Extremwetter und neue Konkurrenten: Die HUK-Coburg und die Zukunft

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Meterhoch türmten sich im Juli in Altenahr-Kreuzberg Wohnwagen, Gastanks, Bäume und Schrott an einer Brücke über die Ahr. Nach der Flut hatte auch die HUK-Coburg viele Schadensfälle zu regulieren.
Meterhoch türmten sich im Juli in Altenahr-Kreuzberg Wohnwagen, Gastanks, Bäume und Schrott an einer Brücke über die Ahr. Nach der Flut hatte auch die HUK-Coburg viele Schadensfälle zu regulieren.
Boris Roessler/dpa
Jörg Rheinländer, Vorstandsmitglied für Autoversicherung sowie Haftpflicht-/Unfall-/Sachversicherungen.Foto: HUK Coburg
Jörg Rheinländer, Vorstandsmitglied für Autoversicherung sowie Haftpflicht-/Unfall-/Sachversicherungen.Foto: HUK Coburg
 

Warum sich das in Coburg ansässige Versicherungsunternehmen auf grundlegend veränderte Rahmenbedingungen einstellen muss. Und welche Rolle dabei extreme Wetterereignisse spielen.

Das Jahr 2020 war ein sehr erfolgreiches Jahr für die HUK-COBURG mit Neugeschäftsrekorden in der Kfz-Versicherung. Gleichzeitig fuhren die Kunden während der Lockdowns weniger Auto und verursachten weniger Schäden. Der Versicherer beteiligte seine Kfz-Kunden finanziell an den Einsparungen. Insgesamt 190 Millionen Euro zahlte er den Kunden zurück. Im Sommer 2021 versank das Ahrtal in reißenden Fluten. Jörg Rheinländer, Vorstandsmitglied für Autoversicherung sowie Haftpflicht-/Unfall-/Sachversicherungen, muss sich um die Schadenregulierung kümmern.

Herr Rheinländer, muss man sich Sorgen um die HUK-COBURG machen?

Jörg Rheinländer:(lacht) Nein, muss man sich nicht. Wir sind sehr solide aufgestellt. Wir haben während der Pandemie gesehen, dass wir ein sehr solides Geschäftsmodell haben, das auf langfristige Kundenbeziehungen ausgelegt ist. Wir sind auch gewachsen in dieser Zeit.

Der Sprecher der HUK-Vorstände, Klaus-Jürgen Heitmann, hat jüngst geschildert, dass zum Beispiel die Wechselwilligkeit der Menschen bei der Autoversicherung sehr abgenommen hat. Ist das für die HUK-COBURG nun gut oder schlecht?

Die Wechselzeit ist so etwas wie eine fünfte Jahreszeit für uns. Wir haben da bislang immer deutlich profitiert. Wir profitieren immer dann, wenn Kunden ihre Versicherung wechseln können. Mittlerweile ist das unterjährige Geschäft aber deutlich stärker geworden. Da sind wir ganz hervorragend aufgestellt. Wir hatten 2021 weniger Wechsel zum Jahresende. Das liegt zum einen daran, dass die Kunden sich mehr um Energiepreise gekümmert haben, und daran, dass es wenig Beitragsanpassungen gab. Die waren wegen der rückläufigen Schadenhäufigkeit im Markt offensichtlich nicht notwendig. Zum nächsten Jahreswechsel sieht das vielleicht wieder ganz anders aus.

Ist das eine Entwicklung, von der Sie annehmen, dass sie weitergeht?

Als Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit denken wir langfristig. Bei Prognosen reden wir über Zeiträume von zehn Jahren und mehr. Längerfristig werden wir wohl wieder mehr Aktivitäten zum Jahreswechsel sehen. Aber 2022 wird es unterjährig weniger Neuzulassungen und Besitzerwechsel geben. Die Vereinigung der deutschen Automobilindustrie (VDA) prognostiziert für dieses Jahr 22 Prozent weniger Neuzulassungen als 2019. Das schlägt sich dann auch bei uns nieder. Wenn weniger Bewegung im Markt ist, haben wir weniger Neugeschäft, aber die Bestandskunden bleiben. Die Kunden schätzen guten Service und einen guten Preis. Weil wir Kostenführer sind, sind wir Preisführer. Das ist unser großes Alleinstellungsmerkmal. Das ist unsere Haupt-DNA, so funktioniert die HUK-Coburg.

