Die Regisseurin Jean Renshaw und der Kostüm- und Bühnenbildner Christof Cremer arbeiten erstmals zusammen. Am Landestheater Coburg erarbeiten sie die komische Oper "Der Liebestrank". Was Donizettis Musik mit der Toskana zu tun, verraten sie im Gespräch. Premiere feiert das Werk am Samstag, 21. September (19.30 Uhr).
Gaetano Donizettis "Liebestrank" erzählt die Geschichte eines jungen Mannes von eher schlichtem Gemüt, Nemorino, der sich rettungslos in die schöne Adina verliebt. Die freilich zieht auch den reichlich selbstverliebten Sergant Belcore in Bann und treibt damit den unglücklichen Nemorino in die Fänge des Quacksalbers Dulcamara.
Sie haben klassischen Tanz studiert, haben sich mit Choreografien profiliert. Was war der Auslöser, sich schließlich auch der Regie zuzuwenden?Jean Renshaw: Meine Choreografien waren eigentlich immer schon Inszenierungen. Irgendwann kam dann der Gedanke, tatsächlich einmal Regie zu führen.
Zum Glück hat dann Brigitte Fassbaender mir die Chance gegeben - "Kiss Me Kate" 2003 am Theater Innsbruck.
Die Coburger Inszenierung von Donizettis "Liebestrank" ist die erste Zusammenarbeit mit Christof Cremer?Jean Renshaw: Ja. Seine Arbeiten kenne ich aber schon länger. Meine erste Begegnung mit Christof Cremer war "Gianni Schicchi" in Wiesbaden vor drei Jahren - da habe ich ihm zu den Kostümen gratuliert. Endgültig überzeugt hat mich dann der "Barbier von Sevilla"im Juli 2011 hier in Coburg.
Wie lässt sich das Ausstattungskonzept für den "Liebestrank" beschreiben?Christof Cremer: Das ist ein Bühnenbild für den zweiten Blick. Auf den ersten Blick ist es eine toskanische Landschaft, die auf einen Berg hinaufführt.
Wenn man dann aber noch einmal hinsieht, entdeckt man plötzlich Türen und Fenster, Stühle, die vom Himmel schweben. Und hinter den Türen und Fenstern wird gespiegelt wieder die Landschaft sichtbar. Im Grunde ist das ein Raum, in dem weder Innen- noch Außenraum konkret einzuordnen sind. Poesie, Romantik und Charme sind mir sehr wichtig in diesem Konzept. Die Ausstattung bietet einen Blick auf die Ästhetik der 50er Jahre. Sophia Loren spielt zwar nicht mit, aber sie würde sich in diesem Konzept sicher sehr wohlfühlen.
Die Handlung ist reichlich schlicht, die Charaktere sind eher Typen als Individuen: Was reizt Sie am "Liebestrank"?Jean Renshaw: Die Charaktere sind im Grunde typische Commedia dell'arte Figuren - so muss man sie auch bedienen.
Der verliebte Nemorino als Held, der boshafte, aber charmante Verkäufer Dulcamara, Belcore als arroganter Super-Macho - diese Figuren funktionieren wunderbar in diesem Rahmen. Es gibt "weiße Figuren" - unschuldige Figuren wie Nemorino. Dann gibt es doppelbödige Figuren wie Dulcamara, der andere Figuren manipuliert.
Christof Cremer: Im Grunde ist Dulcamara die klassische Figur eines Autoverkäufers. Dabei geht es uns aber nicht darum, dass diese Figuren in einem Heute auf die Bühne zu stellen. Für mich sind das Archetypen, in deren Verhaltsmuster wir uns erkennen können.
Worauf müssen Sie bei der Inszenierung besonders achten?Jean Renshaw: Man muss sehr kontrolliert herangehen, man darf die Musik nicht vernichten.
Es ist sehr schwierig, das Gleichgewicht zu finden - wo lasse ich die Musik in Ruhe, wo bebildere ich sie.
Christof Cremer: Die große Gefahr bei zuviel Klamauk ist, dass die Poesie verloren geht.
Welche Rahmenbedingungen sind aus Ihrer Sicht wichtig für das Gelingen einer Inszenierung?Christof Cremer: Ein Werk wie dieses kann nur im Dialog entstehen. Unser Beruf ist ein bisschen ein Rattenfängertun. Wir müssen versuchen, auch die Mitarbeiter hinter den Kulissen, in den Werkstätten in unsere Gedankenwelt hineinzuholen. Meine Ausstattung kann nie besser sein als die Handwerker, die sie umsetzen.
Der Teamgedanke ist ganz wichtig.
Und worauf kommt es bei dieser Produktion konkret besonders an?Jean Renshaw: Wunderbar an dieser Produktion ist, dass jeder Chorist eine eigene Geschichte erzählen kann.
Christof Cremer: Wir haben einen sehr spielfreudigen Chor, der sehr offen ist für diese Individualisiserung - vom alten Priester bis zur alternden Diva.
Jean Renshaw: Das ist viel Arbeit, aber es können auf diese Weise sehr viele Geschichten entstehen, die sich aber nicht aufdrängen und die Hauptfiguren verdecken. Es gibt vieles, was man auf den zweiten und dritten Blick entdecken kann.
Vom gedanklichen Konzept zur fertigen Inszenierung: gibt es dabei große Veränderungen oder nur punktuelle Anpassungen?Christof Cremer: Es war ganz
wichtig, dass wir von Anfang an unser Konzept dem Stück untergeordnet haben. Wir wollen Donizettis Geschichte poetisch und humoristisch erzählen. Im Laufe des Probenprozesses hat sich das Konzept vertieft und verdichtet, aber im Grunde sind wir unserem ersten Gedanken eigentlich treu geblieben. Theater ist eine Entdeckungsreise für alle - ohne Rücktrittsversicherung und ohne, dass man hinterher eine Mängelliste ausfüllt.
Was reizt Sie an Donizettis Musik?Jean Renshaw: Die Musik hat eine Motorik, die man genau erfassen muss. Im Grunde ist das unglaublich choreografisch gedacht.
Sie sind der Ausstatter dieser Produktion, aber Sie beschreiben den Probenprozess fast mit den Augen eines Regisseurs. Würde es Sie reizen, selbst einmal Regie zu führen?Christof Cremer: Regie? Fragen Sie Herrn Busse.
Es kommt immer drauf an, mit wem man gerade arbeitet. Wenn man mit einem schlechten Regisseur arbeitet, denkt man: Das könnte ich auch. Und wenn man mit einem guten Regisseur arbeitet, denkt man: Das kann ich nie. Aber im Ernst: Es kann sein, dass die Regie einmal kommt - aber nur, wenn der Kontext passt, wenn es einen guten Dramaturgen gibt, auf den man sich verlassen kann.
Das Coburger Team für Gaetano Donizettis komische Oper "Der Liebestrank" Jean Renshaw Die Regisseurin Jean Renshaw wurde in England geboren und studierte in ihrem Heimatland Klassischen Tanz bei Ruth Silk, Michael Holmes und Richard Gladstone. Nach ihrem ersten Engagement am "London Ballet" tanzte sie in Darmstadt, Nürnberg und Wiesbaden. Ende der 80er debütierte sie als Choreografin an den Städtischen Bühnen Münster.
Im Jahr 1994 gründete sie gemeinsam mit Dirk Elwert und Uwe Müller die Initiative "Tanzwerk Nürnberg", für die sie mit dem Kulturpreis der Stadt Nürnberg ausgezeichnet wurde. Seit einigen Spielzeiten arbeitet sie auch als Regisseurin. Am Landestheater stellte sie sich mit John Kanders "Curtains" und dem Gershwin-Musical "Crazy for You" vor.
Christof Cremer absolvierte eine Ausbildung zum Herrenschneider am Nationaltheater Mannheim und studierte Bühnen- und Filmgestaltung an der Universität für Angewandte Kunst in Wien (1993 bis 1997). Cremer arbeitet in den Bereichen Oper, zeitgenössisches Musiktheater und Sprechtheater ebenso wie Ballett und Tanz. Seine Vita verzeichnet die Zusammenarbeit mit namhaften Regisseuren und Choreographen.
Cremer war unter anderem für folgende Häuser tätig: Wiener Staatsoper, Semperoper Dresden, Bregenzer Festspiele, Wiener Burgtheater.
Premieren-Tipp Gaetano Donizetti "Der Liebestrank" - Samstag, 21. September, 19.30 Uhr, Landestheater Coburg
Aufführungen 27. September, 3. Oktober, 19.30 Uhr, 6. Oktober, 15 Uhr, 9., 13. Oktober, 6., 21., 23., 30. November, 19.30 Uhr, 19. Januar 2013, 15 Uhr, 11. Februar, 19.30 Uhr
MitwirkendeMusikalische Leitung: Anna-Sophie Brüning
Inszenierung: Jean Renshaw
Bühnenbild, Kostüme: Christof Cremer
Choreinstudierung: Lorenzo Da Rio
Dramaturgie: Renate Liedtke
Besetzung Adina: Sofia Kallio
Nemorino: Joel Annmo / David Zimmer
Belcore: Benjamin Werth
Il Dottor Dulcamare: Rainer Scheerer
Giannetta: Anna Gütter
Gaetano: Valentin Fruntke / Florian Wohl
Chor des Landestheaters, Philharmonisches Orchester Landestheater Coburg, Statisterie.