Nationalpark: Jetzt streitet der Spessart

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Am Freitag reist Ulrike Scharf in den Spessart, um dort die Stimmung pro oder contra Nationalpark auszuloten.

Der Spessart-Gipfel ruft, und Umweltministerin Ulrike Scharf kommt. Nein, sie wird am 10. Februar nicht den 586 Meter hohen Geiersberg unweit von Weibersbrunn, den höchsten Berg im Spessart erklimmen. Die CSU-Politikerin hat einen beschwerlicheren Weg vor sich. Sie will sondieren, was der Spessart von der Idee hält, hier einen Nationalpark einzurichten.

Als Ministerpräsident Horst Seehofer im Sommer 2016 das Ziel ausgab, dass in Bayern ein dritter Nationalpark entstehen soll, blieb man im Spessart zunächst gelassen, auch wenn der Naturpark mit der Rhön und dem Steigerwald zu den am besten geeigneten Gebieten zählt.

Man verließ sich wohl darauf, dass Seehofer seine Meinung bald wieder ändern wird. Denn bislang galt der CSU-Chef nicht als oberster Naturschützer des Freistaates, und im Steigerwald hat er sich klar auf die Seite der Nationalpark-Gegner gestellt. Diesmal gilt wohl der Grundsatz: ein Mann, ein Wort.

Erstmal hat Seehofer eine Frau damit beauftragt, sein Wort zu halten: Die Umweltministerin ist seit Monaten auf Nationalparksuche, hat eine eigene Internetplattform für das Projekt installiert (www.np3.bayxern.de) und betont, dass der neue Nationalpark keiner sein soll, der von oben verordnet wird. "Ich will die Bürger mitnehmen, ich will im Dialog zu einem Konsens kommen", sagt die Inhaberin eines Reisebüros in Erding vor ihrer Reise nach Unterfranken am Freitag.

In Aschaffenburg will Frau Scharf die Meinung(en) aus der Region Spessart hören - so, wie sie es bereits beim Rhön-Gipfel getan hat. Das alles ist ergebnisoffen, versichert sie, und offen für weitere "Kandidaten". Es gehe darum, das am besten für einen Nationalpark geeignete Gebiet in Bayern zu finden; und die Bürger mitzunehmen.


Ist Konsens hier Nonsens?

Auf keinen Fall soll die Nationalpark-Suche Gräben aufwerfen wie im Steigerwald. Der bleibt bei Scharfs Mission (vorerst?) ausgeklammert, auch wenn Naturschutzverbände und Politiker aus der Region immer wieder fordern, auch im Steigerwald einen Dialog zu beginnen.

Kann es einen Nationalpark "im Konsens" geben? Die Vorgabe erscheint ein wenig naiv, denn wo auch immer der "NP3" in Bayern entstehen wird: Es wird Konflikte mit anderen Interessen geben. So haben sich im Vorfeld des Freitagsgipfels im Spessart ähnlich wie im Steigerwald die Gegner eines Nationalparks formiert und den Verein "Wir im Spessart" gegründet, dem der CSU-Landtagsabgeordnete Peter Winter vorsteht. Er droht der Ministerin unverhohlen mit Widerstand.

Waldbesitzer und Tourismusvereine fürchten um die Wertschöpfung im Spessart, sollte hier ein Schutzgebiet entstehen. Auch in der Landesregierung macht sich die Ministerin mit dem nachdrücklichen Eintreten für den Naturschutz (unter anderem in den Alpen) nicht nur Freunde. Ein Kenner des CSU-Machtgefüges sagt: "Die Scharf hat zwei Eigenschaften, mit denen sie sich in der CSU schwer tut: Sie ist jung, und sie ist eine Frau." Wenn man zum Dritten konsequente Naturschützerin ist, lässt man in Bayern ganz schnell Federn ... Nicht auszuschließen, dass mit dem Spessart-Gipfel der Sinkflug der durch den Bayern-Ei-Skandal bereits ein wenig gerupften Umweltministerin beginnt.


