So ziehen Christian Gerhaher und Gerold Huber das Publikum zum Auftakt des Festivals mit einem Liederabend im Landestheater Coburg in Bann.
Der Bariton Christian Gerhaher ist ein strenger Priester des Gesangs. Und seine Liederabende sind feierliche Zeremonien. Kein Kokettieren mit dem Publikum, kein selbstverliebtes Spiel mit der Virtuosität des eigenen Gesangs. Ernst, feierlich, höchst konzentriert - so beginnt Christian Gerhaher seinen Coburger Liederabend im Landestheater gemeinsam mit seinem langjährigen Klavierpartner Gerold Huber als Auftakt des Festivals "Lied & Lyrik".
Auf dem Programm: ausschließlich Lieder Robert Schumanns - darunter bekannte Zyklen wie die Eichendorff-Lieder op. 39, aber auch selten zu hörende Vertonungen wie Chamissos "Löwenbraut". Ein klingender Querschnitt durch Schumanns vielschichtiges Liedschaffen, den Gerhaher und Huber als in Töne verwandelte Poesie hörbar werden lassen.
Christian Gerhahers lyrischer Bariton ist das perfekte Instrument für den Liedgesang.
Das wird auch an diesem außergewöhnlichen Abend im Landestheater spürbar. Denn Gerhaher ist nicht Knecht seiner Stimme, sondern Diener der Kunst: im allerbesten Sinne Interpret des Komponisten und der Dichter.
Mühelose Textverständlichkeit Wer Christian Gerhaher im Konzert erlebt, ist fasziniert von der scheinbaren Mühelosigkeit, mit der seine Stimme reagiert. Jeder Akzent, jede Nuance der Betonung, jeder noch so zarte Wechsel der Klangfarbe ist kein Zufall, sondern genau so und nicht anders beabsichtigt. Liedgesang wird bei Gerhaher ganz selbstverständlich zur Klangrede - freilich ohne jeden Gestus von rhetorischer Übersteigerung oder übertriebener Zuspitzung.
Die musikalische Zusammenarbeit zwischen Christian Gerhaher und seinem Klavierpartner Gerold Huber hat nicht im mindesten etwas zu tun mit der Aufgabenteilung von Sänger und Begleiter.
Sänger und Pianist agieren vielmehr als kammermusikalisches Duo. Dabei ist Gerold Hubers Kunst der dynamischen Zurückhaltung nie ein Verzicht auf das Mitgestalten. Huber setzt vielmehr sehr genau und präzis, aber eben nie vordergründig gestalterische Akzente.
Nie zwingt er Gerhaher zum Forcieren, nie drängt er sich in den Vordergrund - und ist doch nie nur ein Begleiter. Das Zusammenspiel von Gerhaher und Huber hat geradezu symbiotische Züge. Das gibt Gerhaher und Huber die Möglichkeit, einerseits äußerst präzis im Miteinander zu agieren, andererseits dynamisch wie agogisch sehr frei zu gestalten, ohne die Musik zerbrechen zu lassen.
Das umfangreiche Programmbuch des Festivals "Lied & Lyrik" verzeichnet sämtliche Liedtexte des Abends - aber eigentlich kann das Publikum getrost auf die Lektüre verzichten.
Denn bei Gerhaher ist jeder Buchstabe, jede Silbe, jedes Wort jederzeit mühelos zu verstehen - im leisesten Pianissimo ebenso wie im durchdringenden Forte.
Gerhahers Liedgestaltung im Verein mit Gerold Hubers Klavierspiel ist gleichermaßen eine Huldigung an die Musik wie an die Dichtung. Schwer zu sagen, welches Lied den tiefsten Eindruck hinterlassen hat.
"In der Fremde" Die nachtschwarze Einsamkeit einer heimatlos gewordenen Seele in Schumanns Eichendorff-Vertonung "In der Fremde"? Oder doch die populäre "Mondnacht", die Gerhaher mit zerbrechlicher Schönheit interpretiert?
Und als wäre es bestellt, darf das Publikum - darunter viele Gäste nicht nur aus dem fränkischen Raum - in der Pause beim Blick aus dem Spiegelsaal des Landestheaters eine wolkenverhangene Mondnacht erleben.
Gerhahers Gestaltungskraft zieht das Publikum von Anfang bis Ende
regelrecht in Bann. Das vermeintlich klischeehafte Sprachbild von der Stecknadel, die man fallen hören könnte - an diesem Abend stimmt es wirklich. Und der Applaus, der nach den einzelnen Liedblöcken und am Ende aufbrandet, klingt ein wenig so, als müsse sich das Publikum fast gegen seinen Willen befreien aus diesem Bann.
Zwei Schumann-Zugaben Zwei Zugaben - an diesem Abend natürlich von Schumann: die dreiteilige Heine-Vertonung "Tragödie" und das selten zu hörende "Es ist so still geworden" auf einen Text von Gottfried Kinkel.
Wer daran glaubt, dass Kunst-Schönheit in Wahrheit sich verwandeln kann - an diesem Abend im Landestheater ist diese Verwandlung zu erleben.
Das bietet das Festival "Lied & Lyrik" noch zum 23. September Freitag, 20.
September, 17 Uhr Banz, Kutschenhalle - Jan Wagner liest
Freitag, 20. September, 20 Uhr Banz, Kaisersaal - Peter Schöne (Bariton), Moritz Eggert (Klavier) - Goethe-Vertonungen
Samstag, 21. September, 17 Uhr Banz, Kutschenhalle (20 Uhr) - Cornelia Froboess, Sigi Schwab (Gitarre) - Lieder, Texte
Samstag, 21. September, 20 Uhr Banz, Kaisersaal - Markus Schäfer (Tenor), Siegfried Mauser (Klavier) - "Schwanengesänge"
Sonntag, 22. September, 11 Uhr Coburg, Landestheater - Dieter Borchmeyer, Sibylle Canonica, René Kollo; Philharmonisches Orchester Landestheater Coburg, Leitung: Roland Kluttig - "Nietzsche - Cosima - Wagner. Das Tribschener Idyll - Glück und Ende" - Collage von Dieter Borchmeyer
Sonntag, 22.
September, 20 Uhr Banz, Kaisersaal - Sarah Maria Sun (Sopran), Jan-Philip Schulze (Klavier) - "Ladies' Voices"
Montag, 23. September, 20 Uhr Thomas Hampson (Bariton), Wolfram Rieger (Klavier) - Lieder von Mahler, Wolf, Zemlinsky und anderen.
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