Werden steigende Energiepreise - gerade jetzt sind die ja zu erwarten - weiterhin eine Rolle spielen, dahingehend, dass Menschen sich nicht um Versicherungen kümmern? Oder werden Sie erst recht nach Sparmöglichkeiten suchen? Werden Sie darauf reagieren?

Die Leute werden mehr auf ihr Portemonnaie gucken, und das spielt uns in die Bücher rein. Man kann beim Wechsel der Kfz-Versicherung locker 80, 90 Euro sparen. Und man kann leicht und schnell wechseln, auch digital. Das Geschäft funktioniert seit den 1960er Jahren. Wir tun auch viel dafür, damit das anhält. Wir bieten viel Service rund um die Mobilität, zum Beispiel mit unserem Schadenmanagement, bei dem wir für den Geschädigten auf Wunsch alles organisieren. Wir tun viel dafür, die Kundenbindung zu erhalten. Und: Wir haben nicht nur die herausragende Kostenposition, die für uns von Vorteil ist - die Menschen kennen die HUK-Coburg ja auch. Mitbewerber müssen erst einmal viel investieren, um über Google oder Check24 Bekanntheit zu erlangen.

Aber Sie brauchen zusätzliche Kunden, um zu wachsen. Angesichts der Bevölkerungsentwicklung und der Diskussionen übers Autofahren an sich dürfte der Markt doch kleiner werden?

Ich habe die Problematik der demografischen Entwicklung und der Haltung zum Auto vor fünf Jahren auch so gesehen. Unsere Mobilitätsstudie 2021 Jahr hat uns etwas anderes gezeigt. Rund 73 Prozent der Kunden sagen heute: Ich brauche ein Auto. Für die Zukunft sagen das 69 Prozent. Weil man in Corona-Zeiten das Auto, den Individualverkehr schätzen gelernt hat. Wir haben inzwischen auch 300000 E-Scooter versichert. Da sind wir Marktführer. Wir sind also nicht nur auf die vierrädrigen Fahrzeuge angewiesen. Man muss bei der Mobilität Trends erkennen und nutzen. Es gibt immer wieder neue Bedarfe, die abgesichert werden müssen.

Würden Sie also in Zukunft auch Lufttaxis versichern, wenn es die wirklich mal gibt?

(lacht) Na, warum nicht? Wenn sie massenwirksam werden und jeder so etwas herumstehen hat, warum sollten wir sie nicht versichern? Aber das ist alles große Spekulation. Doch wir sind offen für Mobilitätsversicherungen.

Elon Musk will mit Tesla ins Versicherungsgeschäft einsteigen. Wie groß ist die Angst vor solcher Konkurrenz?

Im Haus HUK-Coburg nehmen wir Konkurrenz jeglicher Art grundsätzlich ernst. Mit den Automobilherstellern beschäftigen wir uns seit Jahren. Wir haben keine Angst vor Wettbewerb. Aber wir wollen faire Spielregeln. Zum Beispiel, wenn es um die Daten aus dem Auto geht. Da hat die EU ja nun reagiert und mit der Datenverwertungsrichtlinie unsere Forderungen aufgegriffen. Die Hersteller wollen die Daten aus dem Auto, die dort erhoben werden, nicht herausgeben. Auf diesem Feld kämpfen wir seit zehn Jahren. Wir meinen: Der Autofahrer soll bestimmen können, was er mit seinen Daten macht. So wie mit den eigenen Fotos auf dem Handy. Wenn der Autofahrer jetzt günstige Beschleunigungsdaten hat, die nachweisen, dass er ein sicherer Fahrer ist, soll er die direkt an uns weitergeben können - und nicht erst über VW oder Tesla. Wenn in diesem Bereich Transparenz herrscht, wenn das ein fairer und freier Markt ist, dann werden wir uns sicher behaupten können. Die Europäische Datenverwertungsrichtlinie ist da ein wichtiger Schnitt.

Und was wird Elon Musk nie so gut können wie die HUK-Coburg?

Wir können immer günstiger anbieten, weil wir ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit sind und keine Aktiengesellschaft. Wir haben günstigen und fairen Versicherungsschutz als Unternehmenszweck. Deshalb werden wir weiterhin günstiger sein als ein Unternehmen, das den Shareholdervalue bedienen muss. Dazu trägt auch unser Schadenmanagement mit einem Netz von 1600 Partnerwerkstätten bei. Das ist dichter als bei jedem Hersteller.

