Am Landestheater Coburg hat Thorsten Köhler "Katzelmacher" von Rainer Werner Fassbinder inszeniert. Fragt sich nur wozu.
Ist ja durchaus interessant, wenn wir Gelegenheit erhalten, auf ein wichtiges, einstmals provokantes Stück Kulturgeschichte zurückzublicken. Aber manchmal hat es sich damit auch, und wir stellen fest: Gewinn für unsere Zeit ist nicht daraus zu ziehen.
Rainer Werner Fassbinder hatte seine Zeit, und sein Stück "Katzelmacher", mit dessen Verfilmung er 1969 den künstlerischen Durchbruch schaffte, wirkt heute ausgesprochen substanzlos. Thorsten Köhler hat am Landestheater Coburg eine noch recht witzige Inszenierung aus dem Trübsinn gezogen, die nach der Premiere am Samstag ordentlich beklatscht wurde. Doch vom Amüsement über die schnauzbärtige modische Blödheit der 70er Jahre abgesehen, die Ausstatter Nikolaus Porz wirklich pfiffig aufleben lässt, bleibt die schon früh sich aufdrängende Frage unbeantwortet: Wozu das?
Dass wir heutige Gesellschafts- und Kommunikationsprobleme darin erkennen könnten, die aktuelle Angst vor dem Fremden, die nach wie vor auf vielen Ebenen herrschenden Gewaltbeziehungen, wie uns diese Produktion angekündigt wurde, funktioniert gar nicht. Da verfügen wir wahrlich über wuchtigere und wichtigere Theatertexte.
Was wir erleben, sind depperte Dörfler mit behindertem Sprachverhalten, die in ihrer unter dem Maisfeld liegenden Ödnis den ersten Gastarbeiter im Ort mit Bosheit und Hass verfolgen. "Weil von niemandem nichts Gutes nicht kommt." Und die lächerlichen Dörfler ihre Ruhe wollen.
Skurriler Reiz
Aus den nicht wirklich literarisch ausgeformten Texten Fassbinders entwickelt sich weder schneidende Analyse, noch Verständnis für die zugrunde liegende Not, schon gar nicht Lebenserkenntnis auf poetischem Wege. Selbstverständlich wird da wieder einmal eine notvolle Welt der Vergangenheit denunziert, die Menschen dieser ländlichen Vergangenheit fallen einmal mehr zum Opfer.
Das Bescheuerte, Beschränkte, Bösartige allerdings vermittelt uns das schauspielerisch versierte Coburger Ensemble sehr eindringlich. Es ist den Darstellern mit ihren präzisen, scharf gezeichneten Rollenausformungen zu verdanken, dass "Katzelmacher" auf der Bühne des Großen Hauses immerhin einen gewissen skurrilen Reiz entwickelt, bis hin zum bösartig grotesken Horrortanz in der Choreografie von Mark McClain.
Bezeichnend für das Nichtfunktionieren dieses Schauspieles ist das bruchlose Gelächter des Publikums auch über die Prügelszene hinweg, in der der sprachlose Jorgos im wörtlichen Sinne durch den Dreckpfuhl gezogen wird. - Mal ganz abgesehen davon, dass kein Mensch mehr weiß, was ein Katzelmacher ist, nämlich die abfällige Bezeichnung für Gastarbeiter, abgeleitet von Gatzel, hölzerner Schöpflöffel und den ladinischen Holzschnitzern, die über die Alpen kamen, um ihre im Winter in den Bergdörfern hergestellten Waren zu verkaufen (Dank an Wikipedia).
Und was das alles mit den uns weit überlegenen, aber gar nicht wohlgesonnenen Außerirdischen zu tun hat, zu denen die depperten Dörfler anfangs und endend hochstarren, ist mir nach über zweieinviertel Stunden solchen Theaters wurscht.
Landestheater Coburg "Katzelmacher", Schauspiel von Rainer Werner Fassbinder. Inszenierung Thorsten Köhler. Bühnenbild und Kostüme Nikolaus Porz, Choreografie Mark McClain, Dramaturgie Carola von Gradulewski.
Darsteller Sarah Zaharanski, Anne Rieckhof, Kerstin Hänel, Eva Marianne Berger, Paulina Mertl, Oliver Baesler, Frederik Leberle, Nils Liebscher, Ingo Paulick, Benjamin Hübner,
Margarete Steinhorst
Weitere Termine, 27. April, 4., 9., 12., 19. April, 19.30 Uhr im Großen Haus