Messerstecherei in Bamberg: Abwehr- oder Angriffswaffe?

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Ein Wachtmeister zeigt im Bamberger Landgericht die Tatwaffe. Die große Frage: Passierten die Verletzungen mit dem Messer im Gerangel eher zufällig oder wollte der Angeklagte bewusst einen völlig Unbeteiligten abstechen? Foto: Anna Lienhardt
Ein Wachtmeister zeigt im Bamberger Landgericht die Tatwaffe. Die große Frage: Passierten die Verletzungen mit dem Messer im Gerangel eher zufällig oder wollte der Angeklagte bewusst einen völlig Unbeteiligten abstechen? Foto: Anna Lienhardt

Ein 35-Jähriger hat an Pfingsten dieses Jahres mitten in der Fußgängerzone nachts einen Passanten mit einem Messer verletzt. Während der Staatsanwalt von versuchtem Mord ausgeht, plädiert der Verteidiger auf Freispruch.

Er bezeichnete es als "Geschmarre", mit dem er seine Freundin habe beeindrucken wollen - in Handynachrichten an sie hatte der Angeklagte laut Staatsanwaltschaft geschrieben: "Will einen töten", und dass er den umlege, "der mir in die Quere kommt." Auch gegenüber Bekannten, mit denen er am Tatabend noch gemütlich zusammen gesessen hatte, machte Gerhard F. (Name von der Redaktion geändert) ähnliche Anmerkungen.

"Heute blutet noch jemand", habe er laut einer Zeugin in der Runde gesagt, mit der er zunächst im Hain grillen war. Bereits dort war Alkohol geflossen, was sich später in der Wohnung der Freundin des Angeklagten fortsetzte. Ein weiteres Mitglied der Gruppe bestätigte ebenfalls vor dem Bamberger Landgericht: "Er hat gesagt, dass er heute Nacht noch einen umbringt. Ich dachte, das kann er doch nicht ernst meinen", fügte der Zeuge hinzu.
So sei es auch gewesen, wie der Angeklagte selbst vor dem Schwurgericht betont hatte. Doch Staatsanwalt Stephan Schäl kaufte dem 35-Jährigen das nicht ab. Im Gegenteil: Er ging in seinem Plädoyer über die ursprüngliche Forderung, den Mann wegen versuchten Totschlags zu bestrafen, hinaus.

Gerhard F. sei sogar des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig. Der Angeklagte habe gehandelt aus "reiner Mordlust an einem völlig Unbeteiligten" und müsse dafür acht Jahre hinter Gitter.

Am 23. Mai war Gerhard F. wütend aus der Wohnung seiner Freundin in Bamberg aufgebrochen. Deren Mutter hatte ihn zwei Mal dazu aufgefordert, "weil ich weiß, dass er kriminell ist", wie sie vor Gericht aussagte. Sie habe sich um ihre zehnjährige Enkelin Sorgen gemacht, die habe zu Bett gehen wollen.

In der Tat blickt der Angeklagte auf eine lange Liste von Vorstrafen zurück. Sie zu verlesen, dauerte allein 30 Minuten. Demnach wurde Gerhard F. bereits wegen Sachbeschädigung, Hehlerei, Körperverletzungsdelikten, wegen Diebstahls, versuchten Raubes oder räuberischer Erpressung verurteilt. Insgesamt hat der 35-Jährige acht Jahre seines Lebens im Gefängnis verbracht.

Als er sich nun am 23. Mai abends aufgebracht auf den Weg in die Innenstadt machte, teilte der Angeklagte seiner Freundin besagte Ankündigungen per Handy mit, die sie laut eigener Aussage jedoch nicht ernst nahm. In der Nähe des Gabelmann am Grünen Markt traf der 35-Jährige dann auf eine Gruppe junger Leute, auf die er pöbelnd zusteuerte.

Es kam zu einem Gerangel, in dessen Verlauf der Angeklagte sich ein blaues Auge, eine aufgeplatzte Unterlippe und eine Platzwunde am Hinterkopf zuzog.


Stichwunde im Oberarm

Einer der beiden Männer aus der Gruppe erlitt eine etwa zwei Zentimeter lange Stichverletzung am rechten Oberarm, die im Klinikum in einer Notoperation versorgt wurde. "Prinzipiell kann man an einer solchen Verletzung verbluten", erklärte eine Rechtsmedizinerin, die als Sachverständige geladen war.

Da die Freunde des Mannes den Arm mit der Stichwunde jedoch gleich abgebunden hatten und er ins Krankenhaus gebracht wurde, habe es sich konkret nicht um eine lebensgefährliche Situation gehandelt.

Verteidiger Thomas Gärtner jedenfalls geht davon aus, dass sein Mandant mit dem Messer nicht bewusst in den Oberkörper stechen wollte. Vielmehr habe der Zeuge aus der Gruppe in "alkoholbedingter Übermütigkeit" Gerhard F. angegriffen. Bei dem Gerangel am Boden sei dann wohl der Stich zugefügt worden. Gärtner spricht von einer "zufälligen Verletzung im Armbereich".

Sein Mandant habe das Messer nur aufgemacht, um den Angriff abzuwehren. Ein Motiv für Mordlust sieht der Rechtsanwalt nicht und forderte, den Angeklagten freizusprechen. Außerdem wünschte er sich für Gerhard F., dass ihm eine Möglichkeit gegeben werde, "an seiner Persönlichkeit zu arbeiten". Gärtner zeigte sich erschreckt, dass sein Mandant "nicht therapierbar sein soll".

Der als Sachverständiger geladene Psychiater hatte zuvor in seinem Gutachten erläutert, dass bei F. "die üblichen psychotherapeuthischen Maßnahmen zu nichts führen" würden. "Mehr als acht Jahre Haft konnten sein Verhalten nicht beeinflussen", merkte er an. Der Arzt hatte beim Angeklagten eine "dissoziale Persönlichkeitsstruktur" festgestellt. Er missachte soziale Normen, habe eine geringe Frustrationstoleranz, niedrige Aggressionsschwelle und zeige Unfähigkeit zum Schuldbewusstsein. Auch in nüchternem Zustand sei er erhöht reizbar.

Wie das Landgericht das Gutachten wertet, wird sich am Mittwoch um elf Uhr zeigen. Dann soll das Urteil fallen.