Wo rumpeln die Güterzüge künftig durch Bamberg? Wie hoch werden die Mauern in Bamberg? Der neue Stadtrat muss sich am Mittwoch mit einer Weichenstellung befassen. Ein erster Trend steht bereits fest: CSU und SPD bleiben bei ihrer Ablehnung einer Bahntrasse durch den Bamberger Osten.
Für nicht wenige in Bamberg wäre es wohl besser, der Bundesfinanzminister würde ihnen die Entscheidung abnehmen. Wenn tatsächlich kein Geld da sein sollte für die Vollendung des Verkehrsprojekts Deutsche Einheit in Bamberg, wie das Umfeld um den grünen Fraktionschef im Bundestag, Toni Hofreiter, seit einigen Wochen wissen will, dann könnten die Bamberger noch eine ganz Weile in Frieden und ohne Furcht vor einem Jahrzehnt der Mega-Baustellen leben. Dann entfiele auch die Entscheidung zwischen Pest und Cholera.
Dabei kann man durchaus darüber streiten, was von den übrig gebliebenen drei Ausbauvarianten die Pest und welche die Cholera ist und ob nun die Cholera oder die Pest die schlimmere Krankheit ist.
Wird der Lärm "exportiert"? Nehmen wir zum Beispiel die Initiative "Trasse mit Vernunft". Für dieses Bündnis aus Bamberger Naturschutzverbänden
und des Verkehrsclubs Deutschland gehört die Ost-Trasse "zu den eindeutigen Verlierern" des Faktenchecks der letzten Monate. "Sie bedeutet immensen Flächenverbrauch, hohe Folgekosten beim Wassermanagement sowie einen Export der Lärmbelastung statt dessen Reduktion. Die Osttrasse ist die ökologisch gesehen schlechteste Trasse", fasst Dieter Volk die Meinung vieler zusammen, die im Osten wohnen, aber nicht nur dort.
Unumstritten ist das aber nicht. Mit ihrem Feldzug gegen eine weitere Durchschneidung des Hauptsmoorwaldes und für den Ausbau der Bahnlinie auf der bestehenden Trasse treiben die Naturschützer die Mitglieder der "Initiative Bahnsinn" auf die Barrikaden. In dieser Bürgerinitiative fühlt man sich doppelt missverstanden. Weil sich die Bahnsinn-Leute dafür ins Zeug legen, das Welterbe vor meterhohen Mauen und die Stadt vor einer Teilung zu bewahren.
Aber auch weil man sich schon durch die falschen Formulierungen in die Ecke der Umweltzerstörer gedrängt sieht. "Wir sind nicht für eine Ostumfahrung, wie sie die Bahn geplant hat. Wir glauben, dass eine getunnelte Umfahrung im Osten ausschließlich für Güterzüge der Weg mit den kleinsten Belastungen für Bamberg ist", sagt der Bahnsinn-Beauftragte Herbert Meyer.
Zusammen mit Armin Moritz hat Meyer einen detailreichen Plan ausgetüftelt, der nach ihrem Dafürhalten wesentlich mehr könnte als alles, was die Bahn bisher vorgelegt hat: die Reduzierung der zu erwartenden jahrelangen immensen Baumaßnahmen im Stadtgebiet gehört ebenso dazu wie die Freigabe von großen innerstädtischen Flächen, die jetzt noch von der Bahn beansprucht werden; zuletzt die Schonung der Gärtnerflächen in der Nordflur und der Verzicht auf Eingriffe im Trinkwasserschutzgebiet in der Südflur.
Doch auch das ist nur die eine Seite. Die Stadtverwaltung mit dem neuen Baureferent Thomas Beese an der Spitze sieht die Konsequenzen einer Trassenführung im Osten weit weniger euphorisch als Bahnsinn. "Unterm Strich können wir die Variante 3 mit einer Trassenführung im Hauptsmoorwald nicht befürworten, weil die Probleme vor allem beim Flächenverbrauch und den Grundwasserströmen sehr massiv sind", sagt Sprecher Claus Reinhardt. Was jedoch nicht heißt, dass die anderen Lösungswege problemlos wären: "Es gibt keinen Weg ohne starke Eingriffe."
In der Tat hat die Faktensammlung mit jetzt 14 Anlagen, über die der Stadtrat heute diskutiert, erhärtet, was schon im Frühling feststand. Sämtliche Gutachten und Stellungnahmen der Fachbehörden sehen große Hindernissen bei allen drei Varianten, aber die mit Abstand meisten und höchsten bei der Ostumfahrung.
Und da geht es nicht um Kleinigkeiten, sondern um zentrale öffentliche Belange wie Flächenverbrauch, Grundwasser sowie um Erholungs- und Naturwert der Landschaft.
Hat die Bahn freie Trassenwahl? Allein den zusätzlichen Verlust an Waldfläche beziffert die Stadt bei einer Ostumgehung mit 48 Hektar: "Wie Bahnsinn oder die Grünen angesichts der erforderlichen Betonbauwerke im Untergrund von einer ,Light-Version´ sprechen können, ist mir ein Rätsel", sagt Reinhardt.
Noch ein Problem stellt sich: Die Lärmbelastung für die Innenstadt könnte möglicherweise selbst dann bestehen bleiben, wenn sämtliche Güterzüge auf Tunnel oder Umfahrung ausweichen könnten.
Denn würde die Bahn, wie es etwa das Eisenbahnbundesamt als möglich erachtet, vom Recht auf freie Trassenwahl Gebrauch machen, dann schließen Tunnel oder Ostumfahrung am Ende nicht aus, dass die Güterzüge doch wieder mitten durch Bamberg rumpeln - eben weil es die Bahn so will.
Bahnsinn zweifelt diese Verknüpfung zwar an, und auch die Stadt will ein neues Rechtsgutachten beauftragen, um diese Frage definitiv zu klären. Dennoch besteht wenig Anlass zu glauben, dass die großen Fraktionen im Stadtrat noch einmal von ihrer bereits früher gefassten Meinung abweichen: "Wir lehnen die Variante 3 im Osten deshalb ab, weil sie die gravierendsten ökologischen Beeinträchtigungen zur Folge hätte", sagt etwa Klaus Stieringer von der SPD. Um diesen Standpunkt zu unterstreichen, will sein Kollege Heinz Kuntke heute 1000 Unterschriften an den OB überreichen. Die SPD hat sie vor der Wahl gesammelt.
Auch Bambergs CSU macht keinen Hehl daraus, dass sie sich endgültig gegen die Ostumfahrung entschieden hat. "Wir möchten aber dennoch, dass die Stadt mit einem Gutachten klärt, ob die Bahn tatsächlich die Freiheit der Trassenwahl hat", sagt Helmut Müller. Wäre dem so, käme das für die CSU einem Ausschlussargument gleich. Denn dann würde eine Umfahrung ja überhaupt keinen Sinn mehr machen, wenn sie umfahren werden könnte.
Natürlich könnte eine solche Rechtsauffassung auch der Tunnelllösung den Todesstoß versetzen. Bamberg bliebe die Wahl zwischen Pest und Cholera erspart. Was in diesem Fall aber kein Trost wäre.