"Verbale Attacken" zwischen Demonstranten und Lindemann-Fans - lautstarker Protest vor Brose-Arena

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Das Solo-Auftritt von Rammstein-Sänger Till Lindemann in Bamberg am Dienstag wurde von lautstarken Protesten begleitet. Sowohl die Demonstranten als auch die Konzertbesucher sparten offenkundig nicht mit gegenseitigen Attacken.

Gegen das Konzert von Rammstein-Frontmann Till Lindemann in Bamberg haben am Dienstagabend (14. November 2023) bis zu 200 Menschen protestiert. Das Aktionsbündnis "Keine Bühne Bamberg" hatte die Stadt Bamberg vorher aufgefordert, den Auftritt des Sängers zu verbieten und keine städtische Infrastruktur dafür zur Verfügung zu stellen. Auch in Richtung des Veranstalters gab es Kritik. 

Gegen Lindemann waren im vergangenen Sommer Anschuldigungen hinsichtlich sexueller Übergriffe laut geworden. Mehrere Frauen hatten - teilweise anonym - Vorwürfe gegen den deutschen Musikstar erhoben. Sie schilderten Situationen, die sie selbst als beängstigend empfunden hätten. Den Darstellungen der Frauen zufolge soll es nach Rammstein-Konzerten auf After-Show-Partys auch zu sexuellen Handlungen gekommen sein. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Berlin wurden allerdings eingestellt

Update vom 15.11.2023: Protestaktion vor Bamberger Lindemann-Konzert - Polizei zieht Bilanz

Der Solo-Auftritt von Rammstein-Sänger Till Lindemann in Bamberg ist von lautstarken Protesten begleitet worden. Laut Polizeiangaben fanden sich am Dienstagabend vor der Brose-Arena in der Spitze rund 200 Demonstranten ein. "Grundsätzlich ist im Großen und Ganzen alles friedlich verlaufen", berichtete ein Sprecher der Polizei Bamberg-Stadt am Mittwochvormittag im Gespräch mit inFranken.de. Die Versammlungsteilnehmer und die Konzertbesucher sparten aber offenkundig nicht mit Wortgefechten. "Es gab verbale Attacken von beiden Seiten", erklärte der Polizeisprecher.

In einem Fall seien zwei Anzeigen infolge von gegenseitigen Beleidigungen gestellt worden. "Wir waren mit ausreichend Kräften vor Ort." Hauptaufgabe der Polizei sei es dabei gewesen, für die ordnungsgemäße Durchführung der Veranstaltung zu gewährleisten. Wie vom Aktionsbündnis "Keine Bühne Bamberg" vorab angemeldet, seien die Demonstranten gegen 19.30 von der Brose-Arena in Richtung Bahnhof weitergezogen. An der dort abgehaltenen Abschlusskundgebung nahmen dem Sprecher zufolge noch circa 40 Personen teil. 

Das von mehreren feministischen Gruppen gebildete Bündnis hatte im Vorfeld die Absage des Bamberger Lindemanns-Konzert gefordert. Am Abend des Live-Auftritts des umstrittenen Musikers räumte eine Aktivistin dann allerdings ein, dass die Forderung nach einer Konzertabsage "ein bisschen unrealistisch" gewesen sei. "Die finanziellen Interessen sind halt in unserer Gesellschaft immer noch größer als die Sicherheit von Konzertbesucher*innen", erklärte die namentlich nicht genannte Frau gegenüber der Agentur News5

Keine "Row Zero" in Bamberg - Lindemann bekommt auch keine After-Show-Party

Der Hallenbetreiber hatte im Vorfeld angekündigt, dass es beim Konzert des Rammstein-Frontsängers weder eine "Row Zero" noch eine After-Show-Party gebe. "Row Zero - das ist die Reihe vor der ersten Reihe, wo extra junge hübsche Frauen gecastet wurden, um dann direkt vor der Bühne zu stehen", sagte die Demoteilnehmerin. Die Aktivistin nimmt an, dass sich die weiblichen Fans freuten, näher an ihren großen Star heranzukommen. "Sie rechnen nicht damit, dass es einen perversen, sexuellen Hintergrund hat."

Die unter dem Pseudonym "Mariella Feldmann" agierende Pressesprecherin von "Keine Bühne Bamberg" hielt im Interview mit News5 derweil mit Blick auf Lindemann fest: "Es ist wichtig zu wissen: Er wurde nicht freigesprochen. Die Ermittlungen wurden fallengelassen wegen Mangel an Beweisen." Für das Aktionsbündnis sei dies "absolut nicht äquivalent" mit einem Freispruch. 

