Chorgesang in der Region Coburg: Wie geht es weiter nach der Krise?

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Chorgesang in Corona-Zeiten: Die Kantorei St. Moriz bei der Probenarbeit in der Morizkirche.Foto: Peter Stenglein
Chorgesang in Corona-Zeiten: Die Kantorei St. Moriz bei der Probenarbeit in der Morizkirche.Foto: Peter Stenglein
Antoinetta BafasFoto: Jochen Berger
Antoinetta BafasFoto: Jochen Berger
 
Peter StengleinFoto: privat
Peter StengleinFoto: privat
 
Jens-Uwe PEter, Vorsitzender Fränkischer SängerbundFoto: privat
Jens-Uwe PEter, Vorsitzender Fränkischer SängerbundFoto: privat
 
Fränkischer SängerbundFoto: Jochen Berger
Fränkischer SängerbundFoto: Jochen Berger
 

Die Pandemie stellt die Chöre des Sängerkreises vor große Herausforderungen. Inzwischen drängt sich die bange Frage auf, welchen Chören der Re-Start gelingen gelingen wird. Auch die Musica Mauritiana und der Chor "Unerhört!" müssen neue Wege suchen.

Wie wird die Kultur-Landschaft in der Region nach der Corona-Krise aussehen? Diese Frage stellt sich auch für den Fränkischen Sängerbund und den Sängerkreis Coburg-Kronach-Lichtenfels. Welche Perspektiven für den Chorgesang in der Region er sieht, erklärt Sängerbund-Vorsitzender Jens-Uwe Peter.

Wie sind die im Sängerbund organisierten Chöre durch die letzten Monate gekommen?

Jens-Uwe Peter: Hier gibt es große Unterschiede. Während einige Chöre versucht haben, so lange wie möglich einen Probenbetrieb aufrecht zu erhalten, haben andere Chöre seit Beginn der Pandemie überhaupt nicht mehr geprobt. Auch hat sich diese gezwungene Einstellung des Singbetriebs wie ein Brandbeschleuniger ausgewirkt. Viele Chöre, die schon bisher nur knapp singfähig waren, haben den Betrieb eingestellt oder es sind auch viele Chorleiter (sicher zum großen Teil aus Altersgründen) in den Ruhestand getreten, ohne dass es einen Nachfolger gibt. Wie viele Vereine dies betrifft, kann ich aktuell nicht genau beziffern; es ist zu befürchten, dass es in der nächsten Zeit noch einige Vereinsauflösungen geben wird.

Was bedeutet die aktuelle Situation konkret für Ihre Probenarbeit?

Während in der ersten Zeit sicherlich vor allem die Angst vor einer Ansteckung viele Sängerinnen und Sänger abgehalten hat, die Proben zu besuchen, auch wenn dies möglich gewesen wäre, ergibt sich gerade jetzt (aber auch schon seit den Öffnungen nach dem ersten Lockdown) das Problem, dass der geforderte Mindestabstand in den Vereinslokalen häufig nicht darstellbar ist. Ein Ausweichen ins Freie ist nur in den Sommermonaten möglich. Mancher Chor hat sich mit kreativen Lösungen wie Proben im Zelt zu helfen versucht, aber das ist eine Sache der Außentemperatur und nicht überall möglich. Zumindest hat der Großteil der von mir gesprochenen Chöre, die aktuell noch nicht singen, dies als Hauptproblem angegeben. Nicht unerheblich dabei dürfte sein, dass die Mehrkosten für einen anderen Probenraum nicht vom Staat finanziert werden. Es gibt zwar ein staatliches Hilfsprogramm, dies greift aber nur für Chorleiter.

Aktuell gilt die 3G-Regel, die Umsetzung in der Praxis aber bleibt den Vereinen überlassen. Wie sehen Sie die Situation?

Gerade der Chorgesang ist ein niedrigschwelliges Angebot für alle Menschen, ob alt oder jung, egal welchen Geschlechts, welcher Herkunft. Deshalb sollten Einstiegshürden vermieden werden. Natürlich kann sich jeder Verein eigene Vorgaben geben, aber auch hier gilt: Je mehr Hürden man überwinden muss, umso weniger Interessenten gibt es. Und gerade in der aktuellen Situation sind die Chöre auf Nachwuchs angewiesen. Daher sehe ich weitere langanhaltende Restriktionen als Bedrohung für das Chorwesen und die Kultur allgemein.

Wie konkret sind Planungen für Auftritte?

Die Planungen für Auftritte sind teilweise schon im Gange. Durch die lange Vorlaufzeit heißt das ja ohnehin, dass Auftritte im Sommer stattfinden, wenn man berechtigten Anlass hat, dass diese dann pandemiebedingt stattfinden können.

Was wird unter diesem Vorzeichen aus dem Auswahlchor "Ziemlich beste Stimmen"?

Aktuell gibt es hier keine konkreten Planungen. "Ziemlich beste Stimmen" war und ist ein Projektchor, so dass dieser projektspezifisch wieder ins Leben gerufen werden könnte. Aktuell sehe ich die musikalischen Belange des Sängerkreises eher darin, Workshops und ähnliches anzubieten (zum Beispiel Stimmbildung), um die Vereine zu unterstützen.

Wie geht es weiter mit dem vom Sängerkreis ins Leben gerufenen Grundschul-Projekt "Kinder zum Singen bringen"?

Hier haben einige Schulen versucht, den Chorbetrieb möglichst lange aufrecht zu erhalten, bei anderen ist er leider zum Erliegen gekommen. Allerdings geht es hier im neuen Schulhalbjahr auch wieder los. Ein gemeinsames Konzert im Sommer (Lokalklang), wie dies bisher üblich war, wird es vermutlich nicht geben, aber wenn es die Lage zulässt, ist ein Konzert auf dem Weihnachtsmarkt geplant.

