Eine Familie aus Georgien hofft lange Zeit auf ein Bleiberecht in Bamberg. Bis sie nachts getrennt und am Ende komplett abgeschoben wird.
Vier Jahre lebt die sechsköpfige Familie O. in Bamberg zwischen Hoffen und Bangen, ob sie bleiben darf. Dann entscheidet sich alles innerhalb kürzester Zeit.
Es war in der Nacht vom 17. August. Die Polizei taucht gegen 3 Uhr auf. Die Familie O. muss das Land verlassen. Ihr Antrag ist abgelehnt. Doch die ältesten Söhne Sergo und Edgar sind nicht da. Sie übernachten bei Freunden. Die Behörden nehmen daraufhin die Mutter und die drei Jahre alten Zwillinge mit, die in Deutschland geboren wurden. Die Kinder weinen. Sie werden mit ihrer Mutter nach Georgien zurückgeflogen, in das Land, in dem die Zwillinge noch nie waren, ihre Mutter Nino seit mehr als vier Jahren nicht mehr.
Ihr Mann Genadi bleibt zurück, um sich um den 13-jährigen Edgar und den 15-jährigen Sergo zu kümmern, die in der Nacht fehlten. Er schwankt zwischen Kampfeslust um ein Bleiberecht und Resignation. Der 36-Jährige wirkt am Telefon Anfang vergangener Woche verzweifelt. Dann wird auch er zwei Tage später mit den älteren Söhnen nach Georgien gebracht. Die Frage ist: Hätte die zuständige Zentrale Ausländerbehörde anders entscheiden können?
Ratlos zurückgelassen
Am Tag danach steht Sylvia Schaible vom Flüchtlingshilfsverein "Freund statt fremd" in den leeren Räumen der Wohnung, in denen nur noch ein paar Spielsachen liegen. Sie spricht von einer "krassen" Abschiebung. Die Trennung einer Familie trifft nicht nur bei ihr auf Kritik. Der Bayerische Flüchtlingsrat spricht von einer "besonderen Härte".
Das ganze Verfahren lässt die Beteiligten ratlos zurück. Sicherlich, sagt Sylvia Schaible, habe es in Georgien keinen Fluchtgrund gegeben. Doch die Familie habe sich integriert. "Für solche Familien brauchen wir ein Einwanderungsrecht", findet sie. Obwohl: Es hätte schon jetzt eine Möglichkeit für die Familie gegeben.
Voraussetzung erfüllt?
Vor einigen Jahren hat der Gesetzgeber für Fälle wie dem der Familie O. eine Bleiberechtsregelung geschaffen: Paragraf 25a des Aufenthaltsgesetzes räumt Jugendlichen, die gut integriert und geduldet sind, die Möglichkeit einer Aufenthaltserlaubnis für sie und ihre Familie ein.
Sergo, der älteste Sohn, ging seit vier Jahren zur Schule; für ihn habe die Voraussetzung für den Paragrafen damit vorgelegen, sagt der Schweinfurter Rechtsanwalt Joachim Schürkens, der die Familie vertrat. Aus seiner Sicht hätte er auch geduldet werden müssen. Doch die Ausländerbehörde entscheidet anders. Sie sieht die Voraussetzung für eine Duldung, die es braucht, damit der Paragraf zur Anwendung kommt, als nicht erfüllt an. Sergo wurde nicht geduldet, auch, weil die Regierung "die Aufenthaltsbeendigung konkret betrieben" habe, dann sei auch eine Ausbildungsduldung nicht mehr möglich.
"Die Behörden steuern dagegen"
Johannes Stößel hat als Pate der Familie über all die Jahre geholfen. Er fragt sich: Warum schiebt man Menschen ab, die inzwischen gut Deutsch sprechen? Eine Familie, deren Söhne fleißig in der Schule sind und erfolgreich im Sportverein? "Die Behörden lassen die Familie über vier Jahre hier leben und jetzt, wo sie gut integriert sind und es rechtliche Möglichkeiten gibt, steuern die Behörden dagegen. Das ist unverständlich", kritisiert der 28-Jährige.
Dabei soll die Familie sich sehr bemüht haben. Der Vater hatte der Ausländerbehörde eine Ausbildungsstelle vorgelegt, für die er aber keine Arbeitserlaubnis bekam - da der Georgier "nach Lage des asylrechtlichen Verfahrens eine sehr geringe ,Bleibeperspektive‘ hatte und man durch eine Beschäftigungserlaubnis seinen Aufenthalt im Bundesgebiet nicht verfestigen wollte", heißt es von der Regierung von Oberfranken. Außerdem sei "die Aufnahme einer auf mehrere Jahre angelegten Ausbildung kurz vor einer zu erwartenden Beendigung seines Aufenthaltes wenig sinnvoll". Nach all den Niederlagen folgt die Abschiebung.
"In der Regel werden Familien bei der Abschiebung nicht getrennt", heißt es von der Regierung. Im Einzelfall könne dies aber nach "pflichtgemäßem Ermessen der Ausländerbehörde anders gehandhabt werden". Die Mitarbeiter wollten die gesamte Abschiebung nicht platzen lassen. Das Vorgehen sei gerichtlich bestätigt worden.
