Arbeitnehmer mit Behinderung haben es schwer auf dem Arbeitsmarkt. Ursache dafür sind nach wie vor herrschende Vorurteile seitens vieler Arbeitgeber. Ein Betroffener äußert sich.
Thomas G. ist jung. Sportlich gekleidet, mit Brille und kurzen Haaren. Ein ruhiger Mensch, zurückhaltend. Er lächelt, wenn er von seiner Arbeit spricht, gestikuliert. Es ist nicht zu übersehen, dass der junge Mann seinen Beruf mit Freude ausübt. Daran ändert auch seine Epilepsie nichts.
Thomas G. arbeitet als sogenannter Springer in verschiedenen Kantinen, die von MV-Gastronomie betrieben werden. An verschiedenen Standorten rund um Bamberg erledigt er Hilfs- und Zuarbeiten für die Köche. Er gilt als schwerbehindert. Für seinen jetzigen Arbeitgeber spielt das keine Rolle. "Die Kollegen wissen über Thomas' Epilepsie Bescheid und kennen die Verhaltensregeln, die sie bei einem Anfall anzuwenden haben.
Ansonsten bringt er dieselbe Leistung, wie ein Arbeitnehmer ohne Behinderung", erklärt Maximilian Bönisch, einer der Ansprechpartner und Vorgesetzten von Thomas G..
Folgenschwere Diagnose Seinen ersten Anfall erlitt Thomas G. während seiner Ausbildung zum Beikoch. Eine Ursache konnte zunächst jedoch nicht festgestellt werden. Die endgültige Diagnose erhielt er im Juni 2013: Epilepsie. Spontane, wiederkehrende Krampfanfälle, die durch eine Funktionsstörung des Gehirns ausgelöst werden. Etwa ein Prozent der Bevölkerung lebt mit dem Anfallsleiden.
Für den jungen Beikoch hat die Erkrankung beruflich weitreichende Folgen. Er darf keine Arbeiten mehr verrichten, die sein gesundheitliches Wohl gefährden können, etwa Arbeiten an Herd, Fritteuse oder Aufschnittmaschinen. Auch nachts oder ohne Kollegen zu arbeiten, ist ihm nicht mehr erlaubt.
Seinem alten Arbeitgeber war das Risiko, einen Mitarbeiter mit Epilepsie zu beschäftigen, zu groß. Er beendete das Arbeitsverhältnis. Thomas G. stimmte zu.
Vorurteile seitens der Arbeitgeber sind das häufigste Problem für Menschen mit Behinderung, weiß Christian Kullick, Teamleiter im Bereich Rehabilitanden/Schwerbehinderte der Agentur für Arbeit Schweinfurt. "Unser Ziel ist es, Menschen mit Behinderung im 1. Arbeitsmarkt unterzubringen, wenn auch nur der Hauch einer Chance dafür besteht. An den Finanzen scheitert ein (Wieder-)Einstieg ins Berufsleben nie, aber es ist die Bereitschaft der Arbeitgeber vonnöten, sich auf Menschen mit Behinderung einzulassen."
Die Bundesagentur für Arbeit zählt neben der gesetzlichen Rentenversicherung, den Berufsgenossenschaften und den örtlichen Trägern der Sozialhilfe zu den größten Leistungsträgern für die berufliche Rehabilitation.
Auch Thomas G. wandte sich nach seiner Diagnose an die Agentur für Arbeit und nahm am Individuellen Dienstleistungsangebot für Rehabilitanden der Beruflichen Fortbildungszentren der Bayerischen Wirtschaft (bfz) teil.
Auch dort kennt man die Vorurteilsproblematik. "Viele Arbeitgeber haben im Kopf, dass behinderte Arbeitnehmer oft krank sind und häufig ausfallen. Allerdings stellen wir in den letzten Jahren eine Besserung bezüglich solcher Haltungen fest", erklärt Yasemin Stussig, Diplompsychologin und Betreuerin von Thomas G. beim bfz.
Die immer noch vorherrschende negative Haltung seitens der Arbeitgeber hat dennoch Auswirkungen: "Die Erfolgsquote bei der Vermittlung von Menschen mit Behinderung ist nicht so hoch wie erhofft, ganz unabhängig von der Konjunkturlage", weiß Peter Schönfelder, Pressesprecher der Agentur für Arbeit Schweinfurt, aus erster Hand.
Rechtliche
Grundlagen Dabei gibt es eine Reihe gesetzlicher Regelungen, die dem Schutz von Menschen mit Behinderung dienen. Vorrangig ist hier das Neunte Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) zu nennen, das durch spezifische Rechtsgrundlagen der jeweiligen Leistungsträger ergänzt wird. Nach § 7 SGB IX sind Arbeitgeber, die mindestens 20 Arbeitnehmer beschäftigen, dazu verpflichtet, fünf Prozent der Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Erwerbstätigen zu besetzen. Kommt ein Arbeitgeber dem nicht nach, muss er pro unbesetztem Pflichtarbeitsplatz eine monatliche Ausgleichsabgabe entrichten. Die Höhe der Abgabe richtet sich dabei nach der jahresdurchschnittlichen Beschäftigungsquote und bewegt sich im unteren dreistelligen Bereich.
Thomas G. hat 35 Bewerbungen geschrieben und nur Absagen erhalten. Wenn er nach dem Grund fragte, wurde er oft abgewimmelt. Schließlich bewarb er sich bei MV-Gastronomie und erhielt eine Chance.
Nach einem sechswöchigen Praktikum wurde er eingestellt. "Der einzige Grund einen behinderten Menschen nicht zu beschäftigen, ist dessen Nichteignung für das spezifische Berufsfeld", so Bönisch. ,,Man sollte nicht vergessen, dass eine Behinderung jeden Menschen treffen kann."
Thomas G. ist froh, einen Arbeitsplatz gefunden zu haben. Sein Wunsch: "Dass man jeden Menschen so nimmt, wie er ist und Menschen mit Behinderung eine gleichberechtigte Behandlung erfahren. Ich kann genauso arbeiten, wie jeder andere auch."