Menschenfischerin im Mittelmeer

2 Min
Deutsche Marinesoldaten und das Regensburger Hilfsschiff "Sea-Eye" retten 60 Kilometer vor der libyschen Küste über hundert Migranten im Mittelmeer aus Seenot. Das Bild entstand am 12. April, als die Bundesmarine an einem einzigen Tag 1180 Bootsflüchtlinge, darunter 430 Kinder, in Sicherheit bringen musste. Foto: dpa/Bundeswehr
Deutsche Marinesoldaten und das Regensburger Hilfsschiff "Sea-Eye" retten 60 Kilometer vor der libyschen Küste über hundert Migranten im Mittelmeer aus Seenot. Das Bild entstand am 12. April, als die Bundesmarine an einem einzigen Tag 1180 Bootsflüchtlinge, darunter 430 Kinder, in Sicherheit bringen musste. Foto: dpa/Bundeswehr
Karen Stein kurz vor ihrem Aubruch gen Mittelmeer: "Ich kann und will helfen, dass nicht noch mehr Flüchtlinge ertrinken". Foto: Marion Krüger-Hundrup
Karen Stein kurz vor ihrem Aubruch gen Mittelmeer: "Ich kann und will helfen, dass nicht noch mehr Flüchtlinge ertrinken". Foto: Marion Krüger-Hundrup
 

Die Bambergerin Karen Stein bricht heute Richtung Libyen auf, um mit dem Schiff "Sea-Eye" Flüchtlinge vor dem Ertrinken zu retten.

Karen Stein spricht nicht von Migration und Integration. Die 46-jährige Bambergerin treibt schlichte Mitmenschlichkeit in eine gefährliche Mission: "Ich kann und will helfen, dass nicht noch mehr Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken", sagt die zierliche Religionslehrerin an der Berufsschule in Coburg. Außerdem empfinde "jeder echte Segler Solidarität auf dem Wasser". Und sie sei nun einmal erfahrene Freizeitseglerin mit Nautikwissen.

Heute bricht Karen Stein zunächst nach Malta auf. Dort ankert die "Sea-Eye" im Hafen, ein 26 Meter langer ehemaliger Fischkutter, den der Regensburger Unternehmer Michael Buschheuer für die Seenotrettung umrüsten ließ. Seit dem ersten Einsatz im April 2016 hat die "Sea-Eye" über 8000 Menschen vor dem Ertrinken gerettet: "Das ist eine rein humanitäre Aktion und kein politisches Fanal", erklärt Buschheuer gegenüber unserer Zeitung.. Menschen ertrinken zu lassen, bedeute moralisches Versagen und sei durch nichts zu rechtfertigen. "Jeder Christ sollte etwas dagegen tun", meint Buschheuer und fügt hinzu: "Ich mache es nicht für Gott, sondern für die Menschen." Und mit ihm inzwischen Hunderte Gleichgesinnte, die sich seinem Verein "Sea-Eye" angeschlossen haben. Als Nichtregierungsorganisation (NGO) finanziert der Verein die Rettungseinsätze ausschließlich aus Spenden. Die Helfer arbeiten ehrenamtlich, opfern Freizeit, Urlaub und Geld für die "Mission Mitmenschlichkeit".

So wie jetzt Karen Stein in den Sommerferien. Nach der Übergabe durch die Vorgängercrew sticht sie mit zehn weiteren Freiwilligen - darunter eine Ärztin - in See. Bis zur Zwölf-Meilen-Zone vor der Küste Libyens: "Die ist ein Tabu, da fahren wir nicht rein!" betont Karen Stein.

Die "Sea-Eye" wird dort auf dem Mittelmeer kreuzen: 60 Seemeilen östlich, 60 Seemeilen westlich.


Mulmiges Gefühl

Die Bambergerin ist innerlich gewappnet für ihre Aufgabe als Menschenfischerin. Ja, ein mulmiges Gefühl habe sie schon, zumal wenn das Wetter schlecht werde und sie mit Seekrankheit kämpfen müsse. Doch der "große Respekt" vor der Aufgabe in den nächsten 14 Tagen überwiegt. Karen Stein ist als sogenannte Wachgängerin eingeteilt. Das bedeutet, dass sie auch nachts Ausschau halten muss nach seeuntüchtigen überfüllten Schlauchbooten oder Holzkähnen, die zu kentern drohen. Derzeit versuchen bis zu 12 000 Menschen pro Woche, von der Küste Libyens nach Europa zu kommen. Tausende verlieren dabei ihr Leben.

Michael Buschheuer räumt freimütig ein, dass er "keine Generallösung in der Schublade hat gegen das Sterben im Mittelmeer". Libyen müsste zur Ruhe kommen, brauche befriedete und soziale Strukturen, die es den Schleppern unmöglich mache, ihr verbrecherisches Handwerk auszuüben. Überhaupt seien langfristige Maßnahmen notwendig, um Fluchtursachen zu bekämpfen. Während die Regierungen der Mittelmeer-Anrainerstaaten sofort handeln müssten: "Doch die kümmern sich nicht", beklagt Buschheuer.

Nach Schätzungen werden derzeit mehr als 40 Prozent der geretteten Bootsflüchtlinge im Mittelmeer von privaten Hilfsorganisationen wie "Sea-Eye" aufgespürt. Die "Sea-Eye" hat 700 Schwimmwesten und Rettungsinseln für weitere 500 Menschen an Bord. "Nur Verletzte und schwangere Frauen kommen auf das Schiff in die Krankenstation", berichtet Karen Stein. Gleichzeitig werde ein SOS-Notruf an die "Seenotleitstelle Mittelmeer" in Rom abgesetzt: "Nach Seerecht sind Schiffe, die sich in der Nähe befinden, verpflichtet, Hilfe zu leisten", erklärt Stein. Solche Schiffe würden die Geretteten dann nach Sizilien bringen.

Sie weiß nur zu gut, dass ihr selbstloser Einsatz nicht nur auf Lob stößt. "Seenotretter ernten Unverständnis, ja sogar Hass." Gerüchte und Unterstellungen, die NGOs würden mit Schleppern kooperieren, kursieren. "Absurd" sagt Karen Stein dazu, für die NGOs seien die Schlepper "Mörder".