Auf der Suche nach der Coburger Identität

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Christian Boseckert am Reiterdenkmal im Hofgarten. Mit der Person Herzog Ernst II. hat er sich 2018 zu dessen 200. Geburtstag eingehend befasst. (Die Patina ist einem Bildbearbeitungseffekt zu verdanken.)
Christian Boseckert am Reiterdenkmal im Hofgarten. Mit der Person Herzog Ernst II. hat er sich 2018 zu dessen 200. Geburtstag eingehend befasst. (Die Patina ist einem Bildbearbeitungseffekt zu verdanken.)
Simone Bastian
Heimatpfleger Christian Boseckert am Sockel des Reiterdenkmals im Coburger HofgartenFoto: Simone Bastian
Heimatpfleger Christian Boseckert am Sockel des Reiterdenkmals im Coburger HofgartenFoto: Simone Bastian
 

Was macht Coburg und die Coburger aus? Wie prägt die Stadt ihre Bürger? Ein Gespräch beim Spazierengehen im Hofgarten mit Stadtheimatpfleger Christian Boseckert.

Wer im Bürglaß aufwächst, hat Coburgs größten Spielplatz quasi vor der Tür. Mehr noch: Weil Christian Boseckert in den Kindergarten Park 3 ging, hatte er den kleinen Rosengarten und den Spielplatz daneben täglich vor Augen. Später spielte er im Hofgarten Fußball, machte als Achtjähriger nach einem Besuch in Neuschwanstein Burgen, Burgbesitzer und Geschichte zu seinem Hobby, studierte Geschichtswissenschaften (unter anderem in Darmstadt), machte den Doktor und ist seit 2020 Coburgs Stadtheimatpfleger. Als solcher bezog er Stellung zu der Frage, ob der Mohr im Stadtwappen bleiben soll (ja) und wie die Stadt mit der Hindenburgstraße umgehen sollte (eine Distanzierung wäre gut). Wer, wenn nicht er, sollte wissen, wie wichtig Heimat und Denkmäler für die Identität einer Stadt und ihrer Bewohner sind?

Herr Boseckert, was meinen Sie: Prägt einen die Heimat?

Die Heimat prägt in vielerlei Facetten. In erster Linie in der Mentalität, in den Bräuchen, die Vertrautheit der Umgebung. Familie spielt mit hinein. Typisch coburgerisch ist zum Beispiel, dass die Coburger an sich sehr zurückhaltend sind. Mit allem. Auch mit Festen und so weiter. Da muss man sie erst überzeugen. Und selbst dann sind sie nicht voll des Lobes, sondern sagen "des kammer gemach". Loben ist dem Coburger prinzipiell fremd. Wenn etwas gut geschmeckt hat, sagt er, "ja, kammer gegass." Nach dem Motto: "Hätte es net gschmeckt, hätt ichs a net aufgessn." Solche Antworten kriegt man dann schon mal.

Die Mentalität, die Bräuche - das sind die Menschen. Aber wie ist es mit dem Ort? Kann auch eine Stadt prägen?

Ich denke, man muss sich auch in einer Gegend wohlfühlen, wo man lebt, wo man wohnt. Man kann sich erst mit einer Stadt identifizieren, wenn man sich dort auch wohlfühlt. Da haben Sie in Coburg den großen Vorteil, dass Sie eine gewachsene Innenstadt haben, die durch den Krieg wenig zerstört worden ist. In Darmstadt dagegen gab es großflächige Zerstörungen, da musste nach 1945 viel wiederaufgebaut werden, da kommt keine heimelige Atmosphäre auf. Aus meiner Sicht war das Ganze dort immer sehr kühl. Es kommt daher auf das Gesamtbild einer Stadt an. Da spielen einzelne Denkmäler weniger eine Rolle.

Wo finde ich denn in Coburg die Coburger Identität? Wo ist Coburg Coburg?

