Die Initiative Stadtmuseum rückt ab Montag den "Coburger Alltag im Ersten Weltkrieg" ins Blickfeld.
Die Coburger profitierten vom Krieg. Diese Erkenntnis hat Hubertus Habel etwas überrascht. Er hat die Ausstellung konzipiert, die ab Montag, 10. Oktober, im Staatsarchiv gezeigt wird (Eröffnung um 17 Uhr, zu sehen bis 23. Dezember). "Wir wollen zeigen, was in Coburg spürbar war vom Krieg", sagt Habel. "Da gibt es so viele Aspekte, dass wir gar nicht alle darstellen können."
Spürbar war natürlich, dass viele Familien Männer und Söhne verloren: 932 Tote wurden in Coburg verzeichnet, bei damals rund 20 000 Einwohnern. Etwa fünf Prozent blieben also im Krieg, die Versehrten und dauerhaft Beschädigten sind da noch gar nicht eingerechnet. Spürbar war der Krieg auch insofern, als es ab 1916 mehrere Lazarette gab, in denen Verwundete versorgt wurden.
Ein oder zwei Transporte kamen jeden Monat auf dem Güterbahnhof an.
Die Versorgung der Bevölkerung sei jedoch relativ gut gewesen, gemessen an anderen Gegenden, sagt Habel. Selbst der Hungerwinter 1916/17 sei einigermaßen glimpflich abgelaufen, obwohl die Bamberger Gärtner die Vestestadt nicht mehr beliefern konnten. Die Stadt konnte andere Lieferverträge abschließen, und sie widmete 150 Hektar zu Gartenland um. "Der Anger und die Brandensteinsebene wurden umgegraben", sagt Habel.
Vollbeschäftigung
In München konnte der Volkskundler die IHK-Protokolle aus jener Zeit einsehen. Aus ihnen geht hervor, dass die Arbeitslosigkeit unmittelbar nach Kriegsbeginn 1914 im Coburger Raum stark anstieg: Spielzeug- und Christbaumschmuckhersteller waren stark vom Export abhängig. Der kam zum Erliegen, als sich Deutschland im Krieg mit mehreren Nachbarländern befand.
Doch der Krieg brachte neue Aufträge, dank Max Oscar Arnold, wie Habel sagt: Der Neustadter Industrielle war im Juli 1914 in den Reichstag nachgewählt worden und schaffte es, Rüstungsaufträge in die Region zu bringen: Geschosskörbe, Näharbeiten, Granatendreherei. "Es gab Betriebe, die aufgrund dieser Kriegskonjunktur gegründet wurden", sagt Habel.
Es herrschte Vollbeschäftigung. Das habe zusammen mit festen Lebensmittelpreisen dazu geführt, dass die Versorgung der Bevölkerung in Coburg relativ gut war, sagt Habel. "Der große Katzenjammer kam dann nach dem Waffenstillstand vom 11. November 1918." Denn dann brachen die Rüstungsaufträge weg und damit die Arbeitsplätze. Kurz danach stiegen die Lebensmittelpreise stark an, und es kam 1919 auch in Coburg zu Unruhen, organisiert von der links stehenden USPD.
Die Ausstellung endet mit dem Anschluss des Freistaats Coburg an Bayern.
Für Habel dabei interessant: Bei der Volksabstimmung 1919, ob der Freistaat Coburg sich dem neuen Land Thüringen anschließen solle, lag die Wahlbeteiligung bei etwa 60 Prozent. Bei Wahlen für den Reichstag oder die Nationalversammlung war sie deutlich höher. Der Volksabstimmung habe die Bevölkerung damals keine hohe Bedeutung beigemessen, vermutet Habel. Erst 1945, nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, wurde die Tragweite dieser Entscheidung deutlich, denn als Teil Bayerns gehörte Coburg zu den westlichen Besatzungszonen.
In zehn Kapitel hat Hubertus Habel die Ausstellung gegliedert - es geht unter anderem noch um die Ehrenzeichen, die Herzog Carl Eduard während des Kriegs verteilte, um die Glocken und Puddingformen, die zu Rüstungszwecken eingeschmolzen wurden (oder auch nicht) und darum, wie das Reformationsjubiläum 1917 begangen wurde.
Auf der Veste stand damals ein nahezu zehn Meter großes Modell einer Lutherstatue. "Die war von der Stadt aus zu sehen", sagt Habel. Doch es blieb beim originalgroßen Modell - gefertigt wurde das Denkmal nie.
Pflichterfüllung
Für die Initiative Stadtmuseum sind solche Ausstellungen ein Teil ihres selbst gestellten Auftrags. Vorsitzender Rupert Appeltshauser freilich kann nicht verhehlen, dass er die Arbeit der Initiative für missachtet hält - zumindest von politischer Seite. Appeltshauser rechnet nicht damit, dass die Stadt in absehbarer Zeit ein Stadtmuseum schaffen wird. Immerhin lässt sie nun ihre Geschichte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aufarbeiten. "Aber mehr als Pflichterfüllung und nicht als inneres Bedürfnis", meint Appeltshauser.
Die Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen in der Stadt, von Kulturamt bis Stadtarchiv, sei gut, versichert er. Aber dass die Stadt keinen Zuschuss gab, um die Ausstellung zu unterstützen, schmerzt offenbar doch. So sind es unter anderem die Niederfüllbacher Stiftung, die Sparkasse Coburg-Lichtenfels, das Regionalbüro von "Demokratie leben" und Angela Nolte-Vogler aus Berlin, die mit ihren Zuwendungen die Ausstellung möglich gemacht haben.
"Wir versuchen, Geschichte modern zu präsentieren, ohne dass es die Stadt viel kostet", betont Appeltshauser. "Wir erweisen damit der Stadt einen Dienst, aber das wird nicht honoriert." Er verweist auf das breite Spektrum, das die Initiative Stadtmuseum mit ihren Vorträgen, Führungen, Ausstellungen und Publikationen inzwischen abdecke, von der Coburger Industriegeschichte bis hin zur Fotografie "und nicht nur Coburg im Nationalsozialismus". Immerhin: Die Initiative erhalte viel Zuspruch und gewinne auch neue Mitglieder, sagt der Vorsitzende.