Martin Kippenberger wäre in diesem Jahr 60 Jahre alt geworden, wäre er nicht an seinem exzessiven Lebensstil zugrunde gegangen. Das Berliner Museum Hamburger Bahnhof widmet dem Künstler eine Werkschau zum Geburtstag.
Was für ein Mensch war dieser Martin Kippenberger? War er ein Alki, ein Wahnsinniger oder ein genialer Spiegelvorhalter? Vielleicht war der Maler, Bildhauer, Designer, Fotograf, Musiker und Schriftsteller all das. Die Ausstellung "sehr gut/very good" im Hamburger Bahnhof - Museum für Gegenwart in Berlin, gibt einen Gesamtüberblick über das Schaffen des Künstlers. Es ist die Geburtstagsausstellung zum Sechzigsten von Martin Kippenberger, der bereits vor 16 Jahren am ausschweifenden Leben zugrunde gegangen ist.
Kippenberger starb an Leberkrebs. Das Resultat aus Alkohol und Drogen. Der Künstler hat von beidem zu viel genossen. Doch ohne ging es wohl nicht. Kippenberger hat in seiner Berliner Zeit Ende der 70er die Kneipen unsicher gemacht und Nächte durchgetanzt. Zur Lebenskunst des Tänzers gehörte der Suff genauso wie der ironische Blick auf die Welt. Er provozierte und performte.
Seine Selbstfotografien zeigen einen Mann mit dickem Bauch in Feinripp-Unterhose. Die Skulptur "Zuerst die Füße" - ein gekreuzigter Frosch - regt selbst immer noch weit nach seinem Tod die religiösen Gemüter auf. Die Zeichnungen auf Hotelbriefpapier zeugen von der Reiselust Kippenbergers. Und auch das Nazitum hat er in Selbstbildern wie "Bitte nicht nach Hause schicken" verarbeitet.
In der Serie "Lieber Maler, male mir" ließ er Bilder als künstlerisches Prinzip nachmalen. Eines davon "Paris Bar" wurde einmal für über zwei Millionen Euro verkauft. In der Bar hat Kippenberger selbst eine Zeit lang Essen und Trinken gegen ein paar seiner Werke eingetauscht. Das Leben und Schaffen des kaputten Multitalents war immer eins.
Kippenberger verstand es, sich ständig neu zu erfinden. So hat er einmal einen Neunjährigen sein Werk mit ausschließlich "sehr gut" bewerten lassen.
In fast durchsichtiger Kinderschrift auf weißen Bildern ist die Reihe 1991 entstanden. Es sind elf weiße Leinwände, die in die ebenso weiße Wand eingelassen sind. Zu sehen im Hamburger Bahnhof in einem gut versteckten Raum im Obergeschoss. Auch hier scheiden sich die Geister: Ist das nun genial oder sinnlos?
Kippenbergers Schaffen wurde erst nach seinem Tod wirklich gewürdigt, da er zeitlebens bei vielen als Angeber galt. Manche nennen ihn Teil der letzten Kaffeehaus-Bohème. Er verstand sich wohl in erster Linie als Mensch.
"Jeder Mensch ist ein Künstler", sagte Joseph Beuys. "Jeder Künstler ist ein Mensch", sagte Martin Kippenberger. Seine Lebenskunst war jedenfalls gnadenlos. Die Skulptur "Martin, ab in die Ecke und schäm dich", die wiederum den Künstler selbst wie einen ungezogenen Schüler ins Eck stellt, lässt erahnen, dass auch er trotz aller Ironie mit sich zu kämpfen hatte.
Wer den Menschen sehen will, muss in die Ausstellung gehen. Es ist der zerstörerische Blick auf ein Leben in einer Dauer-Performance-Schleife.
Die Ausstellung "Martin Kippenberger: sehr gut|very good" ist noch bis zum 18. August im Hamburger Bahnhof - Museum für Gegenwart in Berlin zu sehen.