Wo und wohin?

Eigentlich hat Bayern ja längst Vorbildfunktion: Der Nationalpark Bayerischer Wald war 1970 der erste deutsche Nationalpark überhaupt.

Es dauerte sehr lange, bis sich die Idee, große Naturschutzgebiete auszuweisen, international durchsetzte. Den Anfang machten die USA 1872 mit dem Yellowstone-Nationalpark, der mit seinen heißen Quellen und der reichen Tier- und Pflanzenwelt längst auch zu einem Touristenmagneten geworden ist.

1. Bayerischer Wald
Der erste deutsche Nationalpark wurde 1970 nach langem Streit ausgewiesen. Als Vater diesen Schutzgebietes an der Grenze zu Tschechien gilt der Tierfilmer Bernhard Grzimek. Als das 24 000 Hektar große Schutzgebiet installiert war, gab es lange keine Ruhe. Bis heute streiten Befürworter der traditionellen Waldbewirtschaftung und Anhänger der Wildnis darüber, wie weit man die Natur sich selbst überlassen soll (Sturmschäden, Borkenkäfer). Eine Randnotiz: Grzimek besaß eine Mühle im Steigerwald (Donnersdorf).

2. Berchtesgaden
Der Nationalpark Berchtesgaden im bayerischen Landkreis Berchtesgadener Land ist der einzige deutsche Nationalpark in den Alpen. Das Gebiet umfasst eine Fläche von 21 000 Hektar und ist Teil des 1990 von der Unesco ausgewiesenen Biosphärenreservats Berchtesgaden, das seit Juni 2010 erweitert wurde. Nutzen und Schützen sorgen ständig für Konfliktstoff. Bekannt ist der Nationalpark vor allem durch seinen höchsten Berg, den Watzmann. Wer hier wandert, kann mit Glück einen Steinbock beobachten.

? Spessart ?
Der Spessart ist das größte zusammenhänge Mischlaubwald-Gebiet in Deutschland. Von den 2440 Quadratkilometern des Naturparks Spessart liegen 1700 in Bayern. Das sind 170 000 Hektar, für einen Nationalpark würden mindestens 10 000 Hektar gebraucht. Selbst der Bund Naturschutz und der Landesbund für Vogelschutz weisen dem Spessart die Qualifikation für einen Nationalpark zu. Es gibt einige naturnahe Waldreviere mit uralten Bäumen. Wildnis gibt es allerdings kaumt; der Spessart ist altes Kultur-Land.

? Rhön ?
Mit 2430 Quadratkilometern ist das Biosphärenreservat Rhön so groß wie der Spessart. Der bayerische Anteil ist mit 1295 Quadratkilometern vor Hessen und Thüringen der größte. Die Kulturlandschaft der Rhön ist bereits als Biosphärenreservat geschützt; ein anderer Ansatz als in einem Nationalpark, der auf striktem Naturschutz fußt. Eine Kombination Biosphäre plus Nationalpark wie in Berchtesgaden ist auch denkbar. Allerdings fehlt der Rhön das, was der dritte bayerische Nationalpark haben soll: große Wälder.

? Steigerwald ?
Der Naturpark Steigerwald ist mit 1280 Quadratkilometern der kleinste der potenziellen Nationalpark-Kandidaten. Wie in Spessart und Rhön ist auch hier der Freistaat (Staatsforsten) der größte Grundbesitzer. Am Steigerwald haben alle drei fränkischen Regierungsbezirke anteil.
In einigen schwer zugänglichen Gebieten des Steigerwaldes haben sich urwaldähnliche Zustände entwickelt - mit dem Potenzial auf den Titel Weltnaturerbe; zwischen dem Weltkulturerbe in Bamberg und in Würzburg wäre das eine weitere Attraktion.