Liebesgeschichte aus der High Society der Antike kommt nach Coburg

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Tobias Heyder gastiert als Regisseur erstmals am Landestheater Coburg. Foto: Jochen Berger
Tobias Heyder gastiert als Regisseur erstmals am Landestheater Coburg. Foto: Jochen Berger

Eine Doppelpremiere steht am Samstag in Coburg auf dem Spielplan: Henry Purcells "Dido and Aeneas" und "Riders to the Sea" von Ralph Vaughan Williams.

Der junge Opern-Regisseur Tobias Heyder gastiert erstmals am Landestheater Coburg - dies aber gleich doppelt. Der 36-Jährige feiert am 18. Juni Premiere mit zwei britischen Opern an einem Abend. Im Gespräch gibt Heyder Einblick in seine Erfahrungen aus der Probenarbeit.

Fast zweieinhalb Jahrhunderte trennen Purcells "Dido und Aeneas" und Vaughan Williams" "Rider to the Sea". Was reizt Sie an dem Versuch, beide Werke an einem Abend auf die Bühne zu bringen?
Tobias Heyder: Wir haben festgestellt, dass die beiden Stücke ein gemeinsames Thema besitzen. Dieses Thema hat mit Tod, mit Abschied und Verlust zu tun - mit Verlust von geliebten Menschen und der Frage, wie man sich diesem Verlust stellt. Da gibt es Gemeinsamkeiten - trotz der großen stilistischen Unterschiede dieser beiden Stücke.


Was ist aus Ihrer Sicht der dramaturgische Kern in Purcells "Dido and Aeneas"?
Oft glaubt man, dass das tragische Thema dieser Geschichte das Scheitern der Liebe zwischen Dido und Aeneas ist. Die Tragik liegt aber eigentlich woanders. Denn Dido ist schon zu Beginn des Stücks unglücklich. Sie hat ein Trauma erfahren, den großen Verlust ihres Lebens bereits erlitten. Ich verstehe den Begriff Liebestod nicht so, dass man durch Liebe stirbt, sondern dass man den Tod der Liebe ertragen muss und weiter lebt. In dieser Situation befindet sie sich. Aber es gibt ein Umfeld, das unbedingt möchte, dass sie wieder heiratet, um die Monarchie zu sichern. Alle wollen, dass sie mit diesem Aeneas etwas anfängt. Darauf lässt sie sich ein, aber es gibt diesen Treueschwur, den sie geleistet hat, auf den verweist sie in einem kleinen Rezitativ. Es geht um das Schicksal, das sie sich selbst auferlegt hat, indem sie gesagt hat: Ich werde nie wieder lieben.

In "Dido and Aeneas" treten - typisch für Barock-Opern - Hexen auf. Wie gehen Sie damit um?
Mir fällt es schwer, das einfach so märchenhaft stehen zu lassen. Klar, das ist so der typische barocke Konflikt zwischen der Ratio und den unkontrollierbaren dunklen Kräften. In einem realistischen Szenario wären die Hexen die politische Opposition, die irgendetwas verändern wollen, oder die reaktionären Kräfte. Aber das ist nicht das, was für mich spannend wäre.

Und was ist für Sie spannend an dieser Figurenkonstellation?
Für mich ist es spannend zu fragen: Was machen die Hexen? Die Hexen zerstören diese Liebe mit Aeneas und sind damit eigentlich ein Teil des Unterbewussten von Dido - ich wähle einen psychologischen Zugriff und sage: Sie sind eigentlich der Selbstzerstörungsknopf. Sie sind in ihrem Unterbewusstsein das Wächtersystem, das sagt: Du hattest Dir eigentlich mal etwas anderes vorgenommen. Du wolltest auf Ewigkeit Deinem verstorbenen Mann treu bleiben. Am Ende wird diese Zaubererin als Teil von Dido sichtbar bleiben. Wir zeichnen da auch kostümtechnisch eine Ähnlichkeit.

Zentrales Element des Bühnenbildes ist ein großes Bett auf einer Schräge. Warum haben Sie sich für dieses Bett entschieden?
Wir kamen auf dieses Bett bei der Frage: Wie können wir visualisieren, dass Dido zu Beginn des Stücks einen freien Platz in ihrem Leben hat, der besetzt werden könnte? Interessant ist, dass der Barock als eigentlich sehr unpsychologische Zeit trotzdem die Effekte setzt, die es uns heute ermöglichen, diese Effekte so zu entschlüsseln und zu übersetzen.

