Duke Ellingtons "Sacred Concert" erlebt seine Coburger Erstaufführung in Heilig Kreuz. Und der Chor "Unerhört" beweist, dass er auch das Jazz-Idiom beherrscht.
Draußen vor der Kirchentür von Heilig Kreuz erzählt ein Plakat des Hospizvereins Coburg von der Hilfe auf dem letzten Weg. Drinnen aber singt und tanzt das Leben voller Lust und Enthusiasmus. Wie passt das zusammen? Ganz einfach: mit Duke Ellingtons "Sacred Concert".
In zehn Sätzen erzählt dieses "Geistliche Konzert" von der Sehnsucht nach Frieden und von der Allmacht Gottes - in zarten, leisen Klängen, aber auch mit lauthals jubelnder Gewissheit. Damit aber passt dieser Werk perfekt zur herbstlichen Veranstaltungsreihe des Hospizvereins Coburg. "Lebenslust - Lebensfrust": Unter diesem Motto vereint die Reihe Vorträge, einen Film, eine Lesung und eben dieses "Sacred Concert". Gestaltet wird es als Benefizkonzert vom Coburger Chor "Unerhört" und der aus Leipzig angereisten Uli Singer Bigband.
Stilsicher im Jazz-Idiom Unerhört - das passt tatsächlich auch auf
dieses "Sacred Concert", das vor großer Zuhörerschar in der Heilig-Kreuz-Kirche seine umjubelte Coburger Erstaufführung erlebt. Und es erzählt viel über die kaum zu bremsende musikalische Begeisterungsfähigkeit der Interpreten, dass das Publikum mit seinem Applaus einfach nicht bis zum Schluss warten will.
Mitten hinein in ein Kirchenkonzert applaudieren? An diesem Abend kommt niemand auf den Gedanken, darüber die Nase zu rümpfen. Zu groß ist der Enthusiasmus von Chor und Bigband, die über derlei Bedenken einfach hinweg musizieren und singen. Ein instrumentaler Klassiker von Duke Ellington bildet die Einleitung: "Satin Doll" aus dem Jahr 1953 in einem gesanglich fließenden Arrangement.
Was dann folgt, ist ein neues Kapitel in der eigentlich noch gar nicht so langen, gleichwohl schon bemerkenswert abwechslungsreichen Geschichte des Chors "Unerhört". Unter Leitung seiner Gründerin Antoinetta Bafas
hat dieser Chor schon wiederholt seine unerschrockene Vielseitigkeit demonstriert - vom Musical ("Oliver") bis zu Duke Ellingtons "Sacred Concert". Verblüffend, wie stilsicher sich der Chor in ausdauernder Probenarbeit das Jazz-Idiom angeeignet hat. Beinahe selbstverständlich trifft der Chor den Tonfall dieser Musik von leisen Ballade bis zum hymnischen Gotteslob.
Voller Begeisterung, aber auch jederzeit diszipliniert und reaktionsschnell übersetzt der Chor die klaren, energischen und immer wieder anfeuernden Impulse seiner Dirigentin in Klang - fein differenziert in der Dynamik wie im Ausdruck. Zudem lässt sich der Chor unüberhörbar inspirieren vom swingenden Drive der Uli-Singer-Bigband aus Leipzig. Von der E-Gitarre aus leitet Singer das an diesem Abend achtköpfige Ensemble, gibt an Nahtstellen und Übergängen kleine, aber wichtige Akzente. Stilsicher auch die Vokalsolistin Anna Gütter.
Die am Landestheater Coburg engagierte Sopranistin beweist gutes Gespür für kammermusikalisch fein dosierten Jazzgesang.
Grenzenloser Beifall Damit freilich ist dieser Abend noch keineswegs erschöpft. Dafür sorgt Frederik Dittmar, der Bayerische Vizemeister im Stepptanz. Stepptanz in der Kirche? Das klingt tatsächlich zunächst seltsam, ja irritierend. Doch in Duke Ellingtons "Sacred Concert" passen geistliche Musik und Stepptanz tatsächlich zusammen. Denn Frederik Dittmar benutzt seine Stepptanz-Schuhe als virtuos eingesetztes Schlagzeug, zaubert rhythmische Muster und Figuren in rasender Geschwindigkeit auf das Podium und erntet dafür am Schluss verdientermaßen Sonderapplaus.
Ausdauernden Beifall gibt es natürlich am Ende nicht nur für Frederik Dittmar, sondern auch für Anna Gütter, die Uli-Singer Bigband und den Chor "Unerhört" unter
Leitung von Antoinetta. Und weil dieser Beifall schier grenzenlos und anhaltend gerät, gibt es schließlich noch zwei Zugaben - die Wiederholung zweier Teile aus dem "Sacred Concert".
Das Werk, seine Interpreten und der Hospizverein Der Hospizverein Coburg ist ein ambulanter Hospiz- und Palliativberatungsdienst. Er begleitet in Stadt und Landkreis Coburg Menschen und ihre Angehörigen auf ihrem letzten Lebensweg - entweder zu Hause oder in den jeweiligen Einrichtungen wie Pflege-, Seniorenheimen und Klinikum.
Eine weitere Säule des Vereins ist das Hospiz- und Palliativnetzwerk (HPN), eine mulitprofessionelle Vernetzung professionell Tätiger, die sich in ihrem beruflichen Alltag um die Versorgung schwerstkranker Menschen in der letzten Lebensphase bemühen.
Das Netzwerk hat das Ziel, eine verbesserte Versorgung schwerstkranker Menschen nach dem Grundsatz "ambulant vor stationär" zu schaffen. Das HPN ist kein weiterer Verein, sondern eine Säule des Hospizvereins und wird auch von diesem alleine finanziert.
Originäre Arbeit des Hospizvereins ist die Begleitung und Beratung Schwerstkranker, Sterbender und ihrer Angehörigen. Hospizbegleiter arbeiten ehrenamtlich. Die Begleitung ist für alle Betroffenen kostenlos. Begleitung bedeutet nicht immer nur die Begleitung des Sterbenden; sie kann sich zusätzlich auch auf die Begleitung von Angehörigen erstrecken. Den Umfang geben die Betroffenen vor.
Der Chor "Unerhört" wurde im Jahr 2006 von Antoinetta Bafas gegründet und hat sich von Anfang an durch seine ungewöhnlichen Programme profiliert.
Das Spektrum der bereits interpretierten Werke reicht von Johann Strauß bis Carl Orff ("Carmina burana"), vom Musical ("Oliver") bis zum reinen Chorkonzert.
Die Uli Singer Bigband wurde von dem Gitarristen, Komponisten und Arrangeur Uli Singer gegründet und tritt je nach Programm in unterschiedlicher Besetzung auf.
Duke Ellington, geboren 1899 in Washington D.C., gestorben 1974 in New York, gilt als Pianist, Komponist und Big-Band-Leader als eine der prägenden Figuren der Jazz-Geschichte. Zwischen 1965 und 1973 hat Ellington insgesamt drei "Sacred Concerts" geschrieben, die anfangs nicht in gedruckter Partiturform vorlagen. Vielmehr wurde einzelne Sätze in verschiedenen Aufführungen immer wieder in unterschiedlichen Fassungen interpretiert. Erst im Jahr 1993 hat John Hoybye gemeinsam mit Peder Pedersen eine Version erarbeitet, die Material aus allen drei "Sacred Concerts" enthält.