Der Herrenausstatter Robert Reuther schließt sein Geschäft in der Coburger Ketschengasse. Damit geht eine über 85-jährige Familientradition zu Ende. Die Gründe dafür sind durchaus überraschend - denn die Umsätze waren zuletzt sehr gut.
Liegt's an der wachsenden Konkurrenz im Internet? Liegt's am großen Modehaus direkt gegenüber? Oder liegt's an den hohen Mieten? Nein, nein und nochmals Nein! Robert Reuther muss dieser Tage immer wieder erklären, warum er sein Geschäft in der Ketschengasse aufgibt - und immer wieder sorgt er damit für ungläubige, vielleicht aber auch bewundernde Blicke: "Ich höre auf, weil ich es will!"
War es das im Leben? Robert Reuther ist 52 Jahre alt. Seit nunmehr 35 Jahren ist er berufstätig; nach einer Ausbildung bei Wöhrl in Nürnberg war er mit 21 Jahren ins elterliche Geschäft eingestiegen, das sich damals noch in der Spitalgasse befand. Es folgten der Umzug in den Steinweg sowie vor sechs Jahren in die Ketschengasse am Albertsplatz. Die Zeiten mögen sich geändert haben, doch der Stress blieb eigentlich immer gleich. "Ich habe in den vergangenen 25 Jahren keinen Urlaub gemacht", erzählt Robert Reuther, der sich deshalb irgendwann selbst die Frage gestellt habe: War es das im Leben?
Die folgenreiche Antwort, die er für sich fand, lautete: "Nein, ich möchte nicht mehr von früh bis abends im Laden stehen." Und er sei zu der Erkenntnis gekommen: "Man soll aufhören, wenn's am schönsten ist!" Denn speziell seit der Neugestaltung des Albertsplatzes und der damit einhergehenden Aufwertung der gesamten Ketschenvorstadt verspürt Robert Reuther einen regelrechten Boom: "2012 war vom Umsatz her mein bestes Jahr!" Auch Wöhrl direkt gegenüber sehe er nicht als Konkurrenz, sondern eher als zusätzlichen Magneten. "Das hat dem gesamten Quartier einen Riesenzugewinn gebracht!"
Auch wenn der Räumungsverkauf bereits begonnen hat: Einen konkreten Termin, wann endgültig Schluss ist, hat Robert Reuther noch nicht. Aber dafür weiß er schon sehr genau, wie er seine zunächst dreimonatige "Auszeit" gestalten wird. "Es geht nach Neuseeland!"
Die ersten vier Wochen wird er seinem Bruder helfen, der dort eine Motorradreise veranstaltet. Anschließend sind weitere acht Wochen bei den "Kiwis" auf eigene Faust geplant.
Und danach? "Möglich, dass ich in Coburg etwas Neues anfange", sagt Robert Reuther, "aber bestimmt nichts mehr mit Bekleidung!" Denn so gut die Umsätze zuletzt auch gewesen seien, so schwierig erachtet er den Sektor Herrenbekleidung ganz grundsätzlich. So beklagt er allen voran einen Wandel in Sachen Wertigkeit. Und so gibt es ihm auch zu denken, dass in Coburg von einst 18 Herrenausstattern nur noch vier übrig geblieben sind.
Uhren als neues Standbein? Vor zehn Jahren hat Robert Reuther die traditionsreiche Uhrenmarke "Arly since 1947" gekauft. Schon heute verkauft er in einer Ecke seines Bekleidungsgeschäfts einige Uhrenmodelle. Möglich, dass er diesem Standbein künftig mehr Beachtung schenkt. Allerdings wohl nicht am Standort Ketschengasse 25, für den er jetzt selbst als Hauseigentümer einen Nachmieter sucht.