Alexander Hahn wollte von Wiesen nach Dover - auf einem Paddleboard. Kurz vor dem Ziel endete die Tour im Ärmelkanal.
Seine "Reise von Wiesen in die Unendlichkeit" endete jäh, aber glücklich, und das Erstaunlichste ist wohl, dass er überhaupt so weit gekommen ist: Die Tour vom Obermain bis vor die Küste Englands dürfte Alexander Hahn so schnell niemand nachmachen. Denn der 28 Jahre alte Fußballer aus Eicha bei
Coburg war auf einem Paddleboard unterwegs.
"Er trug ein Fleece, kurze Hosen und einen Hut." So beschreiben englische Zeitungen, was die Besatzung eines englischen Küstenwachschiffes am frühen Montagmorgen im Ärmelkanal sah, ohne ihren Augen zu glauben: Ein Mann sitzt auf einem Sportgerät, das für ruhige Binnengewässer gemacht ist, und trotzt der hohen See. Entdeckt hatten den Paddler Taucher an Bord der "Maverick"
Glück mit dem Wetter
"Er hatte Glück mit dem Wetter. Normalerweise muss man um diese Jahreszeit mit den ersten Stürmen rechnen", sagt die Hafenbehörde in Dover zu der Seereise des Oberfranken, der das Abenteuer auf seiner Facebook-Seite als Selbstfindungs-Trip bezeichnet. Und: Die Verhältnisse auf den beiden Seiten des Kanals können völlig unterschiedlich sein und sich überdies sehr schnell ändern. "Der Bursche hatte Glück."
Sein Foto-Tagebuch beginnt mit der Begegnung mit Schwänen auf dem Obermain und endet auf der "Valiant", einem Schiff der englischen Küstenwache. Alexander Hahn bedankt sich bei den Beamten, die ihn "sehr freundlich" behandelt hätten. "Ich bekam Tee, eine warme Dusche an Bord und eine Decke als Erinnerung", beschreibt er.
In akuter Gefahr befand sich der junge Mann auf dem Meer nicht, das bestätigt die Hafenbehörde. "Die See war ruhig, und der Mann befand sich in guter Verfassung", heißt es auf der Internetseite von Dover Marina. "Aber die Frage bleibt, was er da draußen gesucht hat".
Nur noch zehn Kilometer
Der Kanal ist die am stärksten befahrene Hochseestraße der Welt, und Alexander Hahn befand sich auf halber Strecke zwischen Calais und Folkestone südlich von Dover, als er aus dem Meer gefischt wurde - er hatte noch zehn Kilometer vor sich, nachdem er seinem Facebook-Profil zufolge Anfang August bei Wiesen aufgebrochen war.
Die Reaktionen der Nutzer in den englischen Medien sind geteilt. Die einen ziehen den Hut vor der sportlichen Leistung des Mannes, andere erklären ihn für verrückt. Die gescheiterte Kanal-Überquerung ist sogar zum Politikum geworden. "Die britische Regierung will nicht, dass groß über solche Vorfälle berichtet wird", heißt es aus Behördenkreisen in Dover. In England fürchtet man, dass Flüchtlinge versuchen könnten, in Paddelbooten, auf Luftmatratzen oder sonst wie auf die Insel zu kommen. Auch die Küstenwache hielt Hahn zunächst für einen illegalen Einwanderer.
Den Kanal noch nicht voll
Der an der schmalsten Stelle nur 36 Kilometer breite Kanal verleitet seit langer Zeit Menschen auch zu gefährlichen Querungsversuchen. So wird das Durchschwimmen verharmlosend als Kanalschwimmen bezeichnet. Erstmals wurde der Ärmelkanal am 24. und 25. August 1875 von dem Engländer Matthew Webb nachweislich durchschwommen. Er benötigte für die Strecke von Dover nach Calais 21 Stunden und 45 Minuten.
Die erste Kanalschwimmerin, die ihr Ziel erreichte, war 1926 die US-Amerikanerin Gertrude Ederle. Sie benötigte 14 Stunden und 39 Minuten. Ein Jahr später folgte ihr die Engländerin Mercedes Gleitze. Heute versuchen sich jährlich rund 100 Menschen im Kanalschwimmen, von denen aber nur ein geringer Prozentsatz erfolgreich ist. Dabei wird unterschieden, ob sie einen Wärmeschutzanzug tragen oder nicht. Der Zeitrekord wird seit 2007 vom Bulgaren Petar Stojtschew mit 6:57.50 Stunden gehalten.
Die Britin Susan Taylor sammelte via Website Geld für ein Kinderhospiz und den britischen Diabetes-Verband, sie schwamm Mitte Juli 2013 begleitet von einem Boot, erlitt im Kanal Herzprobleme, wurde von einem Helikopter aufgenommen und starb im Krankenhaus. "Weniger als 1000 Menschen haben den Ärmelkanal durchschwommen, nur einer von zehn Menschen, die für den Kanal trainieren, schafft es tatsächlich", beschreibt sie den Kanal als größere Herausforderung als die Besteigung des Mount Everest.
Am 27. August 1972 ruderten Wolfram Neufert, Karl Kleine-Brockhoff, Karsten Neuheuser, Jochen Rudloff und Rainer Budweg vom Ruderklub am Baldeneysee aus Essen in fünfeinhalb Stunden in einem Vierer mit Steuermann von Dover nach Calais.
Am 23. August 2005 überquerte die englische Seglerin Hilary Lister, die aufgrund einer Lähmungskrankheit nur den Kopf bewegen kann und Segel und Ruderpinne ihres Bootes bewegt, indem sie in zwei Strohhalme bläst oder daran saugt, den Kanal zwischen Dover und Calais ohne fremde Hilfe. Sie benötigte sechs Stunden und 13 Minuten.
Am 31. Juli 2003 gelang es dem österreichischen Extremfallschirmspringer Felix Baumgartner, den Ärmelkanal mit einem Sprung aus 9000 Metern Höhe zu überqueren. Nach dem Absprung über Dover glitt er mit einem speziell konstruierten Carbonflügel 35 Kilometer weit bis nach Calais, wo er den Fallschirm öffnete und sicher landete. (aus der Wikipedia)