Kommunalpolitiker von SPD und CSU warnen davor, gemeinsam mit extremen Gruppen auf die Straße zu gehen und äußern gleichzeitig Verständnis für Kritik an Corona-Maßnahmen.
Der Coburger Stadtrat wäre sogar beschlussfähig gewesen: Kommunalpolitiker aus Stadt und Landkreis bildeten den größeren Anteil der Gruppe, die sich am Samstagmittag auf dem Coburger Marktplatz vor dem Rathaus versammelte. Der Anlass: Das Bündnis "Coburg ist bunt", dem Stadt und Landkreis Coburg sowie alle Gemeinden, viele Kirchengemeinden und weitere Verbände angehören, hat zur öffentlichen Erstunterzeichnung der "Coburger Erklärung" aufgerufen. Anlass dafür sind die montäglichen Spaziergänge in Coburg gegen die Corona-Maßnahmen. Diese nicht angemeldeten Veranstaltungen seien zwar bislang friedlich geblieben, doch es sei auch erkennbar, dass rechte Gruppen sich dort zeigen.
Der Appell der Coburger Erklärung lautet also: Bei aller Unzufriedenheit mit den Corona-Maßnahmen - spaziert nicht mit den Rechten. Das drücken fast alle Redner so aus, wenn auch mit unterschiedlichen Worten. Am deutlichsten wird da Coburgs Oberbürgermeister Dominik Sauerteig (SPD). Er nennt es "verwerflich, wenn gemeinsame Sache mit Rechtsradikalen gemacht wird" und bei den Protesten von "Diktatur" die Rede sei. "Gerade in Coburg mit seiner Vergangenheit im Dritten Reich sollte jeder genau überlegen, ob er mit Rechtsradikalen oder vom Verfassungsschutz beobachteten Gruppen auf die Straße gehen sollte."
Coburg war 1929 die erste Stadt, in der die Nationalsozialisten die absolute Mehrheit im Stadtrat hatten. Durch Coburg war 1922 der damals noch ziemlich unbekannte Adolf Hitler mit 650 Mann SA in Uniform marschiert - trotz eines eindeutigen Verbots. Der "Marsch auf Coburg" wurde später zu einem Höhepunkt in der Parteigeschichte verklärt.
Sauerteig ist mit seinem Appell nicht allein: Auch Landrat Sebastian Straubel und Landtagsabgeordneter Martin Mittag (beide CSU) finden klare Worte: Die "Spaziergänge" würden das Demonstrationsrecht und die Corona-Regeln unterlaufen, sagt Straubel. Die Spaziergänge seien in Coburg bislang friedlich geblieben. "Aber es laufen auch welche mit, die Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ablehnen." Mittag nutzt seinen Redebeitrag für einen Appell zum Impfen: "Jeder der es kann, sollte es tun." Denn Ziel aller Maßnahmen sei es, die Gesundheit zu schützen.
"30 Prozent terrorisieren die 70 anderen"
Friedrich Thauer ist für ein paar Minuten stehengeblieben, um zuzuhören. Sein Urteil steht fest: "Die 30 Prozent Ungeimpften terrorisieren die anderen 70 Prozent. Dafür hat man langsam kein Verständnis mehr", vor allem, weil der Staat bislang alles - Tests und Impfungen - kostenlos angeboten habe. "Wenn jeder Ungeimpfte, der ins Krankenhaus eingeliefert wird, pauschal 500 Euro bezahlen müsste, sähe es anders aus."
Eine ältere Dame ärgert sich über einen Zuhörer, der demonstrativ keine Maske zu tragen scheint. "Warum dürfen die das?!" Eingangs hatte Dekan Andreas Kleefeld als Sprecher des Bündnisses und Versammlungsleiter darauf hingewiesen, dass die Masken zu tragen seien. Doch außer dem Hinweis eines Ordners, auf den der Mann einige Schritte zurückgeht, geschieht nichts. Polizisten sind da, greifen aber nicht ein. Einer der Polizisten hatte sich vorher schon von Stadtratsmitglied Gerhard Amend (CSB) anhören müssen, dass die Polizei das Maskenverbot beim jüngsten "Montagsspaziergang" nicht durchgesetzt habe, obwohl eine entsprechende Allgemeinverfügung erlassen worden war. "Uns als Stadt fordert man auf, so was zu machen!", damit die Polizei eine Handhabe habe, sagte Amend gut hörbar. Der Polizist verwies an den Dienststellenleiter.