Die Vorgehensweise bei der Abschiebung kritisiert der Flüchtlingsrat nur am Rande, ihm geht es vielmehr darum, dass zu wenige Fälle in Bayern von der Bleiberechtsregelung profitieren. "Der Fall der Familie ist eine krasse Ausnahme, aber ich fürchte, das wird Standard werden", sagt auch Anwalt Schürkens. Seine Erfahrung zeige, dass Kreisbehörden in solchen Fällen oftmals anders als die Zentralen Ausländerbehörden entscheiden. Er wollte gegen die Ablehnung der Bleiberechtsregelung für Sergo klagen. Doch nun kam ihm die Abschiebung der Familie zuvor.
KSV Bamberg: "Wir verstehen nicht, dass so eine Familie rausgerissen wird"Die Verantwortlichen des KSV Bamberg reagieren geschockt, als sie von der Abschiebung der Familie O. hören: Sergo und sein jüngerer Bruder Edgar haben in der Schülermannschaft des Ringervereins gerungen. Vor allem Edgar bescheinigt der KSV-Vorsitzende Thomas Tomaszek großes Talent: "Das ist sehr, sehr schade. Edgar war total in die Mannschaft integriert. Er war eine absolute Stütze." Nicht nur menschlich, auch sportlich ein Verlust: "Er war unser Siegerringer, hat immer alle Punkte geholt." Davon zeugen die Pokale und Medaillen, die der 13-Jährige erkämpft hat. Er habe bei Turnieren meist den ersten Platz belegt. Nun blieb nicht einmal mehr die Zeit für einen Abschied.
Das Sportliche tritt beim KSV aber momentan in den Hintergrund. Vielmehr überwiegt das Entsetzen. "Ich bin unendlich traurig", sagt die Zweite Vorsitzende Petra Lurz, die sich um die Jugendarbeit kümmert. "Edgar war immer im Training, er war sehr sehr zuverlässig." Petra Lurz und ihr Mann Jürgen, der Edgar in der Jugend trainiert hat, fühlen sich hilflos angesichts der Situation. "Uns tut das total leid, wir verstehen das auch nicht. Wir bemühen uns, versuchen allen Zuverlässigkeit und Disziplin beizubringen, damit sie in Deutschland bleiben können", sagt sie über die ehrenamtliche Arbeit. "Doch dann ist das Gegenteil der Fall!"
Im Verein seien Ringer aus Russland, Tschetschenien, Georgien, Italien, Aserbaidschan und der Ukraine. "Wir haben nie Probleme gehabt", sagt Petra Lurz. Auch nicht mit Edgar. Im Gegenteil. "Für mich ist es wichtig, dass die Jungen einem in die Augen schauen, dass sie einem die Hand geben und ein Selbstwertgefühl entwickeln. Da hat Edgar einen guten Weg eingeschlagen", sagt Jürgen Lurz. Er ist enttäuscht angesichts der Entscheidung der Behörden und glaubt, dass der Junge gerade jetzt in der Pubertät ein stabiles Umfeld gebraucht hätte.
"Wir verstehen nicht, dass sie nach so vielen Jahren gehen müssen, auch weil sie sich so gut integriert haben. Wir verstehen nicht, dass so eine Familie rausgerissen wird", sagt Petra Lurz. Die Verantwortlichen fürchten, dass es auch noch andere treffen könnte, die ebenso schon länger im Verein sind.
Da ist diese Nachricht nicht gerade beruhigend: "Wir müssen jetzt den anderen am Freitag im Training sagen, der Edgari kommt nicht mehr."
Die einzige Kritik die mir dazu einfällt, ist warum es vier Jahre dauert bis die Menschen abgeschoben werden.
An der Abschiebung hab ich grundsätzlich nichts auszusetzen da hier einfach nur geltendes Recht durchgesetzt wird.
Allerdings stellt sich mir die Frage, ob solche Abschiebungen nur deshalb stattfinden weil der Zwang dazu besteht und man die Quoten erfüllen muss. Und man deshalb die Menschen abschiebt bei denen dies möglich ist, während man die anderen z.B. aus den Maghreb Staaten wegen Mangelnder Rückführungsmöglichkeit weiterhin ertragen muss.
Ich bin der Meinung, das Alleinreisenden jungen Männer, welche die Mehrzahl der Asylsuchenden darstellen mit oberster Priorität abgeschoben werden müssen sofern sie kein Bleiberecht haben. Lieber dafür Frauen und Kinder hierbehalten.
Ich schließe mich voll ihrer Meinung an. Wieso werden die Anstrengungen nicht darauf gerichtet, die zum großen Teil Ärger verursachenden Nordafrikaner abzuschieben? Gerade hier in Bamberg sind fast täglich unangenehme Vorkommnisse. Die Zuständigen sollen sich mal die Protokolle der Polizei und entsprechende Berichte im Fränkischen Tag ansehen. Fällt da unseren Volksvertretern nichts ein außer Worthülsen? Eine Familie nach 4 Jahren, die integriert war, abzuschieben ist gewiss keine Heldentat. Finde ich unmöglich!