass oft schon wenige Jahre nach dem Neubau eines Stalles, der allen Anforderungen gerecht wurde, die Bestimmungen angepasst und neue Investitionen nötig werden, die dann kaum zu stemmen sind. Ein Beispiel ist das Raumangebot für die Tiere. Stefan Scheler, der in Buchenrod einen Maststall für Schweine hat, führte vor kurzem bei einem virtuellen Stallgespräch des BBV vor Augen, was Veränderungen in diesem Bereich bedeuten. Als er seinen Stall für 1200 Tiere 2005 bauen ließ, war ein Platzangebot von mindestens 0,75 Quadratmetern pro Tier vorgeschrieben. Daraus ergibt sich ein Durchsatz von einer bestimmten Zahl von Schweinen - mit einem entsprechenden Ertrag als Grundlage für die Finanzierung des Neubaus. Stefan Scheler hält bereits seit Jahren 0,83 Quadratmeter pro Tier vor. "Ich habe einfach gemerkt, dass es den Tieren dann besser geht", betonte er beim virtuellen Stallgespräch.

Jetzt wird gerade eine Vorgabe in genau dieser Höhe diskutiert. Das wäre für den Landwirt also kein Problem, er wäre nur der Zeit voraus gewesen. Doch mittelfristig wird ein Raumangebot von 1,1 Quadratmetern nötig sein, um den Stall tierwohlgerecht nennen zu können. Dann müsste Stefan Scheler die Zahl der Tiere und damit den Ertrag herunterfahren - die Abzahlung für den Stall bliebe aber gleich. Und er muss mit weiteren Investitionen rechnen, wenn etwa gefordert wird, dass die Tiere auf Stroh stehen müssen und ins Freie gelangen können. Dinge, die bisher bei Schweineställen gar nicht gewollt waren.

"Wir hatten Fälle, dass der Stall drei Jahre nach dem Neubau schon nicht mehr den neuen Anforderungen entsprochen hat, weil durch ein Gerichtsurteil Änderungen erwirkt wurden", erklärt Hans Rebelein. Ein Problem, das keineswegs nur für Schweinehalter gilt, sondern in allen Bereichen der Landwirtschaft die Perspektiven möglicher Hoferben belastet.

Label fürs gute Gewissen

Neben staatlichen Vorgaben gibt es zum Tierwohl auch Anreize aus dem Handel. So etwa die Brancheninitiative Tierwohl, die 2015 ins Leben gerufen wurde. Landwirte müssen bestimmte Anforderungen beispielsweise zum Stallklima, der Qualität des Trinkwassers der Tiere oder dem Einfall von Tageslicht erfüllen. Dafür bekommen sie vom Einzelhandel pro Kilo eine Vergütung und die Produkte werden entsprechend für den Verbraucher gekennzeichnet.

Der Staat zieht nach

Inzwischen plant auch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft ein Tierwohllabel. Dabei geht es um mehr Platz im Stall. Je nach Gewicht sollen es bis zu 33 Prozent mehr für jedes Tier sein als im gesetzlichen Mindeststandard vorgesehen. Warum der Bauernverband solche Initiativen mit einer gewissen Skepsis betrachtet, erklärt Hans Rebelein: "Wir erleben eben oft, dass solche extra vergüteten Bemühungen nach einer gewissen Zeit einfach zum Standard erklärt und dann nicht mehr vergütet werden. Dafür kommen neue Programme." So werde die Spirale immer neuer Anforderungen und damit erzwungener Investitionen immer weiter angetrieben.