Laut Feldmanns Auffassung bedeute es nur, dass sich nicht genug Frauen trauten, gegen den Musiker auszusagen. "Weil das gesellschaftliche Klima so furchtbar ist, dass es einfach nicht möglich scheint", behauptete die Sprecherin des Aktionsbündnisses. Die Einstellung der Ermittlungen gegen den Sänger seien keinesfalls ein Unschuldsbeweis. "Wir glauben den Betroffenen, dass das passiert ist. Wir verstehen, dass es schwer ist, öffentlich auszusagen, und stellen uns deswegen klar auf ihre Seite." 

"Nur Spitze des Eisbergs": Aktivistin sieht gesamtes Branchenproblem

Feldmann sieht ferner ein generelles Branchenproblem. Till Lindemann sei diesbezüglich "nur die Spitze des Eisbergs", sagte die Aktivistin. "Im gesamten Musikbusiness gibt es immer wieder Vorfälle von sexueller Belästigung."

Mit Blick auf die seit dem vergangenen Sommer kursierenden Vorwürfe gegen den Rammstein-Sänger erklärte Feldmann, dass das Konzept der sogenannten "Row Zero" nicht transparent sei. "Das ist ein völlig undurchsichtiges System", kritisiert sie. Die Frauen würden demnach unter dem Vorwand einer After-Show-Party eingeladen. "Aber es ist überhaupt nicht klar, dass es darum geht, Lindemann für Sex zu Verfügung zu stehen", sagte Feldmann. Laut ihrer Behauptung würden die Frauen teilweise sogar unter Drogen gesetzt und hätten später Erinnerungslücken. 

Bezüglich des Bamberg-Konzerts sieht das Bündnis neben dem Konzertveranstalter auch explizit die Stadt Bamberg als Eigentümer der Arena in der Pflicht. "Die äußern sich da genauso und sagen: Er ist nicht verurteilt, da können wir nichts machen. Aber da liegt der Fehler im System", moniert Feldmann. Das für das Lindemann-Konzert eingerichtete Awareness-Konzert in der Halle begrüßt das Aktionsbündnis derweil. "Es ist aber absolut nicht ausreichend", erklärte die Sprecherin. 

Update vom 14.11.2023, 20.10 Uhr: Protestaktion in vollem Gange

Die Protestaktion des Bündnisses "Keine Bühne Bamberg" findet wie angekündigt statt. Die Polizei Bamberg-Stadt sei laut der Polizei Oberfranken vor Ort (Stand 20 Uhr) und begleite die Demo. Weitere Informationen seien der Polizei Oberfranken laut eines Sprechers zum momentanen Zeitpunkt noch nicht bekannt.

Original-Artikel vom 10.11.2023, 13 Uhr: Rammstein-Frontmann Till Lindemann am Dienstag in Bamberg: Bündnis fordert Konzertabsage

Lindemann wies die Vorwürfe gegen seine Person stets zurück. Die zuvor eingeleiteten Ermittlungen gegen den 60-Jährigen wurden Ende August eingestellt. Die Auswertung der verfügbaren Beweismittel habe keine Anhaltspunkte dafür erbracht, dass Lindemann "sexuelle Handlungen an Frauen gegen deren Willen vorgenommen" habe, teilte die Staatsanwaltschaft in Berlin am 29. August mit.

Seit dieser Woche befindet sich der polarisierende Musiker nun auf seiner Solo-Tour. Insgesamt 24 Konzerte sind bis zum Ende des Jahres im Zuge seines aktuellen Albums "Zunge" geplant. In Leipzig demonstrierten am vergangenen Mittwoch rund 600 Menschen gegen das Konzert des Rammstein-Sängers. Protest erhebt sich auch in Bamberg. Dort tritt Lindemann am kommenden Dienstag in der Brose-Arena auf. Sollte das Konzert stattfinden, sei am Abend ab 18 Uhr eine Demonstration vor der Veranstaltungshalle geplant, kündigt das Aktionsbündnis "Keine Bühne Bamberg" in einer Anfang November veröffentlichten Pressemitteilung an. Zusätzlich gebe es "ein breites Rahmenprogramm".

Bei dem Bündnis handelt es sich laut Eigenaussage um einen Zusammenschluss von "feministisch ausgerichteten Gruppen" aus Bamberg, Nürnberg, Würzburg und Coburg. "Die große Anzahl übereinstimmender Berichte zeigt, dass das Ganze System hat", wird die Sprecherin des Bündnisses, Mariella Feldmann, in der Mitteilung zitiert. "Es werden gezielt junge Frauen rekrutiert, um Lindemann für Sex zur Verfügung zu stehen, ohne dass ihnen das vorher so deutlich gesagt wird. Die Frauen hätten keine Chance auf eine "selbstbestimmte Verweigerung" gehabt, behauptet Feldmann.

