Max Brose und die Hitler-Büste

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1934 forderte Max Brose von der Stadt Coburgeine Bronze-Büste von Adolf Hitler zurück, die er dem Stadtrat geliehenhatte.
1934 forderte Max Brose von der Stadt Coburgeine Bronze-Büste von Adolf Hitler zurück, die er dem Stadtrat geliehenhatte.
Die Hitler-Büste im Bestand der städtischen Sammlungen. Sie stammt aus der Werkstatt des Coburger Bildhauers Edmund Meusel und entstand vermutlich zwischen 1930 und 1933. Möglicherweise gehörte dieses oder ein identisches Exemplar Max Brose.
Die Hitler-Büste im Bestand der städtischen Sammlungen. Sie stammt aus der Werkstatt des Coburger Bildhauers Edmund Meusel und entstand vermutlich zwischen 1930 und 1933. Möglicherweise gehörte dieses oder ein identisches Exemplar Max Brose.
 

Wie nahe stand Max Brose dem Nationalsozialismus? Diese Frage stellt sich, nachdem das Evangelische Bildungswerk darauf hinwies, dass der Unternehmensgründer schon vor 1934 eine Hitler-Büste besessen hat.

Der Brief umfasst nur wenige Zeilen: "Wie telefonisch besprochen, bitte ich, dem Überbringer dieses Briefes meine leihweise dem Stadtrat überlassene Bronze-Büste freundl. auszuhändigen." Unterzeichnet ist der Brief mit "Heil Hitler!" und (handschriftlich) dem Namen Max Brose.

Der Brief - genauer gesagt: eine Durchschrift - befindet sich im Coburger Stadtarchiv, inventarisiert unter der Nummer A 6045, fol. 88. Der Kulturwissenschaftler Hubertus Habel stieß eher zufällig darauf, als er für die Ausstellung der Initiative Stadtmuseum "Voraus zur Unzeit - Coburg und der Aufstieg des Nationalsozialismus in Deutschland" recherchierte. Habel erwähnte den Brief 2004 im Katalog zu der Ausstellung, nannte aber bewusst nicht den Namen des Absenders. "Wir wollten in der Ausstellung gezielte Personalisierungen vermeiden", sagt er rückblickend.
Es sei darum gegangen, wie Coburg zur ersten Nazi-Stadt in Deutschland werden konnte.

Denn hier fassten die Nazis früher Fuß als anderswo. 1922 marschierte Adolf Hitler mit 800 SA-Männern beim "Deutschen Tag" ein, der von den national-völkischen Gruppierungen veranstaltet wurde. 1924 zogen Nazis trotz offiziellem Parteiverbot in den Coburger Stadtrat ein. 1929 gelang es dem Coburger Parteivorsitzenden Franz Schwede, zum Dritten Bürgermeister gewählt zu werden; 1931 wurde er dann Erster Bürgermeister. Schon ab 1929 konnten die Nationalsozialisten den Stadtrat dominieren.

Unter Schwede wurden, so ist es im Ausstellungskatalog nachzulesen, alle Schlüsselstellen in der Stadtverwaltung mit Nationalsozialisten besetzt. Die Wahlerfolge der Nazis gründeten sich vor allem auf ihren offenen und hetzerischen Antisemitismus, der in Coburg laut Ausstellungskatalog Allgemeingut war - auch in Kirchenkreisen. Schon 1931 konnten sich jüdische Coburger auf der Straße nicht mehr sicher fühlen. Im März 1933 erreichte der Terror gegen Juden und Andersdenkende in Coburg einen Höhepunkt: Die Nazis waren reichsweit an die Macht gekommen; bis Ende April wurden 152 Coburger verhaftet und in Anwesenheit Schwedes misshandelt und gefoltert.

Schwede wurde zum 1. Juli 1934 zum Regierungspräsidenten von Niederbayern-Oberpfalz ernannt und am 20. Juli 1934 zum Gauleiter des Gaues Pommern. Als Max Brose am 16. Juli 1934 die Büste vom Rathaus zurückforderte, war Schwede also nicht mehr da.

Viele Vermutungen
Wie die Büste aussah, weiß man nicht. Ein "H. Späth" hat am 18. Juli 1934 quittiert, dass er die "Bronzebüste des Führers mit Steinsockel" erhalten hat. Hubertus Habel vermutet aber, dass sie der hier abgebildeten geglichen haben dürfte. Diese Büste stammt aus der Werkstatt von Edmund Meusel, der im Hofgarten ein Atelier besaß. Meusel schuf 1930 auch die Luther-Büste für die Heiligkreuz-Kirche. Habel grenzt den Entstehungszeitraum auf die Jahre 1930 bis 1934 ein und begründet das damit, dass es zu dieser Zeit ja schon eine Hitler-Büste gegeben haben müsse - nämlich die im Eigentum von Max Brose. Die könnte in Coburg hergestellt worden sein, und da kommt Meusel als Schöpfer in Frage. Die Stadt selbst schaffte erst 1939 eine Hitler-Büste an und bezog sie von der Partei, vermutlich das Modell von Bernhard Bleeker aus dem Jahr 1937.

Was Brose nach dem 18. Juli 1934 mit der Büste machte, ist unbekannt. Die hier gezeigte Büste wurde angeblich 1945 in einer Schutthalde gefunden (wo, weiß man nicht), lagerte dann auf einem Dachboden und gelangte 2002 zu einem Coburger Händler. Dort erwarb sie Habel für die Städtischen Sammlungen.


Streit um Max Brose
Schon 2002 wusste Habel allerdings von der Brose-Büste, durch ebenjenen Brief aus dem Juli 1934. Im Sommer 2004 informierte er auch das Unternehmen Brose darüber. Kurz zuvor hatte der Stadtrat in nichtöffentlicher Sitzung entschieden, die Von-Schultes-Straße weder in Max-Brose- noch in Brose-Straße umzubenennen. Für einige Stadtratsmitglieder spielte dabei eine Rolle, dass Brose ab 1933 der NSDAP angehört hatte und später, in Kriegszeiten, Zwangsarbeiter beschäftigt hatte.

Michael Stoschek, seinerzeit geschäftsführender Gesellschafter von Brose und Enkel des Firmengründers, sah dadurch die Ehre seines Großvaters beschädigt. Seither erhalten Coburger Vereine keine Spenden mehr von Brose. Der Stadtrat stellte nun in seiner Sitzung am 26. März 2015 fest, dass Max Brose kein Fehlverhalten als Unternehmer und IHK-Präsident während des Nationalsozialismus vorgeworfen werden könne. Michael Stoschek selbst ist überzeugt davon, dass sein Großvater mit der Nazi-Ideologie nichts am Hut hatte. Der Parteieintritt 1933 sei auf Drängen Schwedes erfolgt, um das Unternehmen und die Familie zu schützen, argumentierte Stoschek bei einer Pressekonferenz am 20. März.

Eine Max-Brose-Straße ist zwar derzeit kein Thema. Trotzdem haben sich der Zentralrat der Juden und das Evangelische Bildungswerk dagegen ausgesprochen, den Unternehmensgründer mit einer Straße zu ehren. Das EBW begründet dies unter anderem mit der Hitler-Büste, obwohl Broses Name in diesem Zusammenhang gar nicht veröffentlicht war - davon wussten nur wenige.