Zweikampf der Giganten im Brentano-Theater

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Hans Otto Holzapfel übernimmt die Rolle des Dichterfürsten. Martin Neubauer mimt auf der Bühne Heinrich von Kleist. Foto: Michael Gründel
Hans Otto Holzapfel übernimmt die Rolle des Dichterfürsten. Martin Neubauer mimt auf der Bühne Heinrich von Kleist.   Foto: Michael Gründel

"Johann Wolfgang von Goethe trifft Heinrich von Kleist": Das neue Programm des Brentano-Theaters zeigt die Wortgefechte zweier Dichter, die sich mit anderen Waffen glücklicherweise nur beinahe duellierten.

Er sehnte sich nach Ruhm ("das größte der Güter der Erde"), der ihm zu Lebzeiten versagt blieb. "Ich passe nicht unter die Menschen", klagte Heinrich von Kleist. Und nahm sich an einem kalten Herbsttag vor 101 Jahren am Kleinen Wannsee das Leben: Mit 34 suchte der Lyriker, Erzähler, Dramatiker und Publizist den Tod und fand Unsterblichkeit.

Schließlich wurde der Außenseiter des Literaturbetriebs seiner Zeit zum Wegbereiter der Moderne. Während Johann Wolfgang von Goethe mit 25 Jahren schon gefeiert wurde, nachdem er in "Die Leiden des jungen Werthers" eine der berühmtesten Selbstmord-Szenen schrieb. Und diese beiden so widersprüchlichen Poeten, die Glück und Unglück großer Dichter und Denker spiegeln, stellt das Brentano-Theater in seinem neuen Programm gegenüber: "Zwei Giganten prallen aufeinander", bringt es Martin Neubauer auf den Punkt.

Ab Freitag im Rampenlicht


Zwei große Literaten treten ab 5. Oktober also ins Rampenlicht, die als schwierige und egozentrische Charaktere galten. Eine Gemeinsamkeit unter vielen Widersprüchlichkeiten. "Diese Beziehung konnte nicht gut gehen", meint Neubauer. So hätte Goethe mit seinem "Werther" alle suizidalen Versuchungen überwunden, woraufhin ihn Kleist fatal an die eigenen Jugendnöte erinnerte.

"Entsprechend heftig ist der Aufschlag, wenn der Weimarer Dichterfürst und Fürstendichter den grüblerischen Kleist im doppelten Wortsinn trifft." Offen kritisierte er ja auch in den Werken des jungen Autors eine "Contorsion", also Verrenkung, ja "Verwirrung des Gefühls", wie sie der gesetzte Konkurrent längst hinter sich gebracht hatte.

Eine kostbare Erinnerung


"Eine kostbare persönliche Erinnerung ist für mich, dass ich dieses Programm zusammen mit dem mittlerweile verstorbenen Jahrhundertsänger Dietrich Fischer-Dieskau für die Stiftung Weimarer Klassik erarbeiten durfte", sagt Neubauer. Gleichsam in memoriam schlüpft am Brentano-Theater nun der Erzähler und Schauspieler Hans Otto Holzapfel in die Rolle des Klassikers. "Während Tilmann Jens Goethe als ,zu jeder sozialen Bindung unfähig' beschrieb, sucht ihn sein Darsteller zu begreifen und somit menschlicher darzustellen." Holzapfel zeigt das Genie als Mann, der aus eigener Not einen Bogen um die machte, die ihm psychisch gefährlich werden konnten. Wie auf gewisse Weise Kleist, dessen Texte er auch einmal als "bedeutendes, aber unerfreuliches Meteor eines neuen Literatur-Himmels" beschrieb.

Seit Wochen lebt der Erzähler, der am Brentano-Theater schon in so viele Rollen schlüpfte, als glühender Goethe-Verehrer nun also in der Welt des Dichterfürsten. In der Welt großer Texte, denen er auf der Bühne Leben einzuhauchen sucht. Während sich Neubauer als Freund der Romantiker in Kleists "genial vertrackte" Sprache einarbeitete. Ein weiteres Spannungsfeld, das sich dem Publikum beim "Zweikampf der Giganten" eröffnet.
Als fatal hatte sich ja auch die Zusammenarbeit der beiden Dichter bei der Uraufführung von Kleists Lustspiel "Der zerbrochene Krug" erwiesen. 1808 am Weimarer Hoftheater unter der Leitung Goethes gezeigt, wurde das Werk gnadenlos ausgepfiffen. Obgleich der Regisseur dem Stück "außerordentliche Verdienste" zusprach, lehnte es das Publikum als zu langatmig und sperrig ab.

"Die Wahrheit ist, dass mir auf Erden nicht zu helfen war."


Lag's daran, dass Goethe Kleists Geniestreich in drei Akte splittete und auf diese Weise ins Aus dirigierte? "Kleist tobte, er wollte eine Duellforderung nach Weimar schicken", berichtet Neubauer. Beließ es dann aber doch offenbar bei gehässigen Versen gegen den berühmten Kollegen. "Woraufhin Goethe von ,Abscheu' und ,Lazarettliteratur' sprach."

Auf diese Weise verbindet sich große Literatur mit einem Konflikt, der glücklicherweise nicht zum Waffenduell führte. "Der Kampf um den Lorbeerkranz ruft Torquato Tasso und den Prinzen von Homburg auf den kleinen Erker des Brentano-Theaters. Der griechische Held Achilles spricht mal mit Goethes, mal mit Kleists gewaltigen Worten", so Neubauer. Ja, Heiteres und Bitteres rankt sich um die Aufführung des "zerbrochnen Krugs". Wobei Kleists Schicksal als zeitgenössischer Bühnenautor nach der verheerenden Resonanz auf sein Lustspiel auf Goethes Reformbühne weitgehend besiegelt war.

Nur drei Jahre später wählte der Dichter den Freitod. Und schrieb an seine Halbschwester Ulrike den berühmten Satz: "Die Wahrheit ist, dass mir auf Erden nicht zu helfen war."

Zum Programm "Der Zweikampf - Goethe trifft Kleist" wird am Brentano-Theater
(Gartenstraße 7) von Hans Otto Holzapfel und Martin Neubauer gezeigt

Vorstellungen Der Premiere am Freitag, 5. Oktober, 20 Uhr, folgen weitere Vorstellungen am Sonntag, 7. Oktober, 17 Uhr; Donnerstag, 11.Oktober, 20 Uhr; Freitag, 12. Oktober, 20 Uhr; Freitag, 26. Oktober, 20 Uhr, und Sonntag, 28. Oktober, 17 Uhr.

Tickets Plätze können im Vorfeld am Brentano-Theater unter der Telefonnummer 0951/54528 reserviert werden.