Neuer Antrieb für die Brennstoffzelle

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Roland Kaisik
Roland Kaisik
 

Der mit umweltfreundlichem Wasserstoff betriebene Energiewandler gilt schon lange als Technik der Zukunft. Allein der Durchbruch lässt auf sich warten. Erlanger Forscher sind jetzt nahe dran. Ihr Wundermittel dazu heißt Carbazol.

Ob Roland Kaisik jetzt endlich den Nerv der Zeit getroffen hat? Der Bamberger, von Beruf Zahnarzt, hat eine Vision. Schon lange. Er will Brennstoffzelle und Wasserstofftechnik als Energiequelle der Zukunft in Franken voranbringen. Seit mehr als zehn Jahren versucht er das, hat eine eigene Internetseite zum Thema konzipiert, Kontakte zu Forschern und Wirtschaftsunternehmen hergestellt, ist auf Politiker in seiner Heimatstadt zugegangen. Ohne nennenswerten Erfolg. Zwar gab es vielversprechende Informationsveranstaltungen. Aber danach verlief alles im Sande. "Politiker stellen sich gerne vor aussichtsreiche Projekte, sind aber nicht bereit dazu, den nötigen langen Weg mitzugehen", berichtet der 50-Jährige. Auch die Industrie tue sich schwer mit langwierigen Projekten.
Kaisik war frustriert. "Ich konnte nicht verstehen, dass eine verheißungsvolle Technik nicht vorwärts kommt." Doch der Zahnarzt gab sein "Hobby" nicht auf. Das Thema war ihm zu wichtig. Dann kamen Fukushima und die Energiewende. Und für Kaisik steht mittlerweile fest: "Die Brennstoffzelle ist das fehlende Glied in der Kette der regenerativen Energiewirtschaft." Zwar werde es parallele Systeme geben, aber Wasserstoff und Brennstoffzelle würden eine Schlüsselposition einnehmen, meint Kaisik.
Forscher der Universität Erlangen sind gerade dabei, seine These zu untermauern. An der Brennstoffzelle basteln sie aber nicht. Denn die Idee dazu ist alt. Schon 1839 beschrieb der britische Physiker William Grove diese Wandlertechnik.
Chemische Reaktionsenergie aus Wasserstoff und Sauerstoff wird dabei in elektrischen Strom und Wärme gewandelt. Der Betrieb der Brennstoffzelle ist umweltschonend, weil als Endprodukte neben der nutzbaren elektrischen Energie lediglich Wasser und Wärme entstehen.
Das Forschungsteam um Wolfgang Arlt, Professor für Verfahrenstechnik an der Uni Erlangen, setzt ganz woanders an. Jede Photovoltaikanlage, jedes Windrad ist heute in der Lage, vor Ort Strom und damit mittels Elektrolyse Wasserstoff zu erzeugen - das "Brennmittel" für die Brennstoffzelle. Das Problem: Purer Wasserstoff lässt sich nicht so leicht speichern. Er entweicht, hat riesige Volumina und ist zudem wegen Explosionsgefahr ein Sicherheitsrisiko.
Arlt und seine Forschungsgruppe fanden die Lösung. Sie entdeckten eine Flüssigkeit, die Wasserstoff langfristig speichern kann. Der Stoff nennt sich N-Ethylcarbazol, kurz Carbazol. Bisher wird Carbazol kaum genutzt. "Es befindet sich als Farbstoff lediglich in der Lila-Verpackung von Milka-Schokolade", sagt Karsten Müller, Leiter der Energiegruppe an Arlts Lehrstuhl. Das Erlanger Forschungsprojekt läuft seit Anfang 2010. Der Vorschlag dazu kam einst von BMW, inzwischen sind auch Unternehmen wie MAN und Siemens im Boot. "Mit einem Mitarbeiter fing es an, dann hat man gesehen: Es besteht Potenzial", erzählt Müller. Carbazol lasse sich ohne größere Energieverluste und ohne spezielle Druckbehälter lagern. Dazu sei es anders als Wasserstoff nur schwer entflammbar, also kein Sicherheitsrisiko. "Carbazol ist der momentan vielversprechendste LOHC", sagt Müller. Die Abkürzung stehe für Liquid Organic Hydrogen Carriers, zu deutsch Wasserstoffträgermaterialien. Zeitgleich würden aber noch andere Stoffe getestet. Schon 2013 könnte es mit einer Pilotanlage klappen. Ein Carbazol-Tank im Keller oder Dachboden eines Hauses nimmt dann den mittels Sonnenenergie erzeugten Wasserstoff auf. Später wird dieser dann mit der Brennstoffzelle in Strom zurückverwandelt. Die bei diesem Prozess entstehende Abwärme kann zum Heizen des Gebäudes verwendet werden. "Carbazol ist imstande, den Bedarf am Ausbau der Netze stark zu verringern", prophezeit der 29-jährige Diplom-Ingenieur Müller. Eine weitere Anwendung könnte in Autos mit Brennstoffzellentechnik liegen. Bis dahin sei zwar noch ein weiter Weg. Aber denkbar sei es schon jetzt, dass Autofahrer eines Tages an die Tankstelle fahren und die Speicherflüssigkeit Carbazol tanken. Der Stoff verbrauche sich dabei nur unwesentlich. Momentan werde er zwar noch aus fossilen Materialien hergestellt, es gebe aber auch Wege, ihn künstlich herzustellen.
Zahnarzt Roland Kaisik schöpft derweil Hoffnung, dass der Brennstoffzelle in nächster Zeit der Durchbruch gelingt. Und er hat einen Traum: Seine Heimatstadt Bamberg soll Standort für die zweite solare Wasserstofftankstelle in Deutschland werden. Seit März gibt es so etwas in Freiburg. Längst hat Kaisik Kontakte dorthin geknüpft. "Es wäre ein Imagegewinn für ganz Franken", sagt er.