Gelernt, mit dem Virus zu leben

Die Kultur-Szene in Coburg leidet noch immer unter der Corona-Krise - auch die Musica Mauritiana, die Kirchenmusik an St. Moriz. "Die Corona-Maßnahmen haben die Chorarbeit, wie sie bis März 2020 üblich war, auf den Kopf gestellt", sagt Coburgs Kirchenmusikdirektor Peter Stenglein als Leiter der Musica Mauritiana: "Wir alle mussten und müssen lernen, mit der veränderten Wirklichkeit zu leben."

Mit vielerlei Anpassungen und Veränderungen hat Stenglein Möglichkeiten gefunden, auch in der Krise das musikalische Angebot in angepasster Form lebendig zu halten. Vor der Pandemie gab es fünf musikalische Gruppen: Bachchor, Kantorei, Posaunenchor, Kinderkantorei und Singfreu(n)de. "In diesen Gruppen trafen sich wöchentlich in summa rund 220 bis 250 Personen." Heute sieht die Situation aus Stengleins Sicht so aus: "Drei Gruppen proben regelmäßig wöchentlich: Bachchor, Kantorei und Posaunenchor. Die anderen beiden Gruppen pausieren, werden die Arbeit aber wieder aufnehmen, wenn es die Situation ermöglicht."

In diesen drei Gruppen treffen sich wöchentlich rund 110 Aktive. Etliche Personen sind "im Wartestand" und wollen wieder kommen, wenn es für sie "an der Zeit" ist. "Einige  - erstaunlich wenige - Chormitglieder haben ihre aktive Zeit beendet." Bei der Kinderkantorei gibt sich Stenglein realistisch: Hier wird "mehr oder weniger ein Neuaufbau nötig werden". 

Probenarbeit in Corona-Zeiten bedeutet: Der Posaunenchor übt "in zwei Schichten" im Haus Contakt. Etwa zehn Bläserinnen und Bläser spielen regelmäßig  bei Gottesdiensten in der Morizkirche. Und: Kantorei und Bachchor proben regelmäßig in der Morizkirche. Kantoreimitglieder gestalten regelmäßig die Gottesdienste aus. 

Konzerte im März und Mai

Es gibt auch ganz konkrete Pläne für kirchenmusikalische Veranstaltungen: Der Bachchor singt ein Konzert mit der Orgelfassung der Messe D-Dur von Antonin Dvorak am Sonntag, 27. März (18 Uhr) in der Morizkirche.  Der Bachchor gestaltet zudem am Karfreitag, 15. April, um 15 Uhr die Andacht zur Sterbestunde musikalisch aus.

Mitglieder des Bachchors singen in kleiner Besetzung am Sonntag, 22. Mai, 18 Uhr die h-Moll-Messe von Bach - gemeinsam mit Solisten und dem Main-Barockorchester Frankfurt.

Chorgesang mit Abstand frustriert

Heftig zugesetzt hat die Corona-Krise dem experimentierfreudigen Chor "Unerhört!". "Mein Chor ,Unerhört!' hat freiwillig entschieden ab Mitte November nicht zu probieren, als Beitrag zur Corona Pandemiebekämpfung", erklärt Chorleiterin Antoinetta Bafas. Ausnahmen waren nur eine Probe und die Aufzeichnung der ITV-Sendung der Coburger Weihnacht im Dezember.

Wann die Probenarbeit wieder aufgenommen wird, sei derzeit noch unklar. "Es ist leider weder große Euphorie zum gemeinsamen Singen zu spüren, noch macht Chorgesang mit Abstand und weniger Mitwirkenden als sonst große Freude", sagt Bafas: "Das besondere am Chorgesang ist der gemeinsame Gruppenklang, alleine kann jeder zuhause singen und ein bisschen so fühlt es sich an, mit zwei Meter Abstand zu proben."

Seit Mitte Februar gelten im Freistaat Bayern Lockerungen der Corona-Regelungen. Die nun aktuelle 3G-Regel erlaubt auch Ungeimpften mit aktuellen negativem Coronatest grundsätzlich wieder die Teilnahme an Chorproben.

Ideen für tolle Projekte

Wie die Einhaltung in der Praxis umgesetzt wird, bleibt den Chören überlassen. Diese Verlagerung der Entscheidung sieht Bafas durchaus kritisch: "Ich finde es höchst problematisch, dieses komplexe und hoch sensible Thema ehrenamtlich tätigen Menschen in den Vereinen zu überlassen." Damit entstehen aus ihrer Sicht "völlig unnötige Spannungsfelder", die zur zusätzliche Belastung für Laienchöre werden können.

Ihre Schlussfolgerung ist klar: "Das darf die Politik nicht machen! " Sie kündigt deshalb an: "Ich werde mich verweigern, meinen Chormitgliedern zuzumuten, eine solche Entscheidung treffen zu müssen." Derzeit noch unklar ist für sie, wie es mit dem Chor "Unerhört!" unter diesen Rahmenbedingungen weitergehen wird: "Eigentlich bin ich jemand, der kämpft und aufgeben nicht so richtig kennt. Aber wenn ich überlege, wie viel Pläne ich für die letzten zwei Jahre gemacht und verworfen habe, dann fällt es mir nicht so leicht, erneut zu planen. Vor allem, weil die Menschen, mit denen ich diese Pläne umsetzen möchte, nicht da sind. Viele trauen sich nicht, einige haben keine Lust auf ,Singen auf Distanz', andere haben gar keine Lust mehr." Trotzdem betont sie: "Ideen für tolle Projekte habe ich genug, sehr gute sogar!"