Sonja Horn ist fast jeden Tag mit ihrem rollenden Tante-Emma-Laden auf Tour.
Es ist kurz vor 10 Uhr, als der weiße Kleinbus mit dem Verkaufsanhänger in der Allee in Fürth am Berg hält. Er wird jeden Donnerstag schon erwartet, denn es ist ein fahrender Tante-Emma-Laden, mit dem Sonja Horn unterwegs ist. An diesem "Gründonnerstag" warten nicht nur die üblichen Kunden. Auch Neustadts Oberbürgermeister Frank Rebhan (SPD) steht heute an der Haltestelle. Er hat noch jemanden mitgebracht. Der Landtagsabgeordnete Klaus Adelt, möchte den rollenden Laden von Sonja Horn kennen lernen.
Adelt ist Sprecher für kommunale Daseinsvorsorge der SPD im Bayerischen Landtag. Er ist in der Region unterwegs, um sich ein Bild zu machen, von der Versorgungssituation auf dem flachen Land.
Neu eröffnete Bürgerläden, alt eingesessene Dorfläden und eben rollende Versorger interessieren ihn und seinen wissenschaftlichen Mitarbeiter Pascal Bächer, den viele Neustadter noch als Quartiersmanager des Projekts "Soziale Stadt" am Siemensring in Erinnerung haben dürften.
Adelt ist begeistert, als er erfährt, dass Sonja Horn jeden Tag, außer Sonntag und Montag, am Vormittag auf Tour ist. Am Nachmittag steht sie in ihrem Laden in Hassenberg. "Der ist klein, keine 50 Quadratmeter", sagt sie. Aber er ist ihre Basis. Ware, die gekühlt werden muss, wird dort immer früh eingeladen und am Mittag, wenn sie zurück ist, wieder ausgeladen.
Zeitig aus den Federn
Der Arbeitstag von Sonja Horn fängt zeitig an. "Das Obst ist frisch, das hab ich heute früh aus Bamberg geholt - da habt ihr alle noch geschlafen", sagt sie und lacht.
Um 4 Uhr ist sie in Hassenberg aufgestanden, damit sie mit frischer Ware auf Tour gehen kann.
Ob sie denn eine Heizung für den Anhänger hat, will der Abgeordnete wissen. "So kalt sind die Winter nicht mehr, eine Heizung brauche ich nicht", erklärt sie. Wenn es doch mal kälter wird habe sie eine Glasscheibe für die Verkaufstheke im Hänger. Aber diesen Winter wurde die nicht eingebaut.
Ihre Touren führen sie bis Grub am Forst und Sonnefeld, etliche Neustadter Stadtteile stehen ebenfalls auf ihrer Route. Die Kunden kennt sie schon ewig. "Die, die ich schon 1965 hatte, hab ich immer noch, aber neue kommen nicht mehr", stellt sie fest. "Es ist die Generation nach dem Krieg, wo die Frauen keinen Führerschein gemacht haben", beschreibt sie ihren Kundenkreis.
Die Jungen, meint sie, fahren alle mit dem Auto zum Einkaufen zu den großen Supermärkten, oder besorgen auf der Heimfahrt von der Arbeit, was sie brauchen.
Noch hat sie Kunden, noch fährt sie ihre Touren. Doch die Bürokratie geht Sonja Horn manchmal auf die Nerven. "Wenn das kommt, dass ich jeden Abend abrechnen soll, was, wann, wo, für wie viel verkauft worden ist, dann hör' ich von einem Tag zum anderen auf", steht für sie fest. Eigentlich will sie schon noch ein paar Jahre auf Tour sein, auch wenn sie davon nicht reich wird, wie sie einräumt. Sie ist Jahrgang 1951, wie sie stolz erzählt. Mit 65 könne man dann schon auch mal ans Aufhören denken, meint sie. Auch wenn ihr die Leidenschaft anzumerken ist, mit der sie fast täglich aufbricht, um ihren Kunden, das zu bringen, was sie zum Leben brauchen.
"Die zunehmende Bürokratie macht vielen Angst", weiß auch Oberbürgermeister Frank Rebhan.
Gerade deshalb ist es ihm wichtig, dass Klaus Adelt die Probleme der Betroffenen kennen lernt, sie in den Landtag trägt.
Doch diese Probleme sind dem Abgeordneten alles andere als fremd. Er entdeckt gerade den Fisch im Angebot von Sonja Horn, und fängt an mit ihr zu fachsimpeln. "Der Fisch geht nur bis Ostern", sagt sie. Danach nehme sie ihn nicht mehr im Wagen mit, weil mit steigenden Temperaturen auch die Fliegen unterwegs sind. Und da entpuppt sich der Abgeordnete als Kollege. Klaus Adelt hat nämlich auch so einen Verkaufsanhänger wie Sonja Horn. "Ich muss nicht so viele Auflagen erfüllen, weil ich nur ein Produkt habe", erklärt er. Das Produkt: Stockfisch. "Den importiere ich direkt aus Norwegen", versichert er.
Von September bis März finden seine Kunden dann den Selbitzer Klaus Adelt mit seinem Stockfisch-Wagen auf den Märkten in der Region um Hof.
Da kommt er mit seinen Kunden ins Gespräch, erfährt, wie sie über die Politik denken, welche Sorgen, Nöte, Probleme und Problemchen sie bewegen. "Wenn ein Abgeordneter behaupten kann, dass er noch Bodenhaftung hat, dann er", sagt sein wissenschaftlicher Mitarbeiter.
Bodenhaftung - für die Belange der Kommunalpolitik - bescheinigt Adelt auch Frank Rebhan. Der Abgeordnete war 24 Jahre lang selbst Bürgermeister. Er weiß, was es bedeutet an der Spitze einer Gemeinde zu stehen. Deshalb besprach sich der Oberbürgermeister mit seinem Gast vor der Tour zu Sonja Horn und ihrem Wagen ausführlich in Sachen Daseinsvorsorge im ländlichen Raum.
Das Frühstück blieb dabei auf der Strecke. Gut, dass es Sonja Horn gibt, die dem Stadtoberhaupt beim Lokaltermin gleich mal ein paar Knacker verkaufen konnte.