Das Publikum am Coburger Landgericht ist nicht ganz so zahlreich wie zum Prozessauftakt am Montag. Fünf Zeugen werden an diesem Dienstag erwartet - "aus dem Umfeld des Schlachthofs", wie es vorab hieß.
Am Vortag hatte unter anderem die Kriminalbeamtin ausgesagt, die die Ermittlungen führte, die durch eine Sendung des Magazins "Quer" ins Rollen gekommen waren. Dort hatten mit Kapuzenjacken unkenntlich gemachte Männer ausgesagt, im Coburger Schlachthof werde K3-Fleisch ausgelöst und an Gaststätten und Metzgereien verkauft. Mit "K3" wird Fleisch klassifiziert, das für den menschlichen Verzehr nicht geeignet ist. Sei es, weil es verschmutzt ist, Verletzungen aufweist oder schlicht nicht marktfähig, wie zum Beispiel manche Innereien. Verdeckt gefilmt wurde damals in einem Nebenbetrieb des Schlachthofs, der Kuttelei.
"Wir haben alle Fahrzeuge festgestellt, alle Örtlichkeiten, nur die "Kapuzenmenschen" nicht", sagte die Beamtin in Anspielung auf den Magazinbeitrag. Dadurch waren die Ermittlungen ins Rollen gekommen. Und tatsächlich ließ sich ein Vorwurf bestätigen: In den Zerlegeräumen eines Fleischgroßhändlers, des nun Angeklagten, wurden "vorläufig beschlagnahmte" Rinderkeulen noch ausgelöst und das augenscheinlich einwandfreie Fleisch verkauft, obwohl die Keulen nach Auffassung der Amtstierärzte als "K3" einzustufen waren. Doch nachdem sie die fraglichen Keulen mit rosa Zetteln versehen hatten - als Markierung für "vorläufig beschlagnahmt", anstatt sie "untauglich" zu stempeln - kümmerten sich die Tierärzte und auch der Schlachthofleiter nicht mehr darum, was damit geschah. Sie seien davon ausgegangen, dass der Fleischgroßhändler die noch verwendbaren Vorderviertel abtrenne und die Keulen als K3-Materal verwerte, sagte die mitangeklagte Amtstierärztin, die Frau des dritten Mitangeklagten. Der hatte den städtischen Betriebsteil des Schlachthofs geleitet, in dem die Tiere getötet, in Hälften zerlegt und von den Amtstierärzten begutachtet wurden. Die weitere Verarbeitung, auch das sogenannte Trimmen vor dem Wiegen, übernahm das Personal des Fleischgroßhändlers.
Die Ermittler fanden nicht nur heraus, dass der Großhändler K3-Fleisch weiterverarbeiten ließ. Er hatte es auch nicht bezahlt, denn die ausgesonderten Keulen wurden beim Wiegen abgezogen. Außerdem ließ der Händler die Schlachtkörper über die gesetzlich vorgeschriebene Schnittführung hinaus trimmen, also mehr wegschneiden, was das Schlachtgewicht weiter minderte. Die Lieferanten - Viehgroßhändler, Bauern - werden nach Schlachtgewicht bezahlt.
Deshalb wurde gegen den Großhändler nicht nur wegen Verstoßes gegen das Lebensmittelrecht ermittelt, sondern alsbald auch wegen Betrugs. Auch der Schlachthofleiter und seine Frau gerieten ins Visier: Sie sollen von den Manipulationen gewusst haben, sie geduldet und teilweise unterstützt haben.
Erst im Februar 2013 änderten sich offenbar die Abläufe am Coburger Schlachthof. Zuvor war eine anonyme Anzeige eingegangen. Daraufhin wurden die Abläufe erstmals schematisch festgehalten. Das übernahm ein Mitarbeiter des städtischen Ordnungsamts.