Der inneren Gleichschaltung und der moralischen Feigheit entspricht das ritualisierte Bewegungstheater, mit dem die Regisseurin viele Szenen übersteigert, verdichtet (unter choreografischer Mitwirkung von Lean Fargel). Der geradezu tänzerische Impetus entlarvt die geistigen Haltungen in den Körperhaltungen. Das ist ästhetisch wie gedanklich reflektierend äußerst packend, wird dazu noch durch beklemmenden Sound atmosphärisch weitergetrieben (Sounddesign Lutz Gallmeister).
Zahlreiche Figuren
Dabei schlüpfen Eva Marianne Berger, Lean Fargel, Konstantin Rommelfangen und Benjamin Hübner darstellerisch wendig und sofort überzeugend in die unterschiedlichsten Rollen, sodass das Romangeschehen bewältigt wird. Wo von Horváth gelegte Zusammenhänge in der Verdichtung nicht ganz deutlich werden, spielt das hier keine Rolle. Das Theaterstück ist in dieser Verwirklichung ein eigenes, beeindruckendes Erlebnis, es bringt wahrlich genug an herausfordernder Aussage und spannender Bühnenaktion.
Kommen wir zum Mittelpunkt dieser intensiven Wirklichkeitsbefragung: der zerrissenen, sich mühenden Figur des Lehrers. Frederik Leberle zeigt dessen Feigheit, seine Kläglichkeit, seine Verwirrung, dabei seinen trotz allem nicht zu unterdrückenden Widerstand gegen die Entmoralisierung und Instrumentalisierung hin zu Hass und Krieg auf beeindruckende Weise, den Zuschauer zwingend mitnehmend. Man kann sich eben nirgends über ihn erheben. Ohne Plakativität bleibt die bedrängende Frage: Was würdest Du denn tun? Wie würdest Du dich denn (ver-)halten?
Die Produktion Inszenierung Maike Bouschen, Bühne und Kostüme Valentina Pino Reyes, Dramaturgie Carola von Gradulewski, Sounddesign Lutz Gallmeister
Darsteller Frederik Leberle, Lean Fargel, Konstantin Rommelfangen, Benjamin Hübner, Eva Eva Marianne Berger
Weitere Termine 11. Dezember, 10 Uhr, 17., 18. 19. Dezember, 9. Januar 20 Uhr, 12. Januar, 18 Uhr, in der Reithalle
Das Stück "Jugend ohne Gott" ist der dritte Roman des österreich-ungarischen Schriftstellers Ödön von Horváth (1901 - 1938). Er erschien im Jahr 1937 und wurde kurz danach, Anfang des Jahres 1938, in acht weitere Sprachen übersetzt. Das Buch kritisiert die Zustände nach der Machtübernahme Hitlers. Die Kritik am Faschismus und am Kleinbürgertum wird deutlicher denn je und die religiöse Thematik ist nicht nur im Titel stark ausgeprägt.
Der in Berlin lebende Autor Kristo Šagor treibt die Entindividualisierung der Horváthschen Figuren noch weiter, heißt es im Begleittext des Landestheaters. "Das berühmte Diktum von der Unmöglichkeit des richtigen Lebens im Falschen, exemplifiziert anhand zweier Generationen, ist hochaktuell."