Aber bei den Versicherungen schlägt sich der Klimawandel nieder: Wie viel Geld hat die HUK-COBURG zum Beispiel nach der Flutkatastrophe im Westen ausgeschüttet?

Wir sagen nicht Ausschüttung, sondern Schadenregulierung. Sturmtief Bernd wird uns 260 Millionen Euro kosten, das ist unsere Schätzung. Wir haben noch nicht jede Handwerkerrechnung vorliegen, da viele Hausreparaturen noch laufen. Wir zahlen sukzessive an unsere Kunden aus. Hinzu kamen 2021 größere Hagelereignisse. Wir hatten 2021 rund 500 Millionen Euro Unwetterschäden. Das ist die größte Summe, die wir jemals hatten.

Wie stellt man sich auf so etwas für die Zukunft ein?

Risikoeinschätzung ist der Job einer Versicherung: Risiko-Ausgleich im Kollektiv und in der Zeit. 2020 war das schadenärmste Jahr, das wir jemals hatten. Beim Ahrtal sprechen Experten von einem Jahrhundertereignis. Das heißt bei einem Schadenvolumen von 260 Millionen Euro sind das rechnerisch 2,6 Millionen Euro Schaden pro Jahr, und das kommt aufs Prämienvolumen drauf. Das ist händelbar. Zumal bei der Flutkatastrophe noch ganz spezielle geologische und meteorologische Besonderheiten eine Rolle spielten. Wenn das Starkregenereignis woanders niedergegangen wäre, hätten wir vielleicht so etwas gehabt wie Elbe- oder Oderflut vor einigen Jahren. Da war die Schadenhöhe nicht so hoch. Im engen Ahrtal hat die hohe Geschwindigkeit des Wassers die Häuser weggerissen. Hagel als Schadensereignis ist deutlich häufiger. Dafür haben wir hier aber sehr gute Modellierungen, die immer weiterentwickelt werden. Wir tauschen uns hier auch mit den Rückversicherern und den Wetterexperten aus, welche Entwicklung zu erwarten ist. Hinzu kommen gewisse Ausgleichseffekte. Wir gehen zum Beispiel davon aus, dass im Kfz-Bereich die Schadenhäufigkeiten wegen der zunehmenden Assistenzsysteme sinken werden. Das kann in gewissem Umfang eine Zunahme der Hagelschäden ausgleichen. Oder bei der Wohngebäudeversicherung: Es wird wärmer, wir haben weniger Frost und damit weniger Schäden wegen aufgefrorener Leitungen. Ich glaube, dass Versicherungen weiterhin bezahlbar bleiben.

Wird es zum Beispiel für Autofahrer den Risikozuschlag "wohnt im Überschwemmungsgebiet" geben?

Es ist schon heute so, dass die Wohnlagen bei der Höhe der Versicherungsprämie für Gebäude hineineinspielen. Im Ahrtal war fast überall Versicherungsschutz erhältlich - nur an manchen Stellen eben nicht. Wir haben Gegenden, wo es teurer ist als in anderen. Ähnliches gibt es auch in der Autoversicherung - es gibt Gegenden, in denen Hagelschlag wahrscheinlicher ist und welche, wo er eher unwahrscheinlich ist. Über die Regionalkasseneinstufung wird sich das letztlich in der Kaskoprämie niederschlagen.

Die Münchener Rück hat trotz Corona ihr Ergebnis zwar übertroffen, große Rückversicherer wie die Swiss Re befürchten langfristig negative Folgen durch die Corona-Krise. Ist das etwas, auf das die HUK-Coburg reagieren wird? Wie abhängig ist die HUK von den Rückversicherern?

Die Rückversicherer betrachten meist den globalen Markt. Der Klimawandel wird sich in Metropolregionen am Meeresrand, in einem Flussdelta, ganz anders zeigen als bei uns. Der Rückversicherer sichert die Extremereignisse ab. Für Leitungswasserschäden besorge ich mir keine Rückversicherungslösung. Wir brauchen sie für die seltenen Ereignisse, zum Beispiel für Personengroßschäden in der Kfz-Haftpflicht. Ein großer Teil ist abgesichert, wie Überschwemmungsversicherung oder Erdbeben. Entscheidend ist aber die Schadenhöhe, für die man sich absichert. Für seltene Ereignisse mit großem Schadenausmaß, kauft man mehr Rückversicherung als für ganz normales Geschäft.

Das Gespräch führten die

Redaktionsmitglieder Fajsz Deáky und

Simone Bastian.