Seit 27 Jahren betreibt Brigitte Döll den Laden in Bambergs Ottostraße. Sie will in den Ruhestand gehen und fürchtet, keinen Nachfolger zu finden.
Ein Zweijähriger tapst mit einer Scheibe Gelbwurst in der Hand durch die Gänge. "Viele, die ich noch im Kinderwagen gesehen habe, haben jetzt selbst schon Kinder", sagt Brigitte Döll und tätschelt den Jungen an der Schulter. Eine Frau mit Rollator steht beim Obst und überlegt, welche Taste sie an der Waage betätigen muss. "Nektarinen sind die Nummer 12", klärt Brigitte Döll die Seniorin auf, fragt nach deren Befinden und ist kurz darauf schon bei der nächsten Kundin. Es ist durchaus was los, im "Nah und Gut" in der Ottostraße, aber kaum einer schiebt einen Einkaufswagen.
"Ich habe vielleicht noch eine Handvoll Kunden, die ihre Großeinkäufe bei mir machen, viele andere kaufen nur ein paar Artikel, die sie woanders vergessen haben", sagt die 64-Jährige. Sie meint, es sei bald an der Zeit, in den Ruhestand zu gehen. Die Nachfolgersuche ist jedoch schwierig, weil potenziellen Bewerbern der Umsatz zu niedrig und die nötigen Investitionen zu hoch sind. Zwar kommen jeden Tag 420 bis 450 Kunden, aber die kaufen im Schnitt nur für gut 7,50 Euro ein. "Am Samstag war's erst wieder so: Zwei Kassen besetzt, aber fast jeder konnte seine Einkäufe in einer Hand tragen." Bei höheren Umsätzen fände sich leichter ein Nachfolger, so Dölls Hoffnung. Und der Einkaufsmarkt bliebe den Kunden und auch ihren elf Mitarbeiterinnen erhalten.
Vor 27 Jahren hat sie den Einkaufsmarkt übernommen, viel Geld und noch mehr Zeit hineingesteckt und ihr Geschäft 2007 schon einmal aus einer ganz schwierigen Phase herausmanövrieren können. "Ich will mich nicht einfach davonstehlen, so einen Laden darf man doch nicht aufgeben", sagt Brigitte Döll.
Konkurrenzlos im Haingebiet
In ihrem Markt stehen auf 400 Quadratmetern Verkaufsfläche die Regale dicht bepackt. "Bei mir kriegt man alles, was man für den Alltag braucht. 38 Sorten Marmelade, 35 Sorten Öl, wer da nichts findet...", sagt Brigitte Döll. Jedes Produkt ist einzeln ausgezeichnet, das Kilo Kartoffeln kostet 1,99 Euro, die Halbliter-Flasche Heinz-Ketchup 2,79 Euro - die Kauffrau richte sich nach den Edeka-Preisen, wie sie in allen Märkten gelten.
Als einige langjährige Kunden hören, wie Brigitte Döll über die ungewisse Zukunft spricht, sind sie ehrlich besorgt. "Wenn es den Laden nicht mehr gäbe, wäre das ein unglaublicher Verlust", sagt Sonnwill Lucke. "Sowas gibt's ja sonst nirgends." Ein sportlicher 66-Jähriger betont, wie wichtig der Laden gerade für viele ältere Menschen sei. "Ich kaufe regelmäßig hier ein", sagt Siegfried Kropf, der seit sechs Jahren im Kaipershof lebt. "Wenn Frau Döll einmal aufhört, müsste den Laden jemand übernehmen, der auch so ein Herz hat wie sie."
Bis heute ist der Laden konkurrenzlos im Haingebiet, man trifft hier junge Familien und viele Senioren. "Was sollen die machen, wenn es hier kein Geschäft mehr gibt? Ich kenne sie ja alle", sagt Döll. Der tägliche Gang in den Markt sei für manche die einzige Gelegenheit, mit anderen ins Gespräch zu kommen.
"Wir lachen hier miteinander, und wir weinen auch miteinander, wenn jemand gestorben ist", sagt die 64-Jährige. Wenn es ihren Laden einmal nicht mehr gibt, müssten ihre Kunden zumindest bis zur Langen Straße. Aber auch 800 Meter können eine lange Strecke sein, wenn man nicht mehr gut zu Fuß ist.