Die Verteidiger des Angeklagten Heinz W. verzögern mit immer neuen Strategien die Verhandlung. Jetzt stellten sie einen Befangenheitsantrag gegen die Richter. Erst am Montag findet ein neuer Termin statt.
Der Missbrauchs-Prozess gegen den früheren Bamberger Chefarzt Heinz W. kommt immer mehr ins Stocken. Der Mediziner und dessen Verteidiger Dieter Widmann stellten gestern einen Antrag wegen Befangenheit der Richter und Schöffen. Das Verfahren wurde daher erst einmal bis Montag 9 Uhr unterbrochen. "Nun müssen drei andere berufsmäßige Richter des Landgerichts Bamberg diesen Antrag prüfen und eine Entscheidung fällen", wie Justizsprecher Leander Brößler erklärte.
Gutachter nicht befangen Zunächst aber ging es während des gestrigen Termins um die Frage, ob der Sachverständige Dieter Patzelt befangen war. Dessen Gutachten untersuchte unter anderem, welche Motive dazu führten, dass Heinz W. Bilder vom nackten Intimbereich von Frauen anfertigte, die er vorher betäubt haben soll.
Die Verteidiger des Ex-Chefarztes am Klinikum warfen Patzelt mangelndes Fachwissen im Bereich Gefäßerkrankungen vor und unterstellten, dass er dem Angeklagten allzu rasch sexuelle Motive anlaste - anstatt alternative Hypothesen zu prüfen, inwieweit Heinz W. mit den Bildern etwa Studien für medizinische Zwecke dokumentieren wollte. Doch die Große Strafkammer um Richter Manfred Schmidt lehnte diesen Befangenheitsantrag ab.
In der Begründung wurde auch klar gestellt, dass auf den sicher gestellten Fotos keine Krankheitsbefunde zu finden seien und es somit keinen wissenschaftlichen Grund für die Nacktaufnahmen geben könne.
Der angeklagte Chefarzt nahm diese Ausführungen regungslos zur Kenntnis, verzog keine Miene, trommelte mit den Finger auf seinem Knie herum. In Verhandlungspausen las er immer wieder in einem kleinen Büchlein mit dem Titel "Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten".
Es dauerte nicht lange und es wurde allen Prozessbeobachtern klar, was der Mediziner damit bezweckte. "Ich berufe mich auf mein Recht auf einen fairen Prozess, der mir nach Artikel 6 der Menschenrechtskonvention zusteht, die auch für das Gericht hier gilt", erklärte Heinz W. mit fester Stimme. Sein Verteidiger Widmann verlas danach den Befangenheitsantrag gegen das Gericht.
Immer mehr tritt damit die eigentliche Anklage gegen den Arzt, einen renommierten Gefäßchirurgen, in den Hintergrund. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und gefährliche Körperverletzung vor. Im Bamberger Klinikum soll er Frauen ruhiggestellt und sich an ihnen vergangen haben. Die meisten von ihnen waren an einer Beckenvenenthrombose erkrankt, die übrigen Opfer glaubten laut Anklage, an einer Studie teilzunehmen.
Ansprechbar, aber willenlos Heinz W. gaukelte ihnen nach Ansicht der Ermittler vor, er spritze ein Kontrastmittel für notwendige Nachuntersuchungen. Dabei habe es sich in Wahrheit um ein Narkotikum gehandelt, das die Frauen umgehend in einen steuerungsunfähigen Zustand versetzt habe. Die Frauen seien zwar ansprechbar, aber willenlos gewesen. An die Handlungen selbst konnten sie sich nicht erinnern. Das Narkotikum löste einen abrupten Gedächtnisverlust aus. Der Mediziner - er sitzt seit August 2014 in Untersuchungshaft - dagegen beteuert, aus rein medizinischen Gründen gehandelt zu haben. Im Falle einer Verurteilung drohen ihm bis zu 15 Jahre Gefängnis.
Raus aus der U-Haft? Martin Reymann-Brauer, Anwalt von sechs Nebenklägerinnen, spekuliert, was der frühere Chefarzt und seine Verteidiger planen: "Dieser Antrag gegen das Gericht zeigt die sich abzeichnende Strategie ganz deutlich: Das Verfahren soll verschleppt werden." Nur stellt sich die Frage, wem eine solche Verschleppung dient. Natürlich kann es auch sein, dass das Verteidigungsteam von Heinz W. erneut einen Antrag stellen könnte - nämlich zu überprüfen, den Angeklagten nicht schon bald aus der U-Haft zu entlassen. Doch darauf zumindest gab es gestern keine Antwort.