"Nehmen das ernst": Fränkische Mohren-Apotheke verbannt umstrittene Köpfe - nach etlichen Anfeindungen

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Bayreuther Mohren-Apotheke verbannt umstrittene Köpfe - nach vielen Anfeindungen
Ein Bild aus vergangenen Tagen: An der Glasfront der Bayreuther Mohren-Apotheke sind mittlerweile keine Darstellungen von "Mohren" mehr zu sehen.
Bayreuther Mohren-Apotheke
Mohren-Apotheke Bayreuth
Bayreuther Mohren-Apotheke verbannt umstrittene Köpfe - nach vielen Anfeindungen
Die Bayreuther Mohren-Apotheke wurde im Jahr 1610 gegründet. "2009 haben wir sie übernommen", erklärt Inhaber Andreas Paul.
Bayreuther Mohren-Apotheke
Mohren-Apotheke Bayreuth
Bayreuther Mohren-Apotheke verbannt umstrittene Köpfe - nach vielen Anfeindungen
Die umstrittenen Plastiken sind verschwunden. Am Namen "Mohren-Apotheke" will Paul aber auf jeden Fall festhalten.
Bayreuther Mohren-Apotheke
Mohren-Apotheke Bayreuth

Nach rund 70 Jahren sind in der Bayreuther Mohren-Apotheke umstrittene Skulpturen aus den Schaufenstern verschwunden. "Das Ganze ist immer wieder hochgekocht im Stadtbild", schildert der Inhaber. Er berichtet von jahrelangen Anfeindungen.

Das Thema liefert regelmäßig Zündstoff: Gegen Betreiber von "Mohren-Apotheken" werden immer Rassismusvorwürfe laut. In der Kritik stehen neben dem Namen auch die entsprechenden Wappen an den Hausfassaden. Vor allem die Kombination wird als diskriminierendes Relikt aus Kolonialzeiten aufgefasst. Aus diesem Grund wird nicht selten eine Umbenennung der jeweiligen Apotheke gefordert. Auch die Mohren-Apotheke in der Bayreuther Innenstadt wurde wiederkehrend Gegenstand der hitzigen Debatte. In den vergangenen Jahren sei man Ziel von "mehr oder minder freundlichen Aktionen" geworden, berichtet Inhaber Andreas Paul im Gespräch mit inFranken.de.

"Das reicht hin bis zur Sachbeschädigung." Ihre Ablehnung drückten nicht wenige demnach auch in Google-Bewertungen oder Social-Media-Posts aus. "Das war teils wirklich unflätig und hat nicht zur Sache beigetragen", sagt Paul. "Auf Facebook haben wird dann irgendwann die Kommentarfunktion gesperrt." Über viele Jahrzehnte prägten Mohr-Figuren die Schaufenster des Geschäfts, doch die Objekte wurden inzwischen entfernt. "Wir versuchen, alles entsprechend aufzuarbeiten", sagt Paul. An einem will der Apotheker aber auf jeden Fall festhalten.

Mohren-Apotheke in Bayreuth: Inhaber entfernt Kopf-Plastiken aus Glasfront - "immer wieder hochgekocht"

Beim Begriff "Mohr" handelt es sich um eine veraltete deutschsprachige Bezeichnung für Menschen mit dunkler Hautfarbe. Laut Duden gilt der Begriff heute als diskriminierend. In Bezug auf Straßen- oder Gebäudenamen lag bei der jeweiligen Namensgebung vor langer Zeit vermutlich in der Regel keine rassistische Motivation vor. Manche sehen in den Bezeichnungen und Logos eine seit dem Mittelalter gezeigte Wertschätzung gegenüber Heilkundigen und Arznei aus fernen Ländern. Nach dieser Lesart repräsentiert der Mohr etwa die Heilkunst der aus Nordafrika stammenden Mauren.