Wie haben Sie die Probenarbeit an "Riders to the Sea" erlebt?
Dido ist eine Geschichte, die aus dem prallen Leben schöpft, aus der High Society der Antike. Bei Vaughan Williams ist es eher so, dass der Komponist uns irgendwie vor eine Tür eines Hauses stellt, die Tür öffnet, uns 40 Minuten hinein schauen lässt und dann die Tür wieder schließt. Er zeigt so etwas wie die Monotonie des Alltags - das darf man jetzt nicht verurteilen. Auch wenn es am Ende auf der Bühne vielleicht nicht so aussieht: Das ist tatsächlich ein Stück, das mir als Regisseur viel abverlangt, weil man auf Figuren schaut, die nicht gegen ihr Schicksal ankämpfen. Man muss einfach akzeptieren, dass die Figuren ihr Schicksal einfach so ertragen.

Was interessiert Sie generell an der Opern-Regie?
Die Möglichkeit, Figuren an uns heran zu holen. Dido zum Beispiel vom Sockel der Antike zu holen, zu zeigen, dass sie eine launische und exzentrische Figur ist, die sich all das herausnimmt, was sie tut. Ich glaube, jede Art von unsterblichem Ruhm basiert auf einer Art von Exzentrik oder Narzissmus.

Wo liegt die besondere Herausforderung für die Regie, zwei sehr kompakt erzählte Geschichten am gleichen Abend zu interpretieren?
Das spielt mir eigentlich in die Karten. Ich mag eher knapp gehaltene Geschichten. Im Grunde passt das in unsere Zeit. Fernsehserien haben uns in den letzten Jahrzehnten konditioniert auf 45-minütige Einheiten an Aufmerksamkeitsspanne und erzählen dabei komplexeste Geschichten.

Wie erleben Sie generell den Probenprozess einer Neuinszenierung?
Am Anfang muss man hart arbeiten und dann rechtzeitig loslassen. Diesen Moment des Loslassens finde ich im Gegensatz zu vielen meiner Regiekollegen den schönsten - zu schauen, ob das, was man mit den Sängern gearbeitet hat, in ihnen weiterarbeitet. Das Ende lasse ich mir meistens bewusst offen, um zu schauen: Wo sind wir eigentlich, wo landen wir mit den Figuren? Ich habe natürlich eine Vision im Kopf, habe immer auch alles vorbereitet, aber das Schönste am Inszenieren ist loslassen und zu sehen, dass es weiterlebt. Da vertraue ich immer gerne den Sängern. Es ist immer das Schönste, wenn sich die Sänger die Figuren aneignen und zu dem stehen, was man erarbeitet hat. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich bin schon detailversessen und kontrolliere auch. Aber das Schöne ist doch, dass menschliches Verhalten so komplex ist und so viel zulässt. Die Reichhaltigkeit macht einen guten Theaterabend aus.



Sie bringen "Dido und Aeneas" und "Rider to the Sea" nach Coburg


Premieren-Tipp Henry Purcell "Dido and Aeneas"/ Ralph Vaughan Williams "Rider to the Sea" - Samstag, 18. Juni, 19.30 Uhr, Landestheater Coburg

Produktionsteam Musikalische Leitung: Roland Kluttig; Inszenierung: Tobias Heyder; Bühnenbild: Tilo Steffens; Kostüme: Verena Polkowski; Dramaturgie: Renate Liedtke; Choreinstudierung: Lorenzo Da Rio
Weitere Termine 21., 24., 30. Juni, 19.30 Uhr, 3. Juli, 18 Uhr, 6. Juli, 19.30 Uhr

Tobias Heyder Der gebürtige Hamburger Tobias Heyder studierte in seiner Heimatstadt Musiktheater-Regie, bevor er an der Deutschen Oper am Rhein und am Theater Heidelberg assistierte. 2009 wechselte er als Regisseur an die Oper Frankfurt. Heyder ist Mitglied der "Akademie Musiktheater heute" der Deutschen-Bank-Stiftung und Gründungsmitglied der Kammeroper Rostock.

Englische Opern in Coburg Purcells "Dido and Aeneas" wurde 1689 in einem Mädchenpensionat in London uraufgeführt. "Riders to the Sea" von Ralph Vaughan Williams, 1927 fertiggestellt, wurde erst 1937 uraufgeführt.