Im Schützenhaus-Prozess fordert die Staatsanwaltschaft zwölfeinhalb Jahre wegen Totschlags - die Verteidigung plädiert auf fahrlässige Tötung. Die letzten Worte hatte der Angeklagte.
Der Schützenhaus-Prozess am Coburger Landgericht steht unmittelbar vor seiner Entscheidung. Nachdem am Mittwoch Oberstaatsanwältin Ursula Haderlein und Rechtsanwalt Hans-Heinrich Eidt als Verteidiger des 55 Jahre alten Ulrich S. ihre Plädoyers gehalten haben, wird Vorsitzender Richter Gerhard Amend bereits am Donnerstag das Urteil sprechen.
"Vorsätzlich erschossen" Für Ursula Haderlein ist die Sache klar: Die vom Angeklagten immer und immer wieder beteuerte Unfall-Version, wonach er über seinen Hund gestolpert sei und sich dabei versehentlich ein Schuss aus dem Schrotgewehr gelöst habe, betrachte sie als komplett widerlegt. "Von einem Unglück kann nicht die Rede sein", betonte Haderlein, "Ulrich S. hat seine Frau vorsätzlich erschossen." Unter anderem berief sich die Oberstaatsanwältin auf ein weiteres Gutachten, das erst gestern präsentiert wurde. Demnach betrug der Einschusswinkel der tödlichen Kugel, die Marie S. traf, etwa 19 Grad - und das ist deutlich steiler als die bislang angenommenen fünf bis sieben Grad. Ein Einschusswinkel von 19 Grad bedeutet - bei einer Schussdistanz von 120 Zentimetern - dass der Schuss aus einer Höhe von etwa 150 Zentimetern abgegeben worden sein muss. Bei allen drei Demonstrationen, die Ulrich S. während der Verhandlung abgab, betrug die Schusshöhe allerdings maximal einen Meter.
Für Ursula Haderlein war dieses Gutachten allerdings nur ein weiterer Beleg für etwas, was sie aufgrund anderer Untersuchungen sowie der zahlreichen Zeugenaussagen ohnehin schon gewusst haben will: Es sei ein Totschlag gewesen, und zwar sogar "mit mord-ähnlichen Zügen". So hatte sich Ulrich S. ja erst am Vortag die Waffe besorgt. In ihrem Plädoyer forderte die Oberstaatsanwältin deshalb mit einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren und sechs Monaten auch beinahe die Höchststrafe, die bei Totschlag 15 Jahre beträgt.
Ganz anders die Sichtweise der Verteidigung: Hans-Heinrich Eidt legte dar, dass es sich bei dem tödlichen Schuss, der am Abend des 6. Oktober 2012 im Alten Schützenhaus fiel, sehr wohl um einen tragischen Unglücksfall gehandelt habe. Außerdem bat er zu berücksichtigen, dass Ulrich S. seelisch sehr unter der Tat leide und sich nach dem tödlichen Schuss ja auch selbst erschießen wollte, doch er überlebte schwerverletzt. "Und an diesen Verletzungen wird er sein Leben lang leiden", so Eidt, der schließlich auf "fahrlässige Tötung" plädierte. Das Strafmaß legte er in die Hände des Gerichts.
Emotionaler Höhepunkt des sechsten Verhandlungstages waren die Schlussworte, die dem Angeklagten vorbehalten waren. "Ich bin schuld, dass ich meine Frau getötet habe", sagte er mit stockender Stimme. Und: "In dieser Unglücksnacht, der Unfall, er hat sich hundertprozentig so zugetragen. Das schwöre ich bei meinen Leben und beim Leben meines Sohnes." Mehr konnte er nicht sagen, denn er wurde von Tränen übermannt.