Da gibt es auch mehrere Facetten. Das ursprünglichste Coburg finden Sie auf dem Wochenmarkt. Eine andere Facette ist natürlich der Schlossplatz, da haben Sie diesen herzoglichen Aspekt mit drin, der hier immer noch eine gewisse Rolle spielt. Dann haben Sie den Aspekt des Kulinarischen, angefangen von der Bratwurst bis zu den Schmätzchen, und Sie haben die Symbole, die die Stadt repräsentieren: die Veste als Landmarke, und eben auch der Heilige Mauritius als Stadtwappen.

Den Albert, das Albert-Denkmal auf dem Marktplatz, haben Sie jetzt gar nicht erwähnt?

Der gehört für mich in diese herzogliche Repräsentation. Der Marktplatz an sich ist eher bürgerlich geprägt. Dort steht das Rathaus, aber es gab seit Casimirs Zeiten den Versuch, auch den Marktplatz in die herrschaftliche Repräsentation mit einzubinden, mit dem Stadthaus. Heute ist dieser Platz eine Kombination aus beidem. Der Albert ist der Mittelpunkt des Ganzen, und wenn man sich die Geschichte des Denkmals anschaut, dann passt das auch: Im Endeffekt ist dieses Denkmal von der Bürgerschaft gestiftet worden. Die Queen hat dann die Statue finanziert, und Ernst II. blieb nichts anderes übrig, als eben den Metallzaun außenherum zu spenden.

Hieß es nicht erst, das Albert-Denkmal solle auf den Albertsplatz, und die Queen persönlich habe auf dem Standort Marktplatz bestanden?

Ja, weil sie eben auch wusste, dass der Marktplatz sehr repräsentativ ist. Sie haben auf dem Mittelpunkt des Marktplatzes die stärkste symbolische Ausstrahlung. Da kann ein Denkmal wirken. Denkmäler sind immer zentral platziert: Hier am Schlossplatz die Statue Ernst I., oben das Reiterdenkmal Ernst II., auch zentral gelegen. Das Josiasdenkmal ist 2008 verschoben worden, da sieht man es nicht mehr, aber das stand auch ursprünglich zentral auf dem Theaterplatz. Denkmäler werden dort aufgestellt, wo sie am stärksten wirken. Das wäre beim Denkmal für Prinz Albert auf dem Albertsplatz auch so gewesen, allerdings dort auf einem Nebenplatz und nicht auf dem zentral gelegenen Marktplatz.

Sie haben aber jetzt, abgesehen vom Wochenmarkt, hauptsächlich das herzogliche Coburg beschrieben.

Ja, das herzogliche Coburg ist das, was stärker wirkt, was den Unterschied zu anderen Städten ausmacht. Hier finden wir eben diese Konzentration Schloss, Schlossplatz, Hofgarten, Veste natürlich, und einige Stellen in der Innenstadt, wo die herzogliche Macht zu sehen ist. Die Geschichtsforschung hat sich ja lange nur mit dem herzoglichen Coburg beschäftigt und das bürgerliche außen vor gelassen, weil das nicht forschenswert erschien. Damit hat sie auch ein Bild erzeugt. Das hat sich aber jetzt auch geändert. Von meiner Forschungswarte her haben wir es mit einem städtischen System zu tun, wo die Bürger eine Rolle spielen, die Kommunalpolitiker, aber auch der Fürst und seine Ministerien. Das schlägt sich auch im Stadtbild nieder.

Es ist also nicht verkehrt, die Coburger als "Residenzler" zu bezeichnen?

Dieser Begriff wird ja vor allem von Nicht-Coburgern verwendet, und nicht gerade positiv. Ich würde es neutraler formulieren. Die Inszenierung herzoglicher Macht besaß und besitzt eine Wirkung auf die Identität der Stadtbevölkerung. Das ist unbestreitbar. Allerdings ist heute Coburg mehr, nicht nur ehemalige Residenzstadt, sondern eine Hochschulstadt, und durch Samba eine weltoffene Stadt. Es ist meiner Ansicht nach falsch, das Coburger Wesen nur auf die Residenz zu beschränken.

Das Gespräch führte

Simone Bastian.