Alte Handwerkskunst neu belebt

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Mit so genanntem Bouillondraht lassen sich Perlen schön umrahmen. So entstehen zum Beispiel filigrane Blüten. Fotos: Diana Fuchs
Mit so genanntem Bouillondraht lassen sich Perlen schön umrahmen. So entstehen zum Beispiel filigrane Blüten.  Fotos: Diana Fuchs
 
Der Fantasie freien Lauf lässt Maria Neumann beim Gestalten ihrer Goldsterne.
Der Fantasie freien Lauf lässt Maria Neumann beim Gestalten ihrer Goldsterne.
 
Mit Golddraht, kleinen Perlen und Pailletten bestückt ist dieses "Fatschenkindle".
Mit Golddraht, kleinen Perlen und Pailletten bestückt ist dieses "Fatschenkindle".
 
Stramm wird der Golddraht um die Stricknadeln gewickelt.
Stramm wird der Golddraht um die Stricknadeln gewickelt.
 
 
Die heilige Familie zu verschönern, hat Maria Neumann viel Spaß bereitet. Diana Fuchs
Die heilige Familie zu verschönern, hat Maria Neumann viel Spaß bereitet. Diana Fuchs
 
Konzentriert biegt Maria Neumann die Strahlen ihres Goldsterns zurecht.
Konzentriert biegt Maria Neumann die Strahlen ihres Goldsterns zurecht.
 
Konzentriert biegt Maria Neumann die Strahlen ihres Goldsterns zurecht. Diana Fuchs
Konzentriert biegt Maria Neumann die Strahlen ihres Goldsterns zurecht. Diana Fuchs
 
 
 
Mit Geduld und einer Stricknadel formt Maria Neumann Sternenstrahlen. Fuchs
Mit Geduld und einer Stricknadel formt Maria Neumann Sternenstrahlen. Fuchs
 
Für diesen Stern hat Maria Neumann die alte Klostertechnik (Blüten) und ihre eigene Wickeltechnik (Blütenblätter) vermischt. Fuchs
Für diesen Stern hat Maria Neumann die alte Klostertechnik (Blüten) und ihre eigene Wickeltechnik (Blütenblätter) vermischt. Fuchs
 
 
Gerade mal 0,09 Millimeter dünn ist dieser Golddraht für Klosterarbeiten.
Gerade mal 0,09 Millimeter dünn ist dieser  Golddraht für Klosterarbeiten.
 
Fertig! Maria Neumann hat wieder ein individuelles Kunstwerk geschaffen. Fuchs
Fertig! Maria Neumann hat wieder ein individuelles Kunstwerk geschaffen. Fuchs
 
Jesus und seine Mutter Maria, entworfen von Irmi Funk, hat Maria Neumann quasi in Gold getaucht.
Jesus und seine Mutter Maria, entworfen von Irmi Funk,   hat Maria Neumann quasi in Gold getaucht.
 
Konzentriert biegt Maria Neumann die Strahlen ihres Goldsterns zurecht. Fuchs
Konzentriert biegt Maria Neumann die Strahlen ihres Goldsterns zurecht. Fuchs
 
Der Fantasie freien Lauf lässt Maria Neumann bei der Gestaltung ihrer Goldsterne, Broschen und Anhänger. Fuchs
Der Fantasie freien Lauf lässt Maria Neumann bei der Gestaltung ihrer Goldsterne, Broschen und Anhänger. Fuchs
 
In diesem "Schatzkästchen" bewahrt Maria Neumann Draht und Perlen auf.
In diesem "Schatzkästchen" bewahrt Maria Neumann Draht und Perlen auf.
 
 
 
 

Um die alte Handwerkskunst aus dem Mittelalter wieder zu beleben, braucht die Bambergerin Maria Neumann viel Geduld.

Auf den Holztisch in ihrer Küche hat sie ein weißes Leinentuch gelegt und glatt gestrichen. "Darauf kann man die kleinen Perlen gut erkennen." Eine Pinzette, eine Mini-Schere, fünf Stricknadeln und Golddraht liegen griffbereit. Maria Neumann setzt sich an den Tisch, reibt sich die Finger warm und sagt: "Na, dann woll' mer mal böbbeln!"

Böbbeln? Die gebürtige Waischenfelderin, die in Bamberg lebt, übersetzt das Mundartwort so: "Man könnt' dazu auch fieseln sagen. Oder pfriemeln." Auf jeden Fall braucht man flinke Finger, handwerkliches Geschick - und viel, viel Geduld. So, wie sie Klosterschwestern im Mittelalter hatten, als sie abendelang im Kerzenschein beisammensaßen und aus Perlen, Gold- und Silberdraht Anhänger oder Schmuck für den Altar, die Madonna oder das Jesuskind herstellten.

Maria Neumann ist keine Nonne. "Ich lebe nach christlichen Werten, aber ich bin keine Kirchgängerin", sagt die 75-Jährige. Die alte Volkskunst hat es ihr dennoch angetan. "Vor über zwei Jahrzehnten habe ich in der Zeitung die Ankündigung gelesen: 'Klosterarbeiten in der Volkshochschule'. Ich interessiere mich für alte Bräuche. Da hat mich das angesprochen." Neumann meldete sich zu dem Kurs an. Dessen Leiterin Irmi Funk lehrt seit 1993 an der VHS. Sie kommt ursprünglich aus dem Unterallgäu, wo die Tradition der Klosterarbeiten heute noch rege gepflegt wird. "In Franken sieht man gefasste Reliquien in der Technik der Klosterarbeiten fast in jeder Kirche. Trotzdem sind die alten Handarbeiten hier nicht mehr so präsent."

Maria Neumann, Jahrgang 1943, bewahrt die Tradition nicht nur, sie entwickelt sie auch weiter. "Das hat sich so ergeben", erzählt sie, während sie feinen Golddraht stramm um fünf nebeneinander liegende Stricknadeln wickelt. "Daraus werden die Strahlen von Goldsternen." Als sie die Nadeln später vorsichtig aus den Goldschlaufen zieht und die entstandenen Spiralen übereinander legt, versteht man, was sie meint. "Und obendrauf kommen Perlen- oder Paillettenblumen."

Nachdem sie ihre Brille in Position gerückt hat, fädelt Maria Neumann mit den Fingerspitzen neun winzige Perlen auf einen gerade mal 0,3 Millimeter feinen Draht. "Man braucht Zeit und Muße, sonst klappt es nicht." Ein gesundes Maß an Fantasie schadet auch nicht. Aus den Miniatur-Perlenschnüren formt die 75-Jährige Blütenblättchen. In deren Mitte setzt sie eine große Perle, umrahmt von einem speziell gedrehten Golddraht.

"Fertig!" Eine Dreiviertelstunde hat die Bambergerin an ihrem Stern gearbeitet. Andere Klosterarbeiten haben sie jahrelang beschäftigt. Maria und Josef etwa, die als 25 Zentimeter hohe, reich verzierte Puppen in einer Vitrine stehen. Oder das "Fatschenkindle", das in ein mit Gold und Perlen veredeltes Tuch gewickelte Jesuskind.

"Im Sommer habe ich keine Lust aufs Böbbeln, da gehe ich lieber raus in die Natur", stellt Maria Neumann fest. "Aber wenn's auf Weihnachten geht, packt es mich. Für mich ist das selbst gemachter Luxus, Lust an der Kunst." Die meditative Arbeit mache sie glücklich. "Immer, wenn ein Teil fertig ist, bin ich der zufriedenste Mensch." INFO:

Klosterarbeiten - lernen, wie's geht :

Klosterarbeiten: Zusammenfassender Begriff für alle in Klöstern hergestellten Arbeiten, insbesondere aus Gold- und Silberdraht, bunten Glassteinen, Wachs, Perlen und Stoff. Man kann nicht genau sagen, wo der Ursprung der mittelalterlichen Volkskunst liegt. Die ersten speziellen Stickereien werden auf das 16. Jahrhundert datiert. Es ist sehr wahrscheinlich, dass in Klöstern zuerst Reliquien fein verziert wurden. Bouillondraht: Hauptbestandteil einer jeden Klosterarbeit ist neben Perlen oder Glassteinen der vergoldete oder versilberte Bouillondraht. Es ist ein sehr fein gesponnener Metalldraht, zu unterschiedlich dichten Spiralen gedreht. Durch diese Spiralen wird in der Regel ein Draht geführt, um sie zu formen. Nächster Kurs: An der Bamberger VHS finden regelmäßig Kurse zu Klosterarbeiten statt. Der nächste beginnt kurz vor Ostern, am 13. März.

Informationen: www.vhs-bamberg.de, Tel. 0951/871102.