Zurück in die Nachkriegszeit führen 23 Geschichten von Edgar Steinfelder. Als Messdiener spielte der Bamberger Lausbub Kirchenbesuchern an Weihnachten seinen spektakulärsten Streich.
Vorbei ist's mit der Schlemmerei! Die kargen Nachkriegsjahre sind zurück, in denen sich Familien über "Tante Emma" zum Monatsende noch auf Pump ernährten. Ebbe herrschte in den Kassen. Improvisation war angesagt. Es galt den Gürtel enger zu schnallen, wie Ludwig Erhard als "fettleibiger" Vater des Wirtschaftswunders forderte. Daran erinnert sich ein ehemals fränkischer "Rotzlöffel" in 23 Geschichten: Im Advent lässt Edgar Steinfelder die gute alte Zeit mit Sarkasmus, Selbstironie und eben auch Seitenhieben gegen die Politik aufleben, die das Volk zu allen Zeiten zu verdummen suchte. "A Schlenggäla zärügg nooch Bambärch" nennt sich sein gerade erschienenes Werk - rechtzeitig, um noch als Geschenktipp zum Fest der Liebe zu dienen.
Sandkerwa als Denkanstoß Gleich im (für Nordlichter übersetzten) Titel "Ein Schlenker zurück
nach Bamberg" outet sich der Autor als Emigrant, der der Heimat nach Lehr- und Studienjahren den Rücken kehrte. Insgeheim aber schlug das Herz des heute 68-Jährigen weiter für den "Edelstein im fränkischen Schmuckkästchen", wie Steinfelder Bamberg bezeichnet. Den entscheidenden Anstoß zu seinen "Lausbubengeschichten" gab im vergangenen Jahr ein Besuch der Sandkerwa. "Spaziergänge durch die alten Gassen riefen so viele Erinnerungen wach, dass ich diese Erlebnisse aufzuschreiben begann", berichtet der aus einem Schriftsetzer hervorgegangene Druckingenieur.
In Mundart erzählt der einstige "Rotzlöffel" Episoden aus Kindheitstagen, um das Geschehen auch stilistisch adäquat umzusetzen. Externen Lesern liefert er zugleich die schriftdeutsche Version sämtlicher Erlebnisse - Kapitel für Kapitel.
So empfiehlt sich Steinfelders Band mit einer 1:1-Übersetzung zum "Bambärchä Urtext" Nordlichtern zugleich als Einstieg in den Sprachkosmos des Homo Bambergensis.
Mit einem peinlichen Malheur beginnt die Reise in die frühe Besatzungszeit. Schon damals bröckelte das Fraternisierungsverbot. Der Nachwuchs lernte die Präsenz der GIs dank "Ami-Schokolade" schätzen, die sich auch Edgar verbotenerweise sicherte und in der hinteren Hosentasche verbarg. Statt die Leckerei gleich zu essen, hatte er sie im Kindergarten bald zu braunem Brei gesessen. "Edgar, Hosnscheißä", trompeteten zwei Mädels, als der Knirps zum Ringelreigen vom Stuhl aufstand. Was Edi gewaltig stank, den die Betreuerinnen peinlich berührt nach Hause schickten.
In höheren Sphären Ließ jene Begegnung mit dem anderen Geschlecht Steinfelders frommen Vorsatz, Priester zu werden, reifen? Als "total durchgeistigt" beschreibt sich der Autor vor seiner Erstkommunion: "Regelmäßig habe ich im Bett vor dem Einschlafen zündende Predigten gemurmelt." Erst Heidemarie (Schnitzer) zog den in höheren Sphären schwebenden Klassenkameraden auf den Boden der Tatsachen. Die weisen Worte der pausbäckigen Neunjährigen "Des weä a Schand, wenn du dich dä Frauenwelt väschließn deest" verfehlten ihre Wirkung nicht.
Was wäre Steinfelder auch entgangen, hätte er sein Leben im Zölibat gefristet? Erster Liebesfrust mit Ritwa beispielsweise, die ihn als schwedische Austauschschülerin abblitzen ließ. Welch ein Glück, dass die erste Tanzpartnerin Edgar zumindest
gestattete, sie nach Hause - bis hinauf auf den Oberen Kaulberg - zu begleiten.
Nein, leicht war die Damenwelt der 50er Jahre nicht zu haben. Sie wusste sich unliebsamer Verehrer zu erwehren - bis hin zu Oma Steinfelder, deren "Wunderwaffe" in einem Döschen schlummerte.
Gerade nachts setzte die rüstige alte Dame auf ihre Verteidigungsstrategie: "Wenn so ein Ami was von mir will, dann streu' ich ihm Pfeffer in die Augen, dass er nur mehr Sternlein sieht." Sicherheitshalber würde sie Angreifern noch ihr Handtäschchen über den Schädel hauen, bis sie "die Englein singen hören".
Zuletzt noch eine teuflische Lausbubengeschichte zum Fest der Liebe. So überließ man es Edgar als "fränkischem Rotzlöffel" ausgerechnet am ersten Weihnachtsfeiertag, das Weihrauchfass zum Besuch des Weihbischofs zu schwenken.
Folglich schwenkte der Messdiener, schwenkte und schleuderte das Gefäß, bis sich das Fass überschlug. Prompt nebelte eine "riesige Rauchwolke" sämtliche Priester samt dem Ehrengast und allen Gläubigen ein, die die Hand nicht mehr vor Augen sahen. "Ein schreckliches Hustkonzert" erklang im Gotteshaus, gefolgt von einer anschließenden Strafpredigt für den Missetäter. Immerhin sollte die Geschichte Generationen von Ministranten noch Jahre später amüsieren.
"A Schlenggäla zärügg nooch Bambärch"
von Edgar Steinfelder hat 132 Seiten und ist unter ISBN 978-3-00-039721-9 erschien. Erhältlich ist das Buch im Handel ebenso wie über die Geschäftsstellen des Fränkischen Tags.