Die Bayreuther Mohren-Apotheke wurde im Jahr 1610 gegründet. "2009 haben wir sie übernommen", erklärt Andreas Paul. Ab 2012 seien die Verantwortlichen zunehmend Opfer von Anfeindungen geworden. Nicht zuletzt durch globale Bewegungen wie #MeToo (im Zuge des Weinstein-Skandals) und Black Lives Matter (nach der Tötung des Afroamerikaners George Floyd) sei das Thema "Mohr" womöglich auch in Bayreuth kritischer in Augenschein genommen. "Das Ganze ist immer wieder hochgekocht im Stadtbild", erzählt der Apotheker. Ob Wirtshaus, Faschingsverein oder Apotheke - der umstrittene Begriff ist in der oberfränkischen Stadt durchaus präsent. "In unserer kleinen Stadt gibt es viele 'Mohren' in den Namen", hält Paul fest.

Im Fall vieler "Mohren-Apotheken" in Deutschland kommen die jeweiligen Firmenlogos hinzu. Viele von ihnen beinhalten schwarze Kopf- oder Ganzkörper-Silhouetten. Auch den Fensterbögen der Bayreuther Mohren-Apotheke waren lange Zeit Plastiken von schwarzen Köpfen zu sehen. "Die Skulpturen waren dort seit den 1950er-Jahren angebracht, soweit ich weiß." Bis die Inhaber im vergangenen Jahr schließlich entschieden, sie aus der Glasfront zu verbannen. "Die Skulpturen waren deutlich überstilisierend", sagt Paul. Wie er mittlerweile erfahren habe, wurden die Werke von einem Künstler zur Zeit des Nationalsozialismus kreiert. "Seitdem konnte ich der Sache nicht mehr neutral gegenüberstehen", betont der Apotheker. Bayreuth, "die Stadt von Wagner und Hitler" habe schließlich eine "braune Vergangenheit".

"Nehmen das alles ernst": Abnahme von Mohren-Plastiken nach reiflicher Überlegung - Name bleibt

Eine Rolle spielte offenkundig auch die schwarze Community in der rund 75.000 Einwohnern umfassenden Stadt. "Durch die Uni Bayreuth mit ihrem Lehrstuhl für Afrikastudien haben wir viele schwarze Studenten und Professoren vor Ort." Auch sie sollen sich in der Apotheke Paul zufolge willkommen fühlen. "Unsere Grundidee ist: Alle Kunden sind gleich", erläutert er. Nach Gesprächen mit dem Denkmalamt und der Erbengemeinschaft des markanten historischen Gebäudes am Bayreuther Marktplatz sei letztlich der Entschluss gefallen, die Mohren-Plastiken abzumontieren.

Die Objekte seien von ihren Eigentümern, der Erbengemeinschaft, archiviert worden. Die Abnahme der Mohren-Plastiken sei derweil nach reiflicher Überlegung geschehen. "Wir nehmen das alles ernst. Wir haben uns viele Jahre Zeit genommen", so Paul. Die Verantwortlichen versuchen demnach, das komplexe Thema so gut wie möglich aufzuarbeiten. Im Netz habe die Apotheke für die Entfernung der Figuren mehrfach Lob erhalten. "Manche haben zum Beispiel geschrieben: 'Prima, dass ihr das gemacht habt'", berichtet der Geschäftsführer. 

Am Namen "Mohren-Apotheke" will Paul dagegen auf jeden Fall festhalten. "Das Haus ist eine Spezialität. Das Einzelgebäude steht so im Denkmalatlas", erklärt Paul mit Blick auf die imposante Immobilie in der Bayreuther Innenstadt. "Viele Bayreuther kennen die Apotheke einfach nur als Mohren-Apotheke." Der Geschäftsname habe auch in Zukunft Bestand. "Wir haben die Apotheke unter diesem Namen gekauft." Und daran solle sich auch nichts ändern, betont Andreas Paul.

In Bamberg haben Schmierereien am dortigen Mohren-Haus den Antisemitismus-Beauftragten der Stadt alarmiert. Der Experte sah eine "bedenkliche Parallele zur NS-Zeit". Weitere Nachrichten aus Bayreuth gibt es in unserem Lokalressort.