Er erkennt alle Vögel an ihren Rufen: Philipp Herrmann bietet per WhatsApp Erkennungshilfe - kostenlos. Eine fränkische Familie hat es ausprobiert.
"Seid halt mal leise!" Noah klingt leicht genervt. "Ruuuhe!" Der 15-Jährige zückt sein Smartphone. Nicht, weil er ganz dringend zocken will, im Gegenteil: Noah möchte die Realität einfangen. Er will eine fremde Stimme aufnehmen, die gerade in Nachbars Garten zwitschert. Noahs Schwester Sophie (9) hält sich die Hand vor den Mund. Wenig später darf sie wieder reden: Noah hat den Ruf gespeichert. Er sendet ihn nun als Voicemail an einen Mann, der sämtliche heimischen Vogelstimmen aus dem Effeff benennen kann - und sein Wissen gerne teilt: Philipp Herrmann, genannt Vogelphilipp.
Es dauert nicht lange, da ploppt auf Noahs Handy die Antwort auf: "Auf der Aufnahme ist ein Wendehals zu hören. Das ist ein sehr seltener Vogel, vom Aussterben bedroht."
Noah und seine Familie - Schwester Sophie, Mama Andrea und Papa Andreas Fröba - sind beeindruckt. Die Fröbas wohnen in Erlangen-Büchenbach. "In einem Naturparadies", sagt Andrea Fröba. Die 45-jährige Erzieherin ist im Kreis Kronach aufgewachsen, in Buchbach bei Steinbach am Wald. Ihr Mann stammt auch von dort. Ihre Naturverbundenheit haben die beiden Oberfranken mit nach Mittelfranken genommen. Und offenbar vererbt.
Sobald die Hausaufgaben erledigt sind, zieht es Mama und Kinder hinaus. Am Wochenende ist bei den Naturerlebnis-Touren auch der Papa dabei, der sonst arbeiten muss. Schon immer haben die Fröbas gern den Vogelstimmen gelauscht. "Aber das Gezwitscher lief halt nebenbei ab", sagt Noah. Andrea Fröba ergänzt: "Vogelstimmen zuzuordnen, war schwer. Erst durch den Vogelphilipp ist es ganz einfach geworden." Sophie findet: "Das macht richtig Spaß und ist total spannend!"
Gezwitscher im Ohr, Katze im Arm
Noah war es, der als Erster vom Vogelphilipp hörte, in einer Radiosendung des Bayerischen Rundfunks. "Ich hab' mir Philipps Nummer im Handy eingespeichert." Seither ist der Vogelexperte aus Landshut bei allen Erkundungstouren der Fröbas quasi live dabei - in Noahs Hosentasche. Bei Bedarf holt der junge Mann von dort sein Handy ans Tageslicht - und schon erhält Herrmann eine neue Voicemail.
Insgesamt gut 100 solcher Aufnahmen bekommt der Ornithologe derzeit täglich geschickt. "Vom Kind bis zur Omi, alle senden mir Nachrichten. Mich freut das Interesse riesig und es macht mir großen Spaß zu antworten", berichtet der 38-Jährige. Er hatte schon als Kind ein Faible für Vögel entwickelt. "Schuld daran sind meine Oma und mein Opa. Die haben mir, als ich elf war, ein Vogelkundebuch mitsamt CD geschenkt", erinnert sich der Landshuter. "Die Vogelstimmen-CD hab' ich rauf und runter gehört. Am liebsten zum Einschlafen - mit der Katze im Arm..."
Was der vierbeinige Vogeljäger wohl gedacht hat, als er all die vermeintlichen Leckerbissen zwitschern und tirilieren hörte? Sicher ist nur: Sein zweibeiniger Freund Philipp Herrmann wurde zum Vogelexperten. Seit 20 Jahren lädt er immer wieder zu Vogelführungen ein. 2016 probierte er etwas Neues aus: Er malte ein Schild "Kostenlose Vogelstimmen-Erkennung", schrieb seine Handynummer drauf und stellte es im Park auf. Tatsächlich schickten ihm einige Leute aufgenommene Vogelstimmen. "Das waren Laien, die sich sonst nicht für Ornithologie interessierten." Herrmann merkte erfreut: "So kann ich ganz normale Leute erreichen."