Seit 30 Jahren ist Richard Brox obdachlos. Dass sich die Situation verschlechtert, hat seiner Ansicht nach auch mit der Flüchtlingskrise zu tun.
Als er sein Handy abnimmt, befindet sich Richard Brox gerade in Kassel. Wohin er anschließend weiterreisen wird, weiß der 52-Jährige zu diesem Zeitpunkt noch nicht: "Vielleicht geht es nach Bayern." Der 52-Jährige, der in Mannheim zur Welt gekommen ist, ist seit über drei Jahrzehnten ohne festen Wohnsitz.
Die Erfahrungen, die Brox in seinen Jahren auf der Straße gemacht hat, teilt er in seinem Internet-Blog
ohnewohnung-wasnun.blogspot.de. Dort finden Wohnungs- und Obdachlose Tipps und Anlaufstationen, die ihnen das Leben auf der Straße erleichtern sollen.
Wie fühlt sich das Leben als Obdachloser in Deutschland an?
Richard Brox: Es fühlt sich nicht gut an. Die Voraussetzungen für Obdachlose sind schlechter geworden. Zum einen steigt die Zahl der Obdachlosen. Zum anderen sinkt die Zahl an Schlafplätzen, Wärmestuben und Notunterkünften. Es ist schwer geworden, dort einen Schlafplatz zu bekommen.
Warum ist das so? Wohnungslose haben doch einen rechtlich verbindlichen Anspruch auf eine menschenwürdige Unterbringung.
Das liegt daran, dass sich viele soziale Träger jetzt vor allem um die Flüchtlinge kümmern. Das geht zulasten jener Obdachlosen, die völlig unabhängig von ihrer Nationalität schon lange in Deutschland leben. Ich kenne Einrichtungen, in denen ganze Etagen für Flüchtlinge geräumt worden sind, die früher für Obdachlose zur Verfügung standen.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe bestreitet dagegen, dass die Interessen von Obdachlosen und Flüchtlingen gegeneinander ausgespielt werden.
Es entspricht aber den Erfahrungen, die ich und andere Obdachlose täglich machen. Auch in Nürnberg ist das zum Beispiel so.
Sind unter den Obdachlosen inzwischen viele Flüchtlinge?
Man schätzt, dass es zwischen 10 000 und 20 000 sind. Die haben in der Regel aber nur wenig Kontakt zu anderen Obdachlosen. Ich habe den Eindruck, dass sie auch sehr mobil sind. Man sieht sie nur kurz, bevor sie wieder weg sind.
Wie gehen die fränkischen Kommunen mit Obdachlosen um?
Nürnberg ist für mich eine Paradestadt. Es gibt viele Hilfsangebote. Obdachlose werden sogar in Pensionen untergebracht. Mit
Bamberg und Erlangen habe ich keine guten Erfahrungen gemacht. Es gibt hier keine Wärmestuben. In Bamberg gibt es eine Einrichtung in der Siechenstraße. Aber die ist klein und dient vor allem Obdachlosen, die sich dauerhaft in Bamberg aufhalten. Dennoch habe ich in Bamberg eine meiner schönsten Erfahrungen gemacht.
Erzählen Sie.
Eine Frau Winkler hat mich einige Tage in ihrer Pension versorgt. Ich erinnere mich noch an ihre beiden Katzen. Vielleicht liest sie das Interview. Ich bin ihr immer noch sehr dankbar.
Seit wann leben Sie auf der Straße?
Im April habe ich mein 30. Jubiläum gefeiert. Ich bin eher in die Obdachlosigkeit hineingeschlittert. Aber das geht vielen so. Viele, die auf der Straße leben, haben einen Defekt: Drogensucht, Alkoholismus, psychische Erkrankungen, nicht verarbeitete Trennungen oder einen Gefängnisaufenthalt.
Was ist Ihr Defekt?
Über die Vergangenheit möchte ich nicht mehr reden. Heute ist mein Defekt die Tatsache, dass ich mich an das Leben auf der Straße gewöhnt habe.
Haben Sie die Hoffnung auf einen festen Wohnsitz aufgegeben?
Nein.
Haben Sie Angst davor, als alter Mann noch auf der Straße leben zu müssen?
