Coronavirus: "Fühle mich im Stich gelassen" - Oberfranke saß tagelang zu Hause fest

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Seit nun fast einer Woche befindet sich der Bamberger J.S. zu Hause. Das Gesundheitsamt hilft ihm nicht weiter - und seine Testergebnisse bleiben verschwunden. Symbolfoto: Terri Sharp/Pixabay
Seit nun fast einer Woche befindet sich der Bamberger J.S. zu Hause. Das Gesundheitsamt hilft ihm nicht weiter - und seine Testergebnisse bleiben  verschwunden. Symbolfoto: Terri Sharp/Pixabay

Im oberfränkischen Hirschaid (Landkreis Bamberg) war ein Mann tagelang zu Hause, ohne zu wissen, ob er mit dem Coronavirus infiziert ist oder nicht. Er wartete tagelang auf seine Testergebnisse - und auf seine Nachfragen reagierte lange Zeit niemand.

J.S. (Name von der Redaktion geändert) war tagelang verunsichert: Der 45-Jährige aus Hirschaid im Landkreis Bamberg befand sich sechs Tage lang zu Hause. Er gehört zu den Kontaktpersonen des infizierten Hautarztes aus Erlangen. "Ich befand mich am 24. Februar in der Hautklinik in Erlangen und habe seit dem 3. März deutliche Grippesymptome", berichtet der Betroffene im Gespräch mit inFranken.de. Inzwischen steht fest: Der Mann ist nicht an COVID-19 erkrankt und kann sein Leben wieder normal leben. Aber der Weg dorthin war nervenaufreibend und mühsam.

Sehr verunsichert, meldet sich der Mann umgehend am Mittwochmorgen (04. März 2020) bei seinem Hausarzt. Dieser verweist ihn an den ärztlichen Bereitschaftsdienst. Hier bekommt er schließlich die Anweisung, alle seine Kontaktpersonen zu informieren - sie alle müssen zu Hause bleiben. Er selbst solle auf den Rückruf des Gesundheitsamtes warten.

Coronavirus-Verdacht:45-Jähriger fühlt sich nicht ernst genommen

Als sich am Mittwochmittag dann das Gesundheitsamt meldet, werden die Sorgen des 45-Jährigen zunächst nicht ernst genommen: "In den Medien wird alles hochgespielt. Lesen Sie nicht so viel Zeitung", wird ihm am Telefon geraten. Auch einen Abstrich wolle man nicht machen. Wenn J.S. auf diesen bestehe, müsse er die anfallenden Kosten selbst tragen.

Am gleichen Abend dann erneut ein Anruf des Gesundheitsamtes: Man wolle ihn auf jeden Fall testen lassen. Alle Kontaktpersonen sollen bis dahin zu Hause bleiben. Ein Arzt werde sich in der nächsten Stunde bei ihm melden. S. informiert daraufhin alle seine Kontaktpersonen erneut mit der Warnung, so lange zu Hause zu bleiben, bis er sein Testergebnis erhalten hat. Dann beginnt für den Oberfranken und seine Familie eine lange Zeit des Wartens.

Am Donnerstagmorgen (05. März 2020) sind bereits 24 Stunden seit seiner Erstmeldung vergangen - noch immer ist kein Abstrich entnommen worden. "Ich versuchte, telefonisch noch einmal einen Ansprechpartner zu erreichen, aber: Ich landete nur bei einer Bandansage", berichtet der Hirschaider. Der am Vorabend angekündigte Arzt erscheint schlussendlich gegen 16 Uhr. Dann erst erfolgt der Abstrich - rund 33 Stunden nach seiner Kontaktaufnahme. Nach wie vor sitzen S. und alle seine Kontaktpersonen zu Hause fest.

Bange Tage: Warten auf Corona-Testergebnis

In den nächsten Tagen wartet S. bange auf sein Testergebnis - ohne Ergebnis. Das Gesundheitsamt meldet sich weder am 6., 7. noch am 8. März bei ihm. Seine Kontaktpersonen seien verunsichert und ratlos, niemand wisse wie es weitergeht, sagt der 45-Jährige. Am Telefon erreicht er wieder nur eine Bandansage.

Währenddessen beobachte er in den Medien, wie ganze Schulbusse getestet werden und zwei Tage später Entwarnung gegeben wird. Bei dem Hirschaider und seinen Kontaktpersonen hingegen bricht mittlerweile der fünfte Tag ohne Ergebnis an.

Bald ist J.S. eine Woche zu Hause. Am Montag (09. März 2020) erkundigt er sich bei seinem behandelnden Arzt nach seinen Testergebnissen. Dieser teilt ihm mit, dass die Teststreifen in Würzburg abgelehnt und dann nach Heidelberg geschickt worden seien, aber mittlerweile niemand mehr wisse, wo die Abstriche überhaupt seien.

Testergebnisse nicht auffindbar: 45-Jähriger ist fassungslos

J.S. ist fassungslos: "Ich arbeite im öffentlichen Dienst, meine Frau im Krankenhaus. Wen wir alles angesteckt haben können - das müssen Sie sich vorstellen!" Sie wollten nur wieder arbeiten gehen, so der Betroffene weiter.

Mittlerweile gehe es ihm ganz gut, sagt S. Er sei nur noch ein wenig verschnupft. "Wir bekommen langsam einen Hauskoller", betont er. Er, seine Frau und seine Tochter sind inzwischen seit sechs Tagen nicht mehr draußen an der frischen Luft gewesen. Für ihn funktioniere das Gesundheitssystem nicht mehr. Die Lage sei viel zu weit fortgeschritten.

Derweil ist dem Fachbereich Gesundheitswesen im Landratsamt Bamberg der Fall von J.S. offenbar gar nicht bekannt. "Wir haben aktuell nur einen Corona-Verdachtsfall: Eine Frau, die am Mittwoch aus der Quarantäne entlassen wird", berichtete Pressesprecher Frank Förtsch am Montag dem Fränkischen Tag. "Wir wissen nicht, wer getestet wurde, sondern erfahren nur die positiv getesteten Fälle." Förtsch nimmt an, dass der Arzt, der J.S. getestet hat, "nur eine Empfehlung" ausgesprochen hat. "Das ist noch keine häusliche Quarantäne."

Eine häusliche Quarantäne ist nämlich etwas, das durch das Gesundheitsamt angeordnet wird - in diesem Fall gab es keine Quarantäne, sondern eben nur eine Empfehlung. Am Vormittag des 10. März kam dann übrigens das Aufatmen für den Hirschaider: Er ist negativ getestet und die maximale Inkubationszeit von zwei Wochen ist nun auch abgelaufen. "Ich war da erst einmal erleichtert und dachte: Am Ende des Tunnels kommt endlich Licht", erklärt J.S. gegenüber dem Fränkischen Tag.

Indes breitet sich das Coronavirus weiter aus. Ein Überblick über die Lage in Franken, Deutschland und der ganzen Welt im Ticker von inFranken.de.