Nicht nur Erdbestattungen sind gewünscht

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Fabian Leppert ist in Seßlach für die städtischen Friedhöfe zuständig. Fotos: Martin Kreklau
Fabian Leppert ist in Seßlach für die städtischen Friedhöfe zuständig.  Fotos: Martin Kreklau
Bei der Bepflanzung geben sich die Menschen viel Mühe.
Bei der Bepflanzung geben sich die Menschen viel Mühe.
 
Pfarrer Stefan Fleischmann mit dem Gedenkbuch.
Pfarrer Stefan Fleischmann mit dem Gedenkbuch.
 
Eines der ältesten Gräber auf dem Seßlacher Friedhof stammt aus dem 19. Jahrhundert.
Eines der ältesten Gräber auf dem Seßlacher Friedhof stammt aus dem 19. Jahrhundert.
 
 
 
 
 
 

Gräber sind für viele Menschen nicht nur ein Ort der Trauer, sondern auch der Erinnerung. Neben traditionellen Erdbestattungen wünschen sich heute viele Menschen Alternativen wie Feuerbestattungen oder die Bestattung auf einem Ruheforst.

Elisabeth Malsch ist fast jeden Tag hier, um ihren Mann und ihre Tochter zu besuchen - und um deren Grab zu pflegen. "Im Sommer, wenn es so warm ist, dann muss man die Pflanzen oft gießen, sonst gehen sie ein", sagt sie. Im Winter komme sie seltener. Am liebsten geht sie in den frühen Morgenstunden auf den Friedhof, oder spät Abends, wenn wenig los ist. Da habe man Zeit für sich, sagt Elisabeth Malsch. Und für Erinnerungen.

Pfarrer Stefan Fleischmann kennt die Sorgen und Ängste der Menschen, wenn es um den Friedhof geht - obwohl es noch immer ein Tabuthema ist, wie er erklärt. Viele befürchten, dass sie sich ein Grab nicht leisten können oder im Alter nicht mehr mobil genug sind, um es zu pflegen. "Außerdem ändert sich die Religiosität, christliche Traditionen werden aufgeweicht und es fehlt die Bindung an die Kirche vor Ort", sagt Fleischmann. Das seien Faktoren, die die Leute dazu bringen, nach Alternativen zu suchen.

Alternative Ruheforst?


Eine solche Alternative ist der Ruheforst. Fleischmann versteht die Beweggründe der Menschen, doch mit dieser Form der Bestattung kann er sich nicht so recht anfreunden. "Der Friedhof ist noch halbwegs in die Stadt eingebunden und mit ihm die Gedanken an Tod und Vergänglichkeit", sagt Fleischmann. Der Ruheforst hingegen sei weiter draußen, nicht so schnell zu erreichen - "hinausgeschoben", wie Fleischmann sich ausdrückt. Doch Sterben und Tod gehörten zum Leben dazu.
Für die Kirche sieht er die Aufgabe, Profil zu zeigen, was christliche Bestattungskultur betreffe.

"Ich möchte den Menschen aber nichts verbieten, oder ihnen Wünsche absprechen. Ich möchte nur Impulse geben, dahinter zu schauen, was die christliche Trauerkultur betrifft", sagt Fleischmann. "Letztlich ist es aber eine persönliche Entscheidung." Er möchte seine Gemeinden während der Gottesdienste für das Thema sensibilisieren. Bei persönlichen Gesprächen im Trauerfall sei die Entscheidung meist schon gefallen.

Das Schlimmste sei, wenn die Menschen keinen Ort zum Trauern haben. "Das war gerade nach dem Krieg besonders schwierig." Wer keinen Ort der Trauer hat, der solle sich einen schaffen: einen besonderen Stein, ein Bild, eine Kerze. Bereits wenig helfe viel, von einem geliebten Menschen Abschied zu nehmen.

Elisabeth Malsch hat inzwischen die Blumen auf dem Grab gegossen und einen Moment inne gehalten. Sie trifft eine Bekannte, Gundi Salb. Die gebürtige Seßlacherin lebt in München, kommt jedoch immer mal wieder in die Heimat. Weil sie hier Freunde hat. Weil sie hier zu Hause war. Und wegen ihren Eltern, die beide auf dem Seßlacher Friedhof begraben sind.

Für Elisabeth Malsch und Gundi Salb ist der Friedhof nicht nur ein Ort der Trauer: "Es ist auch ein Treffpunkt. Gleich die Straße hoch ist ein Supermarkt, viele kommen auf dem Weg dorthin hier vorbei", erklärt Gundi Salb. Auch Spaziergänger gingen hier gerne entlang und bei gutem Wetter sei auf dem Friedhof richtig viel los. Da bleibe auch Zeit für das ein oder andere Gespräch. "Man ist aber auch froh wenn man mal alleine ist", sagt Salb.

Grabpflege: viel zu tun


In Seßlach gibt es elf Friedhöfe, drei davon sind kirchlich, die restlichen städtisch. Bei der Stadt ist Fabian Leppert für Friedhofsangelegenheiten zuständig. Er erklärt, dass für die Grabpflege grundsätzlich die Angehörigen verantwortlich sind. "Es ist aber zu beobachten, dass immer mehr die Pflege aus gesundheitlichen oder finanziellen Gründen nicht mehr ausführen können. Teilweise wohnt die Familie auch einfach zu weit weg." Gärtnereien böten in diesem Fall einen Grabpflegeservice an. Manchmal übernehmen auch Bekannte die zahlreichen Arbeiten, die bei der Pflege anfallen. Doch was, wenn niemand da ist?"Zunächst besteht die Möglichkeit, einfach Büsche zu pflanzen, die wenig Pflege brauchen oder die Bepflanzung ganz durch eine Steinplatte zu ersetzen", sagt Leppert. Doch auch das müsse von den Angehörigen bezahlt werden. Wenn wirklich niemand da ist, dann bekommt der Tote eine Urnenbestattung und wird in einem Grab beigesetzt, dass er sich mit anderen teilen muss. Ein Grab für Einsame also. Die Kosten und die Pflege übernimmt die Stadt.

Wer möchte, dass sein Angehöriger auf dem Friedhof "wohnen" kann, muss "Miete" zahlen: 220 Euro kostet eine Grabstätte in Seßlach für 30 Jahre. Sind diese abgelaufen, kann der Grabinhaber (also der Angehörige) entweder verlängern oder das Grab auflassen. Das bedeutet, dass der Stein und die Einfassung entfernt und die Erde eingeebnet wird. Dann steht das Grab wieder zur Verfügung.

Über kurz oder lang wird es auf kleineren Friedhöfen eng. In Seßlach erweiterte man das Gelände in den 90er Jahren. Heute ist das neue Areal fast voll belegt. Vielleicht ist das ein Grund dafür, dass Erdbestattungen immer weniger werden. "Die Leute suche nach Alternativen wie Feuerbestattung", sagt Leppert. Elisabeth Malsch und Gundi Salb gehen gemeinsam noch ein Stück über den Friedhof, im Gespräch versunken.

Ihr Blick fällt auf die bunten Bepflanzungen und Gestecke, die die Grabsteine zieren. Die beiden verstehen, wenn Leute einfach nur zum Spazierengehen herkommen. "Die Seßlacher sind fleißige Grabpfleger", sagt Elisabeth Malsch und Gundi Salb ergänzt: "Wenn es hier noch grüner wäre, dann wäre es eher ein Park als ein Friedhof."