Aktivisten mit schweren Vorwürfen an Stadt - Betreiber von Brose-Arena verweist auf Awareness-Konzept

In Bamberg sieht das Bündnis diesbezüglich die Stadt in der Pflicht: "Wenn die Stadt Bamberg es zulässt, dass das Konzert vor Tausenden von Fans stattfindet, ist das nicht nur ein öffentlicher Schulterschluss mit Lindemann, sondern auch die fahrlässige Inkaufnahme von weiteren sexuellen Übergriffen." Die Stadt sei Eigentümerin der Brose-Arena und habe somit das Hausrecht. "Hier müssen weitere sexuelle Übergriffe verhindert werden", hält die Gruppe mit Blick auf Lindemanns Liveauftritt in der Mehrzweckhalle im Süden Bambergs fest.

Die Stadt Bamberg verweist hinsichtlich der geäußerten auf ihre Tochterfirma, die Bamberg Arena Betriebsgesellschaft mbH (BAB). Dort sei man sich als Hallenvermieter der "besonderen Verantwortung" bewusst und nehme Vorwürfe gegen alle Künstler oder Musiker "sehr ernst", erklärt BAB-Geschäftsführer Dominik Nakic. "Wir akzeptieren keinerlei sexuelle Gewalt." Im Fall von Till Lindemann bilde ein bloßer Verdacht keine rechtliche Grundlage, um die Veranstaltung am 14. November 2023 absagen zu können. Eine Absage würde zudem "erhebliche Schadensersatzansprüche" nach sich ziehen.

"Wir schätzen die Initiative zur Bekämpfung von Machtmissbrauch und sexueller Gewalt und sind besonders bemüht, unseren Teil dazu beizutragen. Die Sicherheit der Gäste hat für uns oberste Priorität", so Nakic. Zum Einsatz komme das Awareness-Konzept "Luisa ist hier". Das Personal in der Brose-Arena sei entsprechend geschult. Ein sogenannter "Safe Space" sorge für einen sicheren Rückzugsort. "Es wird darüber hinaus beim Konzert am 14. November keine Row Zero und keine After-Show-Party geben, darauf hatten wir auch beim Veranstalter gedrängt", betont Nakic. 

Lindemann verweigert Journalisten Konzertzugang - Veranstalter übt Kritik: "Finden das bedenklich"

Den Veranstalter des Lindemann-Konzerts, das Concertbüro Franken mit Sitz in Nürnberg, sieht das Aktionsbündnis ebenfalls in der Verantwortung.  "Vor finanziellen Erfolgen sollte zwingend der Schutz der Konzertgänger*innen sichergestellt werden", heißt es vonseiten des Bündnisses. "Um keinen Preis können zukünftige Übergriffe in Kauf genommen werden. Deswegen fordern wir klar eine Absage des Konzerts."

Auch der Veranstalter erklärt, dass das Till-Lindemann-Konzert wie geplant stattfindet. "Es ist so gut wie ausverkauft", berichtet Axel Ballreich, einer der drei Geschäftsführer des Concertbüros Franken, am Freitag (10. November 2023) im Gespräch mit inFranken.de. Ihm zufolge werden am Dienstag über 7000 Besucher und Besucherinnen erwartet. "Wir haben uns den Fortgang der Dinge angeschaut", sagt er mit Blick auf die Diskussion um den Rammstein-Sänger. Nachdem es aber weder zu einem juristischen Verfahren noch einer Anklage gekommen sei, habe eine Konzertabsage nicht zur Debatte gestanden. "Ansonsten wäre es eine komplett andere Situation gewesen", betont der Veranstalter. Im Juni hatte Ballreich inFranken.de geschildert, welche drastische Konsequenz seinem Unternehmen bei einer Absage drohe.  

Auch Ballreich betont: "Eine Row Zero gibt es nicht". Mit dem Begriff wird ein abgetrennter Bereich direkt vor der Bühne bei Rammstein-Konzerten bezeichnet. Der Nürnberger Konzertveranstalter kritisiert derweil, dass bei Lindemanns Solo-Auftritten grundsätzlich keine Pressevertreter zugelassen sind. So wurde der Deutschen Presse-Agentur  laut deren eigenem Statement für den Tourstart in Leipzig die Akkreditierung verweigert. Auch bei der Show in Bamberg haben Journalisten das Nachsehen. "Das haben der Künstler und sein Management so entschieden", erklärt Ballreich. "Wir finden das bedenklich." Weitere Nachrichten aus Bamberg gibt es in unserem Lokalressort.

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