Warum neun Franken ihre eigene Mini-Welt erschaffen und weshalb "Locken" überhaupt keine haarige Angelegenheit sind.
Zwei Männer haben ihr Chevrolet am Straßenrand geparkt und sind ausgestiegen. Jetzt stehen sie nebeneinander am Graben - und pinkeln. Im nahen Wäldchen ist eine Treibjagd in vollem Gang: Jäger und Hunde sind in heller Aufregung. Aus der Tür des Fachwerk-Gasthauses im Dorf winkt eine lachende Frau im roten Kleid. Es ist die Momentaufnahme des Lebens in einem Bergdorf, durch das ein munteres Bächlein fließt, Eisenbahnschienen und Straßen sich kreuzen. Alles ist 160-mal kleiner als in Wirklichkeit. Peter Fischer aus Thüngfeld am Drei-Franken-Eck hat diese "Welt in Klein" gestaltet. Mit Styrodur, Abtönfarbe, Holz, Leim, Modellierwerkzeug, Schrauben, mit viel Fantasie, Geduld und Liebe.
Der 63-jährige Natursteinleger ist direkt neben der Bahnstrecke Schlüsselfeld-Bamberg aufgewachsen. In seinem Beruf hat er eher mit schweren Brocken zu tun - vielleicht befasst er sich auch deshalb in seiner Freizeit gern mit dem Gegenteil: mit leichten, beweglichen Bahn-Miniaturen. Fünf Jahre lang hat er an der filigranen Szenerie gebaut, an Felsen unter blauem Himmel, an Häusern und Geschäften, Straßen, Gebüsch, Baumgruppen, Feldern, Schienen, Signalanlagen und allerhand anderen Eisenbahn-Untensilien. Er hat heimlich abends und am Wochenende gewerkelt, denn er wollte seine Modellbau-Freunde überraschen. "Das ist ihm richtig gut gelungen, wir waren alle restlos begeistert", erzählt Bernd Deinlein. Wie Peter Fischer gehört der 48-jährige Kupferschmied zu den neun Mitgliedern der "Modell- und Lokalbahnfreunde Reicher Ebrachgrund".
Wenn schon die Modelleisenbahn-Freaks hin und weg sind, ist es ja kein Wunder, dass der Laie minutenlang schaut und staunt: Da stehen winzige, knapp einen Zentimeter große Fotografen am Rand der Bahnstrecke und blitzen die historische Dampflok mit ihren Mikrokameras an, sobald sie vorbeizischt. Die Straßenschranke hinterm Andreaskreuz geht automatisch zu, wenn sich ein Zug nähert. Und während die Waggons am Miniatur-Königssee vorbeirattern, ertönt das traditionelle Trompetenspiel. Inklusive Echo.
Planen, Palavern, Bauen
Wenn sie etwas machen, dann machen sie's richtig, die fränkischen Modellbauer. In Thüngfeld bei Schlüsselfeld treffen sie sich immer freitags zum Planen, Palavern und Bauen. "Im Vereinsheim Peter", sagt Bernd Deinlein grinsend; tatsächlich gleicht das Untergeschoss von Peter Fischers Wohnhaus einem Abenteuerland für Modellbau-Fans. Realitätsgetreue Landschaften mit ausgeklügelten Elektroschaltungen zeugen von handwerklichem und elektronischem Geschick. "Ach, des is doch nur a Motor. Und a Welle, a bissle löten und a paar Hebeli", winkt Fischer ab. Understatement auf Oberfränkisch.
Dann gibt der 63-Jährige zu, was ohnehin jeder sieht: Mit "ein bisschen Eisenbahn spielen" hat das nichts mehr zu tun. Gegenüber von Peter Fischers neuer Heimbahn, für die er eigens ein exakt passendes Bergpanorama als Hintergrundkulisse hat drucken lassen, stehen aufeinandergestapelt seltsame Holzkisten. Zehn Stück, je gut zwei Meter lang und etwa einen halben Meter tief. Was da wohl drin ist?
Peter Fischer und Bernd Deinlein h
eben den Deckel der obersten Kiste an. Zum Vorschein kommt ein Stück Bahnstrecke, das es genau so auch "in Groß" gibt. "Beim Blick auf ein Foto der Bahnstrecke Frensdorf-Schlüsselfeld ist uns 1997 die Idee gekommen, einen Teil dieser Strecke im Maßstab 1:87 nachzubauen", erzählt Fischer. Mit "uns" meint er sechs Männer aus der Umgebung, die im Jahr zuvor die Hobby-Modellbau-Gemeinschaft gegründet hatten. Bernd Deinlein deutet in die Holzkiste ergänzt: "Das, was man hier sieht, ist quasi ein Teil von einem Riesenpuzzle."