"Der Tatrichter darf davon ausgehen: Wenn es Sex zwischen Arzt und Patienten gibt, ist das Missbrauch. Punkt." Dies sagte Vorsitzender Richter Christoph Gillot bei der Urteilsverkündung am Dienstag.
Trotzdem kam der Coburger Hausarzt, der vor der Großen Strafkammer des Coburger Landgerichts stand, mit einer Bewährungsstrafe davon. Neun Fälle sexuellen Missbrauchs listete die Anklageschrift diesmal auf, hinzu kam der Vorwurf des Abrechnungsbetrugs.
Ärzte rechnen quartalsweise ab: Deshalb klagte die Staatsanwaltschaft Hof wegen sieben Betrugsfällen an - sieben Quartale, in denen ein Coburger Hausarzt der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) falsche Abrechnungen geschickt hatte. Doch "Betrug braucht Vorsatz", sagte Vorsitzender Richter Christoph Gillot am Dienstag bei der Urteilsverkündung. Man könne dem Angeklagten größtmögliche Fahrlässigkeit vorwerfen, "vielleicht war er doof", sagte Gillot in Bezug auf das Plädoyer des Staatsanwalts. Aber ein Vorsatz sei nicht zu erkennen. Deshalb sei die falsche Abrechnung nicht strafbar.
Keiner gab einen Hinweis
Der Arzt hatte "Konsultationspauschalen" in Höhe von zuletzt 1,82 Euro abgerechnet, ohne dass die Patienten von anderen Ärzten an ihn überwiesen worden wären. Das war seit 2008 falsch - damals waren die Abrechnungskennziffern geändert worden, aus dem bis dahin gültigen "Konsultationskomplex" wurde die "Konsultationspauschale". Die durfte angesetzt werden, wenn Patienten von einem anderen Arzt überwiesen wurden.
Auf diese falschen Abrechnungen hatte aber niemand den Arzt aufmerksam gemacht - die KVB nicht, die sogar intern gegen ihn ermittelte, die Polizei nicht, als gegen den Arzt schon einmal ein Verfahren wegen Abrechnungsbetrug lief. 2015 endeten diese falschen Abrechnungen, die nun ans Licht kamen, weil infolge eines Brandes in der Praxis des Arztes ermittelt wurde. Damals fanden die Beamten nicht nur Hinweise auf den Brandstifter, sondern eben auch auf falsche Abrechnungen und sexuellen Missbrauch.
Die Plädoyers wurden am Dienstag nicht öffentlich gehalten, wie auch ein großer Teil des Verfahrens unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand. Alle Zeugen, die im Zusammenhang mit den Missbrauchsfällen aussagten, wurden nicht öffentlich gehört. Öffentlich verlesen wurde jedoch die Anklage: Neun Fälle waren da aufgelistet; bei zwei Patientinnen soll der Arzt das Behandlungsverhältnis dafür genutzt haben, sich ihnen sexuell zu nähern.
Die beiden Opfer traten als Nebenklägerinnen auf. Das Verfahren im Zusammenhang mit der einen Frau wurde noch im Lauf des Prozesses eingestellt; übrig blieben die Vorwürfe, der Arzt habe von November 2015 bis Mai 2016 eine andere Patientin acht mal missbraucht.
Verurteilt wurde der Arzt am Ende für drei Fälle, und das deshalb, weil er die Behandlungssituation ausgenutzt habe, "um zu flirten und zu baggern", wie Gillot unumwunden sagte. Die Frau, erst seit kurzem Patientin in der Praxis, sei wegen einer psychogenen Belastungsreaktion gekommen. Schon bei diesem Termin habe der Arzt der Frau vorgeschlagen, mit ihm essen zu gehen. Diesen Vorschlag habe er immer wieder aufgebracht, am Ende sogar vorgeschlagen, sich bei ihr zu Hause zu treffen anstatt in einem Restaurant. Dass der Arzt mit seinen Avancen am Ende Erfolg hatte, führt die Kammer auch darauf zurück, dass die Frau in ihrer psychischen Situation ein besonderes Bedürfnis nach Zuwendung hatte. Das habe der Arzt gewusst.