So verzaubert der Bariton Thomas Hampson gemeinsam mit dem Pianisten Wolfram Rieger sein Publikum zum Abschluss des Festivals "Lied & Lyrik" im Landestheater Coburg.
Wovon träumen Menschen, wenn sie einen Liederabend eines prominenten Sängers besuchen? Hoffen sie auf ein Konzert am Rande der Perfektion? Das bekommen sie, wenn sie Fans von Christian Gerhaher sind, wie der Auftaktabend des Festivals "Lied & Lyrik" vor knapp einer Woche im Landestheater bewiesen hat. Oder sind sie auf der Suche nach dem orphischen Zauber des Gesangs schlechthin? Dann sind sie bei Thomas Hampson an der richtigen Adresse, wie der Abschlussabend des diesjährigen Festivals im Landestheater beweist.
Mahler bis Schönberg Mit Liedern von Mahler bis Schönberg fasziniert Hampson gemeinsam mit seinem Klavierpartner Wolfram Rieger sein zum Teil von weither angereistes Publikum.
"Lyrik & Lyrik", die Kennzeichen der auf dem Coburger Schlossplatz parkenden Autos beweisen es, wird längst weit über Oberfranken hinaus wahrgenommen.
Klug komponiertes Programm Dabei ist Thomas Hampsons Gesang keine Kunst jener Art, die sich selbst ausstellen muss, um auf sich aufmerksam zu machen. Das beginnt schon bei der Auswahl der Werke. Hampsons Liederabende zeichnen sich durch klug komponierte Programme aus, die oft erhellend Zusammenhänge hörbar werden lassen, aber nie didaktisch bemüht wirken. Der Aufbruch in die Moderne von Mahlers "Wunderhorn"-Liedern bis hin zu frühen Liedern Weberns und Schönbergs "Erwartung" ergibt sich gleichsam nebenbei.
Lieder nach Gedichten von Richard Dehmel Und ganz beiläufig auch wird hörbar, wie kurz der Weg von Hugo Wolfs Goethe-Liedern (darunter "Wer sich der
Einsamkeit ergibt") bis zur Neuen Wiener Schule Arnold Schönbergs tatsächlich sein kann.
Sechs ausgewählte Lieder nach Gedichten von Richard Dehmel lassen sehr eindringlich nachvollziehbar werden, dass es zwischen Zemlinsky und dem frühen Webern sehr wohl Berührungspunkte gibt.
Wolfram Rieger ist die Personifizierung vieler Tugenden mustergültiger Liedgestaltung am Klavier. Nie drängt er sich in den Vordergrund und ist doch immer höchst aufmerksam zur Stelle. Mit seinem Spiel öffnet Rieger scheinbar ganz selbstverständlich Klangräume.
"Der Schildwache Nachtlied" Stets musiziert Rieger in Dynamik wie Artikulation fein differenziert. Mit nuancenreichem Anschlag entlockt er dem Flügel eine verblüffende Fülle an Klangfarben. Sein Klavierton ist klar konturiert selbst im Pianissimo.
Zugleich ist er - trotz des gänzlich geöffneten Klavierdeckels - nie zu laut, zwingt Thomas Hampson nie zum Forcieren. Damit verdient er sich den Sonderapplaus, den Hampson ganz am Ende auf ihn lenkt.
Fülle an Klangfarben Die fein differenzierte Fülle an Klangfarben wird im ersten Teil bei Liedern Gustav Mahlers faszinierend hörbar. Die orchestral gedachte Vielfalt an Farben dieser Lieder zaubert Rieger scheinbar mühelos herbei. Und Thomas Hampson singt diese Lieder nach Texten aus "Des Knaben Wunderhorn" mit untrüglichem Stilgefühl so, wie sie wohl gedacht sind - als anschauliche kleine Szenen, die dennoch nie opernhaft geraten.
Das gilt für das "Lied des Verfolgten im Turm" ebenso wie für "Der Schildwache Nachtlied" oder "Revelge".
Geschmeidige Phrasierungskunst Thomas Hampsons lyrisch gefärbter Bariton zieht die Zuhörer mit seinem warmen Timbre sofort in Bann. Seine geschmeidige Phrasierungskunst, seine genaue Textbehandlung und seine klare Artikulation lassen seine Stimme zum flexiblen Instrument intelligenter, jederzeit stilsicherer Gestaltung werden. Damit aber ist Hampsons Kunst nur sehr äußerlich beschrieben. Denn die technischen Mittel sind ihm tatsächlich nur Mittel - eben Mittel der Gestaltung. Dahinter aber steht eine gestalterische Kraft, die Musik und Text ganz selbstverständlich in Balance zu halten weiß.
Lebendiger Ausdruck Der Maßstab dieses Singens ist nicht sterile Perfektion, sondern
der lebendige Augenblick - jener Moment, in dem sich Text und Musik in einem Lied auf eine Weise begegnen, als würden sie gerade erst erschaffen durch die Kunst des Interpreten.
Enthusiastischer Beifall Wie aber gelingt es Hampson, diese magischen Momente zu schaffen? Ist es seine Kunst, weit ausschwingende vokale Bögen mit fein differenzierter Dynamik spannungsvoll von der ersten bis zur letzten Note auszuformen? Ist es sein Gespür für subtil nuancierte Klangfarben? Oder ist es sein untrüglicher Sinn für die Balance zwischen äußerer Intensität des Gesangs und innerer Intensität des Ausdrucks?
Es ist wirklich schön, wieder hier in Coburg zu sein" Ganz am Ende wird der Sänger zum plaudernden Charmeur.
"Es ist wirklich schön, wieder hier in Coburg zu sein", sagt Hampson und blickt gleich ein wenig in die Zukunft: "Ich hoffe, dass es wirklich mit ,Lied & Lyrik' so weiter geht. Sie sind so nett zu mir, dass schon wieder eine Einladung da ist. Wir sprechen schon über 2015."
Dabei weiß Hampson natürlich genau, was die Vestestadt mit Lied und Lyrik verbindet: "Was wäre ein Liederabend in Coburg ohne einen Text von Rückert?"
Drei Zugaben Und so gibt es bei den geradezu enthusiastisch herbei geklatschten Zugaben nach Hugo Wolfs "Anakreons Grab" zwei Rückert-Lieder Gustav Mahlers: "Blicke mir nicht in die Lieder" und "Ich atmet' einen linden Duft".