Tat ausländerfeindlich motiviert?

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Hier, in der Coburger Straße kam es am Gründonnerstag zum Streit zwischen der 63-jährigen Coburgerin und der 29-jährigen Mutter des vierjährigen Jungen. Foto: ct
Hier, in der Coburger Straße kam es am Gründonnerstag zum Streit zwischen der 63-jährigen Coburgerin und der 29-jährigen Mutter des vierjährigen Jungen. Foto: ct

Die Frau, die am Gründonnerstag einen Vierjährigen auf die Straße geschleudert hat, ist in Coburg keine Unbekannte. Mehrfach stand sie vor Gericht, unter anderem wegen Streitereien mit ihren Nachbarn. In einem früheren Verfahren wurde ihr Geisteszustand bereits untersucht.

Dem leitenden Oberstaatsanwalt Anton Lohneis ist die Fassungslosigkeit immer noch anzuhören - Fassungslosigkeit darüber, dass eine 63-jährige Coburgerin am vergangenen Donnerstag im Laufe einer verbalen Auseinandersetzung mit einer jungen Ausländerin derart in Rage geriet, dass sie deren vierjährigen Sohn packte und mitten im Verkehr auf die Bahnhofstraße schleuderte. Die Rentnerin wurde festgenommen und sitzt derzeit in der Justizvollzugsanstalt Bamberg in Untersuchungs-Haft. Die Anklage, so hat die Staatsanwaltschaft entschieden, wird auf versuchten Mord lauten.

Das Merkmal "niedrige Beweggründe", das eine solche Tat zum Mordversuch macht, sei erfüllt, sagte Anton Lohneis gestern im Gespräch mit dem Tageblatt. Gepaart mit persönlichen Motiven, hoher Aggressivität und einer ausländerfeindlichen Gesinnung - erreiche das "einen Grad, der auf der untersten Stufe der niedrigen Beweggründe liegt".

Öffentliche Frau

Die Frau bewegt Coburgs Gemüter seit Jahren. Als selbsternannte Frauenrechtlerin zeigt sie öffentliche Präsenz in der gesamten Region. Sie hält Vorträge, veröffentlicht ihre Aufsätze im Internet auf einer eigenen Seite, lädt zu Stammtischen ein und bietet historische Führungen durch Coburg an. Mit ihrer Meinung hält sie nicht hinter dem Berg.
So hat die 63-jährige Rentnerin erst in der vergangenen Woche die Berichterstattung im Coburger Tageblatt über den "Elterntalk" mit ausländerfeindlichen Bemerkungen kommentiert. Diese E-Mail liegt der Staatsanwaltschaft und der Kriminalpolizei Coburg inzwischen vor. Darin heißt es unter anderem: "Ihre Mutter spuckt gegen Deutsche aus, aber nur aus dem Grund weil Muttern sooo klein ist, und sie ihre Spucke ins eigene Gesicht bekäme, wenn sie Deutschen direkt ins Gesicht spucken würde!"

Auch für die Coburger Staatsanwaltschaft ist die 63-Jährige keine Unbekannte. Schon mehrfach hat sie die örtliche Justiz beschäftigt. Im März 2010 etwa musste sie sich vor Gericht verantworten, weil sie die Arbeitskollegen und Familie eines Nachbarn beleidigt und verleumdet haben soll. Die 63-Jährige verwahrte sich damals gegen die Vorwürfe. Sie habe niemanden beleidigt - im Gegenteil, sie sei diejenige, die ständig beschimpft, bedroht und geschlagen werde.

Geistig verwirrt?

Anton Lohneis, der die Frau auch aus persönlichen Gesprächen kennt, formuliert es vorsichtig: Sie habe auf vielfache Weise "ihre Sicht der Welt propagiert. Dabei sieht die Welt vielleicht genau andersherum aus." Dass die 63-Jährige möglicherweise geistig verwirrt sei, wie ein Sprecher des Polizeipräsidiums Oberfranken am Freitag gegenüber dem Tageblatt mutmaßte, konnte Lohneis allerdings nicht bestätigen. Im Zuge einer früheren Ermittlung sei der psychische Gesundheitszustand der Frau schon einmal untersucht worden. "Dabei ist nichts herausgekommen", sagte Lohneis. Das schließe eine erneute Untersuchung aber nicht aus, sie sei bei den vorliegenden Tatumständen sogar "handwerklich erforderlich".

Die 63-Jährige bestreitet derzeit alle Vorwürfe. "Wir haben aber keinen Zweifel, dass das, was im Haftbefehl steht, sich genauso zugetragen hat", betonte Lohneis. In diesem Zusammenhang sucht die Polizei noch immer Zeugen (siehe Infokasten rechts).

Auf anwaltlichen Beistand habe die Frau bisher verzichtet, sagt der Leitende Oberstaatsanwalt. Sollte sie daran festhalten, werde ihr auf jeden Fall ein Pflichtverteidiger zur Seite gestellt. Aussicht auf Entlassung aus der Untersuchungs-Haft habe die 63-Jährige derzeit nicht, betonte Lohneis. "Die Staatsanwaltschaft wird ihren Segen dazu nicht geben."