Die Furcht: Es wird teurer und schwieriger

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Nord Stream 2 ist schon auf Eis gelegt. Bei weiteren Sanktionen gegen Russland könnten auch Firmen im Coburger Raum in die Röhre schauen. Zudem bestehe das Risiko, dass Energie noch teurer wird, sagt IHK-Präsident Andreas Engel.
Nord Stream 2 ist schon auf Eis gelegt. Bei weiteren Sanktionen gegen Russland könnten auch Firmen im Coburger Raum in die Röhre schauen. Zudem bestehe das Risiko, dass Energie noch teurer wird, sagt IHK-Präsident Andreas Engel.
CT-Archiv/Jens Büttner/dpa
Die gemeinsame Sprache ist Englisch, die Aufgaben für die gemeinsamen Projekte der Hochschulen in Coburg und Novosibirsk stellen abwechselnd russische und deutsche Unternehmen.
Die gemeinsame Sprache ist Englisch, die Aufgaben für die gemeinsamen Projekte der Hochschulen in Coburg und Novosibirsk stellen abwechselnd russische und deutsche Unternehmen.
Eduard Gerhardt

Der Ukraine-Konflikt eskaliert, die EU reagiert mit Sanktionen. Wenn Handel und Austausch zum Erliegen kommen, wären auch unsere Firmen und die Hochschule betroffen. Wie sehen sie die Situation?

Andreas Engel, Präsident der IHK zu Coburg, klingt nicht gerade optimistisch: "Wenn es zu Strafmaßnahmen gegen Russland kommt, ist damit zu rechnen, dass die Energiepreise, vor allem Öl und Gas, nun massiv weiter steigen, selbst wenn die Lieferungen nicht unterbrochen werden. Und das in einer Situation, da die Energiepreise ohnehin seit einiger Zeit nur eine Richtung kennen: steil nach oben", sagt er. Schon jetzt würden weite Teile der Wirtschaft unter den hohen Preisen ächzen. Russland exportiere zudem nicht nur Erdgas, sondern auch Metalle wie Aluminium, Titan und Palladium. "Hier ergeben sich große, heute noch nicht konkretisierbare Risiken für die weitere wirtschaftliche Entwicklung."

Dabei sei Russland ein wichtiger Markt mit gewachsenen, langjährigen Geschäftsbeziehungen für über 30 Unternehmen aus dem IHK-Bezirk Coburg, sagt Engel. Das gelte vor allem für die Bereiche Maschinenbau, Elektrotechnik, Automotive, Industriekeramik und Spielwaren. "Seit Verhängung der Sanktionen gegen Russland im Jahr 2014 sind die Geschäfte in einzelnen Fällen um bis zu zwei Drittel eingebrochen."

Interessant dank Handelsabkommen

Auch die Ukraine ist ein Markt mit großem Potenzial aus Coburger Sicht. Dorthin pflegen laut Engel rund 20 Unternehmen aus dem IHK-Bezirk Kontakte, vor allem aus den Bereichen Automotive, Maschinenbau und Konsumgüter. Was die Ukraine als Handelspartner interessant macht: die geographische Nähe des Landes zur und das Freihandelsabkommen "Deep and Comprehensive Free Trade Area" mit der EU.

"Unternehmen mit Niederlassungen in der Ukraine raten wir derzeit, die Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes zu beachten und die weiteren Entwicklungen aufmerksam zu beobachten", sagt Engel. Wenn es zu Sanktionen gegen Russland kommen sollte, würden die "unterm Strich alle Seiten treffen", auch, weil von russischer Seite Gegensanktionen zu erwarten seien. Engel hofft und appelliert deshalb an die Politik, sich um eine diplomatische Lösung der Krise zu bemühen. "Mittel- und langfristig sollte aus der aktuellen Situation die Lehre gezogen werden, die Energie- und Rohstoffversorgung Deutschlands und der EU zu diversifizieren, um unabhängiger von einzelnen Partnern zu werden."

Im Austausch bleiben

Bei Professor Eduard Gerhardt geht es nicht um Geschäftsbeziehung oder Gaslieferungen, sondern um die Begegnung von Menschen. Er betreut den Austausch der Hochschule Coburg mit der Novosibirsk State University of Economics and Management. "Das war der einzige Austausch, der auch während Corona stattfand", sagt er. Doch was, wenn die Verbindungen nach Russland infolge der aktuellen Ereignisse in der Ukraine gekappt oder zumindest eingefroren werden müssen?

Gerhardt hofft, dass es so weit nicht kommt. Das Austauschprogramm mit Novosibirsk begann 2015, kurz nach der Annexion der Krim durch die Russische Föderation. "Beim ersten Besuch sagte der deutsche Generalkonsul in Novosibirsk zu mir: Wenn die Unis nicht miteinander reden, wer dann?"

An dieses Motto will sich Gerhardt, der an der Hochschule Wirtschaftsinformatik lehrt, weiterhin halten. Denn er sieht, dass der Austausch mit der Hochschule im hohen Norden Früchte trägt. Jedes Jahr im Sommer fliegt eine Studentengruppe aus Coburg für eine gute Woche hin, im Winter erfolgt der Gegenbesuch. Bei jedem Treffen arbeiten die Studenten an einem gemeinsamen Projekt; sie verständigen sich auf Englisch. Ein Ziel dabei: die gegenseitigen Vorurteile abbauen. Das gelinge sehr gut, sagt Gerhardt: "Auf der kulturellen Ebene herrschen oft viele Vorurteile, aber bei der Zusammenarbeit spielt das dann keine Rolle mehr."

Freundschaften und eine Hochzeit

Mehr noch: Aus Etlische Studenten aus Novosibirsk haben nach dem Austausch ein Masterstudium in Coburg aufgenommen. Außerdem seien aus den Begegnungen der Studierenden Freundschaften entstanden bis hin zu Pärchen, sagt Gerhardt. "Das eine heiratet gerade."

Im Mai, hofft Gerhardt, wird die nächste Projektreise nach Novosibirsk starten können. Noch seien alle Studierenden bereit, mitzukommen. Geflogen werde natürlich nur, wenn es sicher sei. "Ich denke, dass die Bereitschaft, nach Novosibirsk zu gehen, wegen der Krise sinken könnte, während die Bereitschaft zu kommen vermutlich hoch bleibt." Gerhardt versucht trotzdem, die internationale Zusammenarbeit auszubauen . Gerade habe er einen Förderantrag beim Detuschen Akademischen Auslandsdienst gestellt für ein gemeinsames Dreier-Projekt: die Hochschule Coburg zusammen mit den Unis in Novosibirsk und Karaganda (Kasachstan). "Man muss auch in schwierigen Zeiten immer miteinander reden."

Natürlich hätten seine russischen Kollegen auch immer wieder das "verminte Feld" des Ukraine-Konflikts angesprochen. Er versuche, neutral zu bleiben, berichtet er. "Mir geht es darum zu vermitteln, Kontakte aufrecht zu erhalten, Austausch zwischen den Menschen zu ermöglichen. Das ist meine Mission."