So weit will ich das erst gar nicht kommen lassen. Ich bin jetzt 52 Jahre alt, da geht das noch. Wenn ich 60 Jahre alt bin, will ich mir über meine Zukunft Gedanken machen. Es gibt spezielle Einrichtungen für ältere Obdachlose, zum Beispiel in Nürnberg. Wenn man nicht mehr selbstständig ist, wird es auf der Straße brutal.
Ist es jetzt im Winter besonders hart auf der Straße?
Das ist die härteste Zeit im Jahr. Besonders gefährlich ist die Kombination aus Kälte und Feuchte. Das erhöht die Gefahr, an einer Lungen- oder Nierenentzündung zu erkranken. Die wenigsten haben gute Schlafsäcke und ausreichend warme Kleidung. Ich bin deshalb froh, wenn ich im Winter nachts ein Dach über dem Kopf habe.
Das heißt, Sie schlafen nicht in jeder Nacht unter freiem Himmel?
Das mache ich nur, wenn es gar nicht anders geht.
Wie verdienen Sie Geld?
Zum einen gehe ich betteln. Zum anderen haben Obdachlose Anspruch auf einen sogenannten Tagessatz. Der bemisst sich an monatlich 408 Euro, geteilt durch die Zahl der Tage. Allerdings ist es oft nicht leicht, an die Tagessätze ranzukommen. Die Auszahlstellen sind zum Teil sehr verstreut und es ist mit einer langen Wartezeit auf den Ämtern verbunden. Ich kenne Obdachlose, die deshalb diese Leistung erst gar nicht in Anspruch nehmen.
Wie viel Geld haben Sie am Tag zur Verfügung?
Es sind zwischen zehn und 15 Euro. Damit muss ich Essen und Trinken, die Bahnfahrten und auch die Unterkünfte bezahlen. Ich komme über die Runden und habe das Notwendigste.
Wie viel müssen Sie für einen Platz in der Notunterkunft bezahlen?Eine Nacht kostet in der Regel zwischen drei und sechs Euro.
In Berlin haben Jugendliche versucht, einen schlafenden Obdachlosen in Brand zu stecken. Müssen Obdachlose um ihr Leben fürchten?
Die Justiz muss ein Zeichen setzen. Sonst entsteht der Eindruck, Obdachlose sind Freiwild. Gewalt, sexuelle Übergriffe, Erniedrigungen und Beleidigungen sind aber schon längst Alltag für Obdachlose. Wir sind für viele Dreck und entsprechend behandeln sie uns.
Wer bedroht Obdachlose?
Immer noch am stärksten die Rechten. Ein Problem sind aber auch muslimische Migranten, vor allem, wenn sie in Gruppen auftreten. Auch von ihnen geht eine große Verachtung aus, gerade gegenüber Frauen und Menschen mit einer anderen sexuellen Orientierung. Wir Obdachlosen sind die Schwächsten der Gesellschaft. Wir spüren es als Erste, wenn sich Hass und Gewalt ausbreiten.
Sind Sie selbst schon einmal körperlich bedroht worden?
Natürlich. Vor drei Jahren zum Beispiel hatten Jugendliche in Hannover versucht, mich zu bestehlen. Ich bat vorbeilaufende Menschen, mir zu helfen. Keiner half.
Wer hat Ihnen am Ende geholfen?
Ein Mitglied der Hells Angels. Ich kenne einige Fälle, in denen Rocker von den Hells Angels Obdachlosen zu Hilfe gekommen sind.
Sind viele Obdachlose zu ihrem Schutz bewaffnet?
Eher nicht. Ich rate aber Frauen und Mädchen, sich mit Teleskopstangen zu schützen.
Gibt es auch unter Obdachlosen selbst Gewalt?
Obdachlose sind keine edleren Menschen. Es herrscht großer Neid. Wer eine bessere Jacke oder ein gutes Handy hat, muss aufpassen. Auch in Einrichtungen wird geklaut, bedroht und geschlagen. Es herrscht das Recht des Stärkeren.
Das Gespräch führte
Christoph Hägele.
es ist heute ein interessanter Artikel im FT zu diesem Thema. Was dieser junge Mann in Köln macht ist klasse, natürlich sind gleich wieder die Behörden präsent mit diversen Auflagen
http://www.infranken.de/ueberregional/2-8-Quadratmeter-fuer-Obdachlose-Hobby-Schreiner-baut-Wohnboxen;art55462,2450365
Die Stadt Köln sieht das anders. "Bei diesen Boxen handelt es sich nach dem, was der Stadt bislang telefonisch angekündigt wurde, um eine Unterkunft ohne Strom, Wasser, Kanal, Heizung und ohne ausreichende Stehhöhe", sagt Pressesprecherin Inge Schürmann. "Für die dauerhafte Nutzung als Wohnraum sind solche Boxen nicht genehmigungsfähig." Konkrete und prüfbare Angaben lägen nicht vor, obwohl man darauf hingewiesen habe, teilte die Stadt mit.
Ich glaube nicht, dass es die Schuld der Regierung ist, dass der Mann auf der Straße lebt.. immerhin war er damals erst mal 22 Jahre alt. Das Problem liegt eher darin, dass sich die Obdachlosen nicht helfen lassen wollen.. Es ist richtig genügend Stellen für solche Menschen einzurichten. Aber nach gewisser Zeit sollten diejenigen wieder in den Alltag zurükkehren.
Ich würde mir wünschen, daß dieses Interview bis nach Berlin gelangt. Damit sie endlich einmal sehen, in was für einem "reichen, wohlhabenden" Land viele Bürger leben! Sicher hat das auch mit der Flüchtlingskrise zu tun. Und das muß angesprochen werden! Vergleicht doch mal insgesamt die Bilder von Flüchtlingen und die der Obdachlosen! Wer ist besser gekleidet? Wer ist besser gepflegt? Wer hat eine bessere Unterkunft? Und vor allem: wer bekommt mehr Geld? Bestimmt nicht die Obdachlosen!
Das wissen die. Frau Wagenknecht hat kürzlich mal Briefe von Bürgern im Bundestag zitiert. Da haben die werten Abgeordneten gelacht. Wie sich die Bürger durchschlagen, ist denen völlig egal. Im Gegenteil: Wer drei Jobs arbeiten muss, hat weniger Zeit und Energie zum demonstrieren, ja, nicht einmal zum Nachdenken. Das ist doch prima. Und dann gibt es ja immer noch die Mitmenschen, die tatsächlich der Auffassung sind, Obdachlose wollen so leben. Die wollen sich gar nicht helfen lassen. Das ist wie Arme oder Sozialhilfeempfänger. Die sind halt einfach nur zu doof.
Na das ist ja mal wieder eine Gelegenheit für die Tränendrüsen-Drücker von rechts außen, auf die da in Berlin zu zeigen. Einer will seit 30 Jahren lieber auf der Straße, unter Brücken, in U-Bahn-Schächten usw. leben als in einer Einfachunterkunft oder gar in einer Sozialwohnung. Ja, da müsste er aufs Amt, Anträge lesen und unterschreiben, ein Konto einrichten, sich pflegen und die Klamotten wechseln, einigermaßen geordnet leben halt. Aber das will der nicht - und viele andere Nichtsesshafte halten es genauso. Wenn einer nicht arbeiten will und zu bequem ist, die gebotenen Hilfen unseres Sozialstaates auch nur in Anspruch zu nehmen, so hält sich mein Mitleid in Grenzen. Wer sich in einer Notlage um Hartz IV u. dgl. bemüht, ist hierzulande nicht arm dran: Miete zahlt der Staat (Staat sind nicht die in Berlin oder München, sondern wir 80 Millionen in D), dazu gibt's über 400 € mtl. aufs Konto, das Recht, bei der Tafel oder in Josefsläden billigst einzukaufen oder sich in karitativen Kleiderkammern kostenlos (auch mit wertvoller) Kleidung aus 2. Hand einzudecken, in Bamberg sogar Freitickets für hochrangige Kulturveranstaltungen. Ich hoffe, die Betroffenen wissen, wem sie das alles zu verdanken haben ---- nicht der AfD, nicht der NPD und auch nicht der Linken. Und an "Scheindemokratie" eine Bitte: Melden Sie jeden deutschen Sozialhilfeempfänger, der weniger hat, seit wir den Flüchtlingszustrom verkraften müssen, ihrem Sozialamt, damit sofort für Abhilfe geschaffen werden kann. Und posten Sie uns bitte jeden solchen Fall. Unser Staat - also wir alle zusammen leisten jährlich 200 Milliarden Euro an Familienhilfe. Das reicht offenbar vielen immer noch nicht.