Die Dreharbeiten zum "Schatz im Silbersee" liefen. Und gleich der erste Winnetou-Film sorgte 1962 für einen beispiellosen Hype. Michael Petzel erinnert mit einem Bildband aus dem Bamberger Karl-May-Verlag an ein Wildwest-Kapitel Kinogeschichte.
"Winnetou hört in der Ferne die Glocken, die ihn rufen. Ist es nicht so, mein Bruder?" Gestützt von Old Shatterhand blickt der große Apachen-Häuptling noch einmal auf und haucht anschließend sein Leben aus. Kitsch oder Kunst? Für Fans, die das tragische Ende von "Winnetou III" auf die Barrikaden trieb, keine Frage. Eine in der deutschen Kinogeschichte einmalige Protestwelle startete 1965, bis sich der eingeschüchterte Produzent bereit erklärte, die beliebteste Rothaut des Landes wiederzubeleben.
Ja, das war der Wilde Westen in der Bundesrepublik in einem Jahr, in dem Amerika Kampftruppen in den Vietnamkrieg schickte, Malcolm X ermordet wurde und der erste Mensch außerhalb der Raumkapsel einen Weltraumspaziergang wagte. In dieser Zeit also tobte der Hype um eine in Kroatien entstandene Filmreihe, die vor einem halben Jahrhundert mit dem Dreh des "Schatz im Silbersee" begann. Woran der Bamberger Karl-May-Verlag im Jubiläumsjahr mit Michael Petzels Bildband "50 Jahre Winnetou-Film" erinnert.
Reitstunden für Pierre Brice
So galoppieren zwei Helden wieder durch die endlosen Weiten der Prärie, um der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen. Reitstunden hatte Lex Barker ("Bruder Scharlih") Pierre Brice ("Bruder Winnetou") kurz vor Drehbeginn ja noch gegeben. Anders als der westernerfahrene Amerikaner war der französische Mime damals eben noch ein wahres Greenhorn, was seinen Erfolg (gerade bei weiblichen Zuschauerinnen) nicht minderte. Innerhalb kürzester Zeit wurde der Beau mit dem wehenden Haar und schwermütigen Blick zum Idol einer Generation, die noch vor der Rebellion der 68er stand. Zumal die "Bravo" alle Dreharbeiten begleitete und Winnetou allein drei Starschnitte widmete - mehr als jedem anderen Mädchenschwarm.
Am überraschendsten kam der Erfolg vermutlich für Pierre Brice, der den Apachenhäuptling "nicht spielen musste", wie Michael Petzel anmerkt: "Es reichte, wenn er sich sehen ließ." In der Ruhe lag seine Ausstrahlungskraft, was jedem Heben der Augenbraue oder Senken des Kopfes enorme Bedeutung gab, so Petzel. Dem Akteur stieß das Minimum an mimischem Aufwand begreiflicherweise auf. Dementsprechend beklagte sich Brice gegenüber Regisseur Harald Reinl, dass er "immer nur herumstehen" müsse. Woraufhin sein Gegenüber erwiderte, eben das mache er wunderbar.
Seltene Einblicke in die Dreharbeiten
Eine von vielen Randepisoden, die der Autor beleuchtet. Sie machen den Reiz seines Bandes ebenso wie Bilder von den Dreharbeiten aus, die leider weitaus seltener zu finden sind als die sattsam bekannten Filmmotive. Beispielsweise zeigt ein Schnappschuss den mit Uschi Glas scherzenden "Winnetou", der die gewohnte Schwermut gänzlich vermissen lässt.
Während ein Foto aus der Maske belegt, wie das Häuptlingshaar gehegt und gepflegt wurde. Auch lebt die Freundschaft von Barker und Brice in Bildern auf, die bis zum frühen Tod des Amerikaners 1973 hielt. Während das Teamwork mit Stewart Granger (Old Surehand) endete, sobald die Scheinwerfer ausgingen. Offenbar lebte der Brite seine Starallüren am Set aus, sofern man Brice' Autobiographie glaubt. Als schlechten Schauspieler beschimpfte Granger den Kollegen, um dementsprechend Texte zu ändern, ja ganze Drehbücher umzuschreiben, bis er selbst gebührend im Mittelpunkt stand.
Falsche Indianer
Glücklicherweise blieb dem Publikum die triste Realität hinter den Kulissen erspart. Es träumte weiter von einer schwarzweiß gezeichneten Welt, die schon die Heimatfilme der Nachkriegszeit beschworen hatten. Brav siegte das Gute über das Böse, zumal Winnetous berühmte Silberbüchse nie ihr Ziel verfehlte. Wen störte da die Tatsache, dass Indianer nicht Indianer spielten. Oder Darstellerinnen mit frisch manikürten Nägeln und gezupften Augenbrauen aus Kämpfen gingen.
Welches Kontrastprogramm bot 1970 Arthur Penns "Little Big Man" nur zwei Jahre nachdem "Winnetou und Shatterhand im Tal der Toten" den großen filmischen Hype um den Apachen-Häuptling zu Grabe trugen. Die bitterböse Satire mit Dustin Hoffman ließ viele Mythen des Wilden Westens sterben, die rassistische Darstellungen unzähliger Streifen, aber auch Geschichtsbücher des konservativen Amerikas bedient hatten. Übrigens waren die DEFA-Filme ihrer Zeit in dieser Hinsicht voraus. Hinter dem eisernen Vorhang zeigten sie schon in den Sixties das Leid der Indianer im Kampf gegen den Kolonialismus - unverkitscht und bemüht um eine möglichst realistische Umsetzung der Geschichte.
"50 Jahre Winnetou-Film: Die schönsten Bilder aus den Filmen der 60er-Jahre" von Michael Petzel erschien im Bamberger Karl-May-Verlag unter ISBN 978-3-7802-3018-8.