Zu einer Abbildung auf dem Kaisergrab im Dom gibt es eine schöne, wenig bekannte Legende. Sie lässt den Schluss zu, dass die Welt nicht heute und auch nicht künftig untergeht.
Unter den vielen Legenden, die es über das Bamberger Kaiserpaar Heinrich und Kunigunde gibt, ist auch eine, die der Volksmund in früheren Zeiten mit dem Weltuntergang in Verbindung gebracht hat. In wenigstens zwei Sagensammlungen aus dem 19. Jahrhundert taucht die "Bamberger Waage" auf. FT-Leser Professor Wilfried Krings stieß bei Internet-Recherchen zufällig auf diese Quellen und machte die Lokalredaktion aufmerksam.
"Es ist am Sarkophage/ zu sehen, klein und leicht,/ dort eine kleine Waage,/ die sich zur Seite neigt,/ wenn
die einst gleich wird stehen,/ wird auch die Welt vergehen." So lautet der mittlere Teil eines Gedichts, das sich in der Sammlung "Sagen des Franken-Landes - mit besonderer Beziehung auf Aschaffenburg, Würzburg, Bamberg und deren Umgebungen" von Wilhelm Diez-Felwinger findet. Er gab das Werk 1855 in Aschaffenburg heraus.
Um die selbe Zeit editierte der Dichter, Philologe und Publizist Karl Joseph Simrock die Sammlung "Deutsche Mythen und Sagen". Enthalten ist das Gedicht "Bamberger Wage" - mit einem ,a' geschrieben - , in dem es u.a. heißt: "Und eine alte Sage spricht,/ so hat man mich belehrt,/ verbürgen kann ichs freilich nicht,/ doch scheints bemerkenswerth:/ Wenn einst der Wage Züngelein,/ sich mitten inne stellt,/ das soll ein sicheres Zeichen sein/ vom Untergang der Welt."
Beide Gedichte beziehen sich auf die so genannte Seelenwägung - eine Szene vom Sterben des Bamberger Bistumsgründers, die am Kaisergrab im Dom zu sehen ist. Die Darstellung schmückt die nördliche Längsseite des weltberühmten Sarkophags, der Ende des 15., Anfang des 16. Jahrhundert in der Werkstatt Tilman Riemenschneiders aus Solnhofener Kalkstein entstanden ist.
Gezeigt wird der Erzengel Michael mit einer Waage in der Hand. Sie schlägt unübersehbar nach einer Seite aus, weil der Legende nach der heilige Laurentius einen Kelch als Zeichen für Heinrichs fromme Taten in die Waagschale geworfen hat. Das Ringen mit dem Teufel um die Seele des Kaisers gewinnt daraufhin der Erzengel.
Die Waage am Kaisergrab ist zwar nicht in Stein gemeißelt, sondern aus Eisen, aber sie ist fixiert. Es ist kaum zu befürchten, dass sie irgendwann ins Lot geraten könnte. Der Volksmund hat sich also ein Objekt ausgesucht, mit dem sich gut gegen grassierende Weltuntergangs-Ängste argumentieren ließ.
So heißt es im Gedicht der Simrock-Sammlung auch noch: "Drum glaubt nicht, was Propheten lang/ schon in die Welt posaunt:/ Es ist zu nahem Untergang/ die Welt noch nicht gelaunt./ Posaunen Jerichos, der Schall/ Euch viel zu früh entquillt:/ Ihr seht ja, daß noch überall/ Bamberger Wage gilt."
Auf dem Domberg kennt man natürlich die Legende von der Seelenwägung. Dass frühere Generationen das Kaisergrab auch in Verbindung mit Weltuntergangs-Vorhersagen gebracht haben, war weder Domkapitular Norbert Jung bekannt, der in der Bistumsleitung für Kunst und Kultur zuständig ist, noch dem Leiter des Diözesanmuseums, Holger Kempkens.
Der kennt allerdings eine andere Weltuntergangs-Legende aus seiner Vaterstadt Köln. Auch sie rankt sich um den Dom. "Man sagt," so Kempkens, "wenn der Kölner Dom fertig wird, geht die Welt unter." Bekanntlich ist er eine Dauerbaustelle, die erst wenige Jahre lang gerüstfrei stand.
... und mutig, dass der FT trotz Weltuntergangswarnung erschienen ist. Ein riskantes wirtschaftliches Unterfangen. Wenn man diesem hanebüchenen Thema gleich insgesamt vier (!) Seiten widmet, so muss man sich nur noch wundern. Der Abstand zum Blatt mit vier (!) Buchstaben wird leider immer kleiner ...
Der Spiegel hat sogar einen Artikel online, der erklärt warum der Weltuntergang vorerst abgesagt wurde.
Eigentlich gibt es schon Anlass zum kritischen Nachdenken, warum die Seele eines Heiligen, der das Erzbistum Bamberg gegründet und in dessen Folge die Benediktiner-Abtei St. Michael mitgestiftet hat, der nach der Überlieferung eine keusche Ehe gemäß dem Vorbild der Hl. Familie geführt hat, Kirchen und Klöstern reiche Schenkungen (- in der Hoffnung auf das eigene Seelenheil und ewiges Leben im himmlischen Paradies -) vermacht hat, der das aufgelöste Bistum Merseburg wieder eingerichtet hat, dass also die Seele dieses heiligen Kaisers nach seinem Tod von den Wächtern der Himmelspforte noch kritisch gewogen muss?
Vielleicht war er gar nicht so brav und gütig, wie ihn die Kirche gerne hätte: Eher aufbrausend, widerwärtig und griesgrämig – und sogar eifersüchtig und misstrauisch gegenüber seiner liebenswürdigen Gattin Kunigunde, wie uns die Legende von deren Unverletzlichkeit auf den glühenden Pflugscharen übermittelt?
Da hat dieser Heinrich auf der Schwelle zum Himmel aber echt Glück gehabt, dass der Hl. Laurentius, der Patron des Merseburger Doms, sich des von Heinrich gestifteten Kelchs erinnert und diesen gerade noch rechtzeitig auf die „gute“ Seite der Seelen-Waage GEWORFEN hat: Daher ist der Kelch sogar leicht beschädigt: Ihm fehlt auch einer der beiden Henkel.
Ja, ja, der Hl. Laurentius: An dessen Todestag – am 10. August – hat Kaiser Otto I. („der Große“) im Jahr 955 die Ungarn auf dem Lechfeld besiegt und 1002 wurde Kunigunde in Paderborn zur deutschen Königin gesalbt und gekrönt. Er hat seinen Kelchschenker Heinrich in dessen schwerster Stunde nicht vergessen – und so im Grunde auch dessen Seele vor den Dämonen der Hölle bewahrt.
Und den Bambergern hat er die Laurenzi-Kerwa beschert (midd am guud’n Biä vom Greifenglau …)
ORA PRO NOBIS !
(Ich schau’ schnell mal raus, ob die Welt schon bald untergeht …)