Wie das Coburg Institut für integriertes Produktdesign das ehemalige Briefzentrum in der Innenstadt nutzen möchte - und was das für die Stadt bringen soll.
Einfach mal machen: Das ist die Idee hinter "Making Culture" oder "Experimentalkultur". Beide Begriffe haben in Coburg mit dem Institut für integriertes Produktdesign (ip.co) zu tun und ab Freitag mit der ehemaligen Hauptpost.
Dort, in der Halle hinter der Post am Lohgraben, wo sich früher das Briefverteilzentrum befand, hat das ip.co nun seinen Experimentierraum eingerichtet, in dem die Coburger in den nächsten Wochen einfach mal machen dürfen. Und zwar das, was sie wollen beziehungsweise was sie brauchen. Zum Beispiel ein Ersatzteil für einen alten Kassettenrekorder, das es auf dem Markt gar nicht mehr gibt. So etwas könnte man mit einem 3D-Drucker selbst herstellen, sagt Pelin Celik. Sie und Professor Gerhard Kampe sind die Macher hinter Making Culture in Coburg und dem ip.co.
Reparieren...
Am heutigen Freitag um 18 Uhr soll der Experimentierraum öffnen.
14 Stationen werden zeigen, was möglich ist - und da geht es nicht nur um dreidimensionale Figuren aus einem Laserdrucker. Es geht um "Innovationen, Experimente und Kultur", sagt Pelin Celik. Präsentieren werden sich der Verein Alternative Kultur Coburg, die Hans-Böckler-Stiftung, die Initiative Stadtmuseum oder das Improvationstheater von Luca Pauer vom Landestheater. Auch das Repair-Café des Mehrgenerationenhauses "Treff am Bürglaßschlösschen" wird sich vorstellen. Das Repaircafé hat die Räume mit der Adresse Lohgraben 4 schon nutzen können, berichtet Johanna Thomack, Leiterin des Mehrgenerationenhauses. Die Gruppe habe ihr eigenes Werkzeug mitgebracht, "wie wir es hier auch machen". Eigentlich wollte das Mehrgenerationenhaus das Repair-Café nur dreimal im Jahr anbieten, inzwischen findet es monatlich statt, und die Zahl der ehrenamtlichen Handwerker sei auf sieben gewachsen, berichtet Johanna Thomack erfreut.
Gebracht werde fast alles, von der Kaffeemaschine über Lampen, DVD- und CD-Player bis zu Staubsaugern und Stühlen. "Es macht allen Beteiligten Spaß, und es ist noch nie jemand richtig enttäuscht rausgegangen", auch, wenn nicht alles repariert werden kann. Denn in Geschäften würden Reparaturmöglichkeiten kaum angeboten, berichtet Johanna Thomack.
Weil das Angebot bislang so gut ankommt, hält sie es nicht für abwegig, das Repair-Café im Post-Hintergebäude noch auszubauen. "Wir könnten generationenübergreifende Projekte mit Studierenden anbieten oder unsere Abendakademie wieder aufleben lassen, zum Beispiel mit Vorträgen über Produktdesign", meint die Mehrgenerationenhaus-Leiterin.
Die Idee für einen solchen Kultur- und Experimentierraum hatte das ip.co schon im August 2015 präsentiert.
Damals fand ein zweitägiges Symposium in der alten Pakethalle am Güterbahnhof statt. Inhalt: Wie mit Designer-Methoden Lösungen für alle möglichen Probleme gefunden werden, sei es die seniorengerecht gestaltete Stadt oder ein Stadtmuseum für Coburg. Schon damals hatte Pelin Celin dafür geworben, eine Art Kreativwerkstatt in Coburg zu etablieren, die von Unternehmen, aber auch von allen anderen Einwohnern genutzt werden kann.
Zwischennutzung
Nun wird diese Idee zumindest bis Ende September verwirklicht: So lange darf ip.co das ehemalige Briefzentrum mindestens nutzen. Ob der Zwischennutzungsvertrag verlängert wird, hängt von den weiteren Plänen fürs Postareal ab. Die städtische Wirtschaftsförderungsgesellschaft (Wifög) hat die Räume gemietet und ans ip.co weitergereicht.
"Es ist in der Tat zu schade, es leer stehen zu lassen",sagt Wifög-Geschäftsführer Stephan Horn. Ihn fasziniert die Idee, dass sich in solchen Räumen eine Kreativszene entwickeln konnte und kann, die es in Coburg vielleicht sonst nicht gäbe. Die Designtage im Hofbräugelände hätten die städtebauliche Entwicklung dort mit angestoßen, nun stehe der ehemalige Güterbahnhof für Events und Messen zur Verfügung, im ehemaligen Schlick-Gebäude Steinweg geht es derzeit schwerpunktmäßig um Stadtentwicklung, und nun kommt mit der Post der Experimentierraum hinzu für alle, die etwas machen wollen, zählt Horn auf.
Im Experimentierraum selbst herrscht der Charme des Provisoriums: Da, wo die 3D-Drucker aufgestellt werden sollen, haben zwei schwere Tresore die Postzeiten überdauert; an einem Rollo klebt noch ein Guildo-Horn-Plakat.
Aber Stromversorgung und Licht funktionieren; dank der Glasdächer herrschen gute Bedingungen, und Platz genug bieten die 500 Quadratmeter auch. Die Möbel stammen aus Unternehmensspenden, einige Firmen wurden als Partner gewonnen. So wird die Firma Tinkertoys vertreten sein, die es Kindern möglich macht, ihre eigenen Spielfiguren erst am Computer zu entwerfen und dann im Drei-D-Drucker auszugeben.
Mehr Geld
Neben Schulen, der Hochschule und Institutionen wie dem Mehrgenerationenhaus sollen Unternehmen den Experimentierraum nutzen, erläutert Pelin Celik. Weltweit schon würden Unternehmen solche Kreativräume für die Entwicklung neuer Produkte nutzen, sei es, dass sie die eigenen Mitarbeiter dort experimentieren lassen oder dass sie dort Produkttests mit bestimmten Zielgruppen vornehmen, sagt Professor Kampe.
Die Unternehmen werden auch bei der Finanzierung gebraucht - zumindest, wenn der Experimentierraum zu einer Dauereinrichtung würde, wo auch immer. Dann müsste ip.co auch Förderprogramme abzapfen, mit Hilfe von Stadt und Region, meint Celik. "Man muss schauen, ob Making Culture nicht einen Mehrwert für die Region hat."
Zumindest ist es so gedacht: "MakingCulture sieht sich als Förderer und Botschafter der Potenziale der Region", heißt es auf der Website Makingculture.de. "Bürger, Kommune, Unternehmen und Kreativ-wirtschaft können diesen Kompetenzbereich an Know-How, Experimentierkultur und modernen technischen Möglichkeiten gemeinsam nutzen, um Innovationen voranzutreiben." Jetzt, mit dem vorzeigbaren Experimentierraum, werde es leichter, weitere Geldgeber für den Experimentierraum zu finden, hofft auch Kampe. "Man muss etwas sichtbar haben."