Jenny Erpenbeck: angehende Poetikprofessorin in Bamberg

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enny Erpenbeck. Foto: Ronald Rinklef
enny Erpenbeck. Foto: Ronald Rinklef

Zu den "Grenzgänger"-Lesungen kommen renommierte Autoren wie Jenny Erpenbeck an die Otto-Friedrich-Universität. Die Ost-Berliner Schriftstellerin ist zugleich die nächste Bamberger Poetikprofessorin.

Fast ein wenig scheu steht sie hinter dem Rednerpult im Hörsaal des Instituts für Katholische Theologie der Bamberger Universität. Dabei hätte sie keinen Grund, nervös zu sein, denn zur Lesung aus ihrem Text "Heimsuchung" (2008) sind derart viele Literaturinteressierte gekommen, dass der Raum sie kaum fassen kann. Jenny Erpenbeck ist wohl tatsächlich ein wenig aufgeregt, wird sie ihrem Publikum doch erstmals ihre Recherchedokumente zur Geschichte des zwölfjährigen jüdischen Mädchens Doris zeigen, das im Zweiten Weltkrieg in Treblinka ermordet wurde; für sie ein emotionaler Moment.

Erpenbeck klickt sich auf ihrem Computer bedächtig durch Briefe der kleinen Doris an ihre Eltern, zeigt Fotos des Mädchens, hält dann wieder schweigend inne. Die Geschichte geht ihr nah, ist Doris doch über verschlungene Wege verbunden mit eben jenem Haus an einem märkischen See, das später Erpenbecks Großeltern gehörte.

Doris' Weg führte weit weg von dem Haus, das im Zentrum der zwölf Kapitel von "Heimsuchung" steht. Um die Geschichten rund um dieses Anwesen zu recherchieren, ist die Ost-Berliner Schriftstellerin, ausgestattet mit dem Grenzgänger-Stipendium, einem Programm der Robert-Bosch-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Literarischen Colloquium Berlin, auch nach Warschau gereist. "Wie fühlt es sich an, wenn jemand zur Verladerampe geht?". Schließlich habe Erpenbeck mit dem Zug aus Warschau wieder zurück nach Deutschland reisen können, die historischen Vorbilder ihrer Figuren jedoch überschritten "in diesem Moment die Grenze zum Tod". Solche Fragen nach realen und kulturellen Grenzen beschäftigen sie.


"Sprache ist Klang"


Die Autorin wirkt auf den ersten Blick unscheinbar, wie sie so dasteht in ihren Wanderschuhen, mit dem dunklen Cord-Blazer und der schwarzen Bluse. Erpenbeck spricht auf charmant authentische Art und Weise. Sie ist eine, der man gerne zuhört, weil sie sich für ihr Gegenüber interessiert, etwa für ihre studentischen Zuhörer: "Das ist immer verrückt, weil man denkt: Was wird aus denen? Wo werden die später sein? Man weiß natürlich nicht, was man in Gang setzt in deren Köpfen."

Die 45-Jährige, die sich selbst als "echte Berlinerin" bezeichnet, entstammt einer Schriftstellerfamilie, ist Autorin in der dritten Generation. Dennoch: "Ich schreibe nicht in Konkurrenz zu irgendjemandem, auch nicht meiner Familie." Erpenbeck studierte einige Semester Theaterwissenschaft, später Musiktheater-Regie. Das, sie ist sich darüber selbst nicht im Klaren, mag unbewusst Einfluss auf ihr Schreiben nehmen, etwa wenn sie, gleich einer Dramaturgin, Strichfassungen ihrer Prosatexte erstellt. Auch der vom Theater geprägte Umgang mit der Musik habe ihr Empfinden für Rhythmus und Tempo-Wechsel trainiert. "Sprache ist Klang", fasst Erpenbeck prägnant zusammen.

2001 gewann sie den Preis der Jury beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt, der für ihre Karriere zwar wichtig gewesen sei, sie selbst aber in keiner Weise verändert habe. "Jedes Buch ist natürlich genauso schwer wieder anzufangen. Jedes Mal sitze ich da und denke: Ach, konnte ich mal gut schreiben, waren das noch Zeiten", sagt die Bamberger Poetikprofessorin des kommenden Jahres mit einem Schmunzeln, bevor sie zur nächsten Lesung aufbricht, diesmal nach München.