Banger Blick von Neustadt in die Ukraine

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Dieter (links) und Thomas Wolf sortieren die Waren für den Transport in die Ukraine.
Dieter (links) und Thomas Wolf sortieren die Waren für den Transport in die Ukraine.
Rainer Lutz

Gerade, weil es zurzeit kritisch ist, will die Tschernobyl-Kinderhilfe weiter in der Katastrophenregion unterstützen.

Dieter Wolf steht vor einem Berg von Paketen. "Am 1. März kommt der Lkw, der bringt alles erstmal nach Lwiw", sagt der Vorsitzende des Vereins Tschernobyl-Kinderhilfe Neustadt. Er ist zuversichtlich, dass der Transport ordentlich über die Bühne geht. "Es ist eine deutsch-russische Spedition." Der Inhalt der Pakete wird in der Region dringend benötigt, die nach dem Reaktorunglück zu den vernachlässigten Gebieten des Landes gehört. "Dass wir helfen, ist jetzt noch wichtiger als vor diesen Problemen im Osten."

Über 20 Jahre lang holte der Verein Jahr für Jahr eine große Gruppe von Kindern ins Coburger Land. Sie konnten sich vier Wochen lang erholen, wurden oft medizinisch behandelt, und fuhren mit Kisten voller Geschenke wieder nach Hause. Gleichzeitig unterstützt der Verein einige Orte in dem Gebiet direkt. Er renoviert öffentliche Gebäude, beschafft Material und hilft besonders bedürftigen Familien direkt. Bei zahlreichen Besuchen hält Dieter Wolf Kontakt zu seinen Verbindungsleuten, die ihm helfen Kinder zu finden, die besonders von einem Aufenthalt in Deutschland profitieren würden. "46 Mal war ich bisher schon dort", sagt er. Längst wurde er zum Ehrenbürger ernannt.

Wenn er jetzt mit den Frauen telefoniert, die in der Ukraine seine Arbeit unterstützen - als Übersetzerinnen und durch ihre Kontakte - dann bekommt er zu hören, dass vor allem ältere Menschen sich vor einem Einmarsch der Russen in die gesamte Ukraine fürchten. "Es geht jetzt alles ziemlich durcheinander, sagen sie. Auch weil jetzt viele Männer zum Militärdienst einberufen werden." Darunter junge Männer, die vor Jahren als Kind mit Wolfs Verein in Deutschland waren.

Corona verhindert in diesem Jahr zum dritten Mal, dass Kinder kommen können. Ein Krieg könnte dazu führen, dass auch im kommenden Jahr darauf verzichtet werden muss. "Wir wollten zum Ausgleich in diesem Jahr im Sommer eine große Veranstaltung machen, ehemalige Kinder einladen und auch die, die schon ausgesucht waren, aber nicht kommen konnten", sagt Dieter Wolf. Ob das möglich sein wird, weiß er nicht.

Erholungskinder heute Soldaten

Sollte es klappen, werden viele nicht kommen können, die als Junge mit zu Besuch im Coburger Land waren. "Das sind ja oft schon junge Männer. Wir wissen von einigen, dass sie schon länger beim Militär sind, andere müssen jetzt an die Front im Osten", sagt Dieter Wolf. Soldat zu werden, ist für viele eine Chance aus dem Katastrophengebiet heraus zu kommen, in dem es sonst kaum berufliche Perspektiven gibt. So können sie ihre Familien unterstützen, die nicht selten zerrissen sind.

Bei jedem Besuch erleben Dieter Wolf und seine Mitstreiter der Tschernobyl-Kinderhilfe wie wichtig ihre Unterstützung ist, welche Hoffnung auf ihnen ruht. Daher sagt er: "Wir können nicht einfach aufhören, gerade jetzt nicht, wir müssen den Menschen dort zeigen, dass sie nicht vergessen sind."

Wenn die Pakete, die jetzt in der Lagerhalle in Neustadt liegen, in den Dörfern der Ukraine ankommen, weiß Dieter Wolf um die Dankbarkeit der Familien. "Wir schicken Kleidung, alles mögliche für den täglichen Bedarf, vor allem auch Schulsachen, Hygieneartikel, so etwas eben", sagt er. Auch Nahrungsmittel finden sich in den Paketen. Aber es sind nicht mehr so viele wie früher. Viele Sachen können wir vor Ort viel günstiger kaufen als verschicken." Immerhin kostet es den Verein an die 10 000 Euro so eine Lkw-Ladung in die Ukraine zu schicken. Da ist das Geld, das als Spende an den Verein ging besser eingesetzt, wenn Wolfs Helferinnen vor Ort Sachen wie Mehl, Reis oder Nudeln einkaufen und an die Bedürftigen weitergeben. "Das passiert alles in Rücksprache mit uns. Wir wissen genau, wie jeder Euro vor Ort verwendet wird", betont Dieter Wolf.

Komplizierte Vorschriften

So wird unter dem Strich Geld eingespart - und Zeit. Um die 250 Stunden waren nötig, um die Päckchen zu packen - und vor allem, um sie korrekt zu beschriften. "Ich darf Päckchen nur eine Parson schicken, die mindestens 18 Jahre alt und telefonisch erreichbar ist", erklärt Dieter Wolf. Das größere Problem verursacht eine andere Vorschrift. Jeder Empfänger darf nur maximal drei Päckchen bekommen, die zusammen nicht mehr als 15 Kilo wiegen dürfen.

Deshalb hat er eine Liste mit Personen, an die nun je drei Pakete gehen, die von der Spedition zunächst an einen zentralen Ort in Lwiw gebracht werden. Dort müssen sie auf kleinere Fahrzeuge umverteilt und zu den Orten gebracht werden, die sie eigentlich erreichen sollen. Die meisten Pakete gehen nach Wysozk und Fedoriwka, die Dörfer, auf die sich der Verein besonders konzentriert hat.

Während der Corona-Pandemie und der damit einhergehenden Beschränkungen gingen die Spenden an den Verein stark zurück. Doch auch, wenn keine Kinder hierher geholt werden können, tut der Verein viel für die Menschen in der stark betroffenen Region. "Wir haben auch damit gerechnet, dass es eine Zeit lang nicht möglich sein würde, dass wir rüber fahren", sagt Dieter Wolf. Daher überließ er einigen seiner Helferinnen größere Geldbeträge. Damit können sie unbürokratisch helfen, wenn Notfälle eintreten. "Aber immer halten sie erst mit uns Rücksprache und handeln nur, wenn wir zustimmen."

Wenn alles klappt, erreicht der Lkw, der am 1. März startet, am 4. März Lwiw. Ein paar Tage später kommen die Päckchen in den Dörfern an. Am 30 Juli möchte Dieter Wolf mit einigen Helfern selbst wieder für zehn Tage vor Ort sein.

Bankverbindung Wer die Tschernobyl-Kinderhilfe unterstützen möchte, kann das mit einer Spende über folgende Bankverbindung tun: Sparkasse

Coburg-Lichtenfels

IBAN: DE68 7835 0000 0000 3735 55

BIC: BYLADEM1COB