Landtagspräsidentin Barbara Stamm wollte über Chancen sprechen, die sich aus dem demografischen Wandel ergeben. Doch schnell war klar: Zunächst muss ein Umdenken in der Gesellschaft erfolgen.
Der demografische Wandel hat viele Facetten. Als die Coburger CSU zur Diskussion "Talk in the City" ins Haus Contakt eingeladen hatte, wurden zum Beispiel die Bereiche Bildung und Arbeitsplätze sehr ausgiebig behandelt. Nach dem Motto: Wenn es in einer Region künftig deutlich weniger junge Menschen gibt, muss es für diese gute Angebote geben - sonst wandern sie auch noch ab. Pfarrer Markus Merz brachte es auf den Punkt: "Was können wir gegen immer größer werdende Ballungszentren tun?"
Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) nannte die Dezentralisierung. So könnten noch mehr Behörden verlagert werden. "Wir Franken sind ja nicht immer mit diesem Wasserkopf in München zufrieden", sagte die Würzburgerin Stamm, warnte aber auch vor einem Hauen und Stechen unter den fränkischen Kommunen, wenn es demnächst um den Standort für das von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) geplante Heimatministerium geht.
Viele würden ja über diese Idee lachen, räumte Barbara Stamm ein, doch sie persönlich halte es für "eine großartige Idee". Sowohl, was die dezentrale Ansiedlung betreffe, als auch die inhaltliche Ausrichtung: "Die Menschen wollen wieder Heimat und wollen Verwurzelung."
Pro und contra Betreuungsgeld In Sachen Bildung hielt Barbara Stamm ein Plädoyer für eine noch bessere vorschulische Bildung. An dieser Stelle hakte Tageblatt-Redaktionsleiter Oliver Schmidt, der die Veranstaltung zusammen mit Mathias Zimmer (CSU-Ortsverband Coburg-Ost) moderierte, ein: Ist das nicht ein Widerspruch zum Betreuungsgeld, das auf Drängen der CSU eingeführt wurde? Denn dieses könne ja auch als Anreiz verstanden werden, sein Kind nicht betreuen zu lassen.
Kinder brauchen Zuneigung Barbara Stamm, die zwar keine glühende
Verfechterin des Betreuungsgeldes ist, sich allerdings auch vehement gegen eine Verunglimpfung als "Herdprämie" verwahrt, konkretisierte daraufhin ihre Aussage: Eine gute vorschulische Bildung bräuchten Kinder ab drei Jahre. Bei Kindern unter drei Jahre verhalte sich das anders: "Sie brauchen vor allem Liebe, Zeit und Zuwendung - und sie müssen wissen, wo sie hingehören." Das sah Mathias Zimmer etwas anders: "Kinder brauchen aber auch Kinder!" Deshalb könne eine Krippe sehr wohl sehr sinnvoll sein. Erzieherin Nina Klett warnte in diesem Zusammenhang vor einer Überfrachtung, was die Angebote und Projekte in Kitas betrifft: "Kinder sollten vor allem spielen!"
Barbara Stamm nickte, nannte als ein Ziel der bayerischen Staatsregierung die komplette Gebührenfreiheit von Kindergärten, gab dann aber auch eines ganz grundsätzlich zu bedenken: "Betreuungsgeld, kostenlose Kindergärten, flexiblere Arbeitszeiten für Mütter
- das ist alles schön und gut: Aber das wichtigste, was wir brauchen, damit es eines Tages wieder mehr Geburten gibt, ist etwas ganz anderes - und das kostet noch nicht einmal Geld: Wir brauchen ein Umdenken in der Gesellschaft!"
Barbara Stamm gab offen zu, dass sie vor allem mit vielen Äußerungen des Arbeitgeberpräsidenten Dieter Hundt ein Probleme habe: "Da werden Kinder oft nur als Belastung gesehen." Ein Firmenchef habe zu ihr einmal in bedauerndem Ton gesagt, dass seine beste Mitarbeiterin im Moment "leider" in Elternzeit sei - "da habe ich gefragt: Was heißt denn hier ,leider'? Das ist doch toll! Bringen Sie am Besten gleich noch ein Lätzle vorbei!" Ebenso würden vieler Chefs noch völlig falsch reagieren, wenn Mitarbeiter Vätermonate nehmen: "Die gucken dann immer so griesgrämig.
Dabei müssten sie sich doch freuen, dass es einen neuen Erdenbürger gibt - und dass ihr Mitarbeiter neue Erfahrungen sammeln kann." Stamm glaubt fest daran, dass sich langfristig nur die Unternehmen behaupten werden, die familienfreundlich sind.
Fazit der Runde: Der demografische Wandel hat viel mit Psychologie zu tun - und vieles beginnt im Kopf. Markus Merz spannte den Bogen zur Dezentralisierung: Es könne nicht sein, dass Menschen eine bestimmte Fachschule nicht besuchen wollen, weil diese sich statt in München vielleicht in Hof befindet.
Die besten Zitate "Coburg ist doch kein ländlicher Raum - Coburg ist eine attraktive Mittelstadt."Markus Merz, Pfarrer in St. Moriz
"Viele Studenten kennen gar nicht das Potenzial unserer Region.
Auch deshalb muss das Miteinander von Hochschule und Stadt dringend verbessert werden."Uwe Müller, Sprecher der Wirtschaftsjunioren Coburg"Der Fachkräftemangel ist nur das eine Problem. Für viele Berufe - etwa Kraftfahrer oder auch in Bereichen des Handwerks - werden sich bald gar keine Bewerber mehr finden."Uwe Müller "Dieser Wahn, dass mindestens 50 Prozent eines Jahrgangs das Abitur machen müssen, muss aufhören."Jürgen W. Heike, Landtagsabgeordneter
"Es ist eine Schande, wenn geglaubt wird, dass Frauen in einem Vier-Wochen-Schnellkurs zur Erzieherin umgeschult werden können."Nina Klett, Erzieherin"Also als Rentner komme ich auf jeden
Fall nach Coburg zurück!"Pascal Scheller, Schüler-Union und künftiger Medizin-Student"Warum reden wir unsere Region immer schlecht? Sie hat doch so viel zu bieten. Deshalb: Lasst uns loben und nicht immer nur mäkeln."